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Wildtiermanagement: Strategien & Beispiele

25. April 2024 -
Rotfuchs - © Sven-Erik Arndt
© Sven-Erik Arndt

Die Österreichische Jägertagung gilt seit jeher als Treffpunkt der internationalen Jagdszene, um sich in aktuellen jagd- und forstlichen Themen auszutauschen. Diesmal stand das Wildtiermanagement im Zentrum der Betrachtungen. – 2. Teil: Niederwild und Fuchsjagd.

Wildtiermanagement ist nicht nur beim Schalenwild ein Thema, sondern auch beim Niederwild, das in den letzten Jahrzehnten einerseits mit steigendem Lebensraumverlust und andererseits mit ebenfalls steigender Technisierung in der Landwirtschaft zu kämpfen hat.

Dr. Johann Blaimauer - © Martin Grasberger

© Martin Grasberger

Niederwild im Agrarland

Dr. Johann Blaimauer widmete sich der Situation des Niederwildes im Agrarland, worunter der Vorsitzende des Fachausschusses für Niederwild des NÖ Jagdverbandes klimatische Gunstlagen bis zu Seehöhen von 700–800 m versteht, die vorwiegend von Ackerbau und intensiver Grünlandbewirtschaftung (Obst-, Wein- und Gemüsebau) geprägt sind. Begleitet werde das Agrarland, so Blaimauer, durch Fließ­gewässer bzw. stehende Gewässer, durch Hecken, Feldgehölze und Aulandschaften, die einen relevanten Lebensraum für das Niederwild – in erster Linie Feldhase, Fasan, Rebhuhn – darstellen. Selbstverständlich befänden sich in diesem Agrarland auch Verkehrsinfrastruktur und Siedlungsräume, die das Niederwild entsprechend beeinflussen.
Für eine Beurteilung der aktuellen Niederwild­situation in den Agrarlandschaften Österreichs können die Streckenstatistiken der vergangenen Jahre bzw. Jahrzehnte herangezogen werden. Fallwildzahlen sind hingegen beim Niederwild – Verkehrsfallwild ausgenommen – kaum aussagekräftig. Als Fallwildopfer gilt in intensiv land­wirtschaftlich bewirtschafteten Regionen vor allem Jungwild, das auf der Fläche schwer bemerkt wird bzw. sehr rasch von Aasfressern vollständig beseitigt wird. Auf die Entnahme des Niederwildes/Jungwildes durch Prädatoren kann lediglich indirekt und sehr individuell nach Reviersituation aufgrund der Güte des Lebensraumes und der Beutegreiferpopulation geschlossen werden.
Österreichs Streckenentwicklung der letzten dreißig Jahre schreibt im Wesentlichen einen negativen Trend fort, der in den 1980er-Jahren eingesetzt hat. Rückgänge von 42,5 % beim Feldhasen, 75 % beim Fasan und Rebhuhn sowie 60 % bei der Wildente sind nicht mehr allein mit Fächenverbrauch, Intensivierung der Landwirtschaft und Verlust der Biodiversität erklärbar. Die Fuchsstrecke hat im gleichen Zeitraum in Österreich um 54 % und in Niederösterreich gesamt sogar um 90 % (!) zugelegt. Die Dachsstrecke hat sich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt. Die Räuber-Beute-Beziehung zwischen dem Niederwild und seinen Prädatoren entwickelt sich also einseitig zugunsten der Beutegreifer.
Auffallend ist zudem, dass in den Abschusszahlen von Jahr zu Jahr eine hohe Variabilität erkennbar ist und dass es eine hohe Korrelation an Jahreseffekten zwischen den Niederwildarten gibt. Das deutet auf einen nicht unwesentlichen Einfluss unterschiedlicher Jahreswitterung hin.
Der starke Rückgang der Streckenergebnisse seit den 1980er-Jahren ist insofern geringfügig zu relativieren, als sich der Lebensraum des Nieder­wildes auf der Ackerfläche im Betrachtungszeitraum 1995–2020 um etwa 6 % verringert hat. Im Vergleich dazu hat Österreich im Zeitraum von 1961–2012 laut dem Ökosozialen Forum 32,6 % der fruchtbaren landwirtschaftlichen Böden eingebüßt.
Die Besiedelung hat im selben Zeitraum vor allem rund um die urbanen Regionen stark zugenommen, was eine Beeinträch­tigung der grundsätzlich günstigen Niederwildlebensräume rund um die Ballungszentren durch Verkehr, Erholungsuchende, Heimtiere und Freizeitsport bedeutet.
Der landwirtschaftliche Strukturwandel mit einer Verringerung der Betriebe von etwa 300.000 im Jahr 1980 auf 154.000 im Jahr 2020, einer gleichzeitig durchschnittlich bewirtschafteten landwirtschaftlichen Fläche von seinerzeit 11 ha auf derzeit 23,5 ha pro Betrieb, einer Erhöhung der Schlagkraft in der landwirtschaftlichen Mechanisierung mit dem Einzug der Präzisionslandwirtschaft, übt natur­gemäß einen signifikanten Einfluss auf den Lebensraum des Niederwildes aus. Klimaveränderungen, Biodiversitätsverlust und Flächenverbrauch sind Themen, denen sich die gesamte Gesellschaft stellen muss. Die Jäger als betroffene sensible Wahrnehmungsgruppe haben sich in die Diskussion aktiv einzubringen und eine Wende zu unterstützen. Das Ziel der österr. Nachhaltigkeitsstrategie, den täglichen Flächen­verbrauch von derzeit durchschnittlich 11,4 ha auf 2,5 ha zu senken, ist unmittelbar eine große politische Herausforderung.
Die Jäger sind auf der verbleibenden Fläche selbst für eine Verbesserung der Rahmen­bedingungen für das Niederwild verantwortlich – und nehmen diese Verantwortung auch wahr. Erfolgreiche Hegemaßnahmen orientieren sich mehr und mehr an Lebensraumverbesserungen, und das bedeutet letztlich, Allianzen mit den Grund­bewirtschaftern zu schmieden.
Wenn der Lebensraum aus oft unbeeinflussbaren Gründen weniger wird, muss die Qualität erhöht werden, was in den Ackerbauregionen immer mehr zu einem landwirtschaftlichen Thema avanciert. Der Niederwildjäger der Zukunft weist unabdingbar eine gute Beziehung zur Landwirtschaft auf und kann auf Augenhöhe mit den Grundbesitzern die Lebensraumbewirtschaftung diskutieren. Sein Einfühlungsvermögen gegenüber der nicht jagenden Bevölkerung sollte auf breiter Basis die Lebensraumbedürfnisse der Wildtiere respektvoll anerkennen lassen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass es den Jägern mit den Grundbewirtschaftern in zahlreichen Revieren gelungen ist, die Voraussetzungen für eine weiterhin nachhaltige Bejagung des Niederwildes intakt zu erhalten. Trotz allem bleiben die notwendigen Veränderungen der komplexen Rahmenbedingungen enorm herausfordernd.

"Das laufende ÖPUL-Programm beinhaltet sehr viele Elemente, die dem Niederwild helfen und den schleichenden Lebensraumverlust stoppen können."
– Dr. Johann Blaimauer, Vorsitzender Fachausschuss Niederwild NÖ Jagdverband

Der landwirtschaftliche Strukturwandel mit einer Verringerung der Betriebe von etwa 300.000 im Jahr 1980 auf 154.000 im Jahr 2020, einer gleichzeitig durchschnittlich bewirtschafteten landwirtschaftlichen Fläche von seinerzeit 11 ha auf derzeit 23,5 ha pro Betrieb, einer Erhöhung der Schlagkraft in der landwirtschaftlichen Mechanisierung mit dem Einzug der Präzisionslandwirtschaft, übt natur­gemäß einen signifikanten Einfluss auf den Lebensraum des Niederwildes aus. Klimaveränderungen, Biodiversitätsverlust und Flächenverbrauch sind Themen, denen sich die gesamte Gesellschaft stellen muss. Die Jäger als betroffene sensible Wahrnehmungsgruppe haben sich in die Diskussion aktiv einzubringen und eine Wende zu unterstützen. Das Ziel der österr. Nachhaltigkeitsstrategie, den täglichen Flächen­verbrauch von derzeit durchschnittlich 11,4 ha auf 2,5 ha zu senken, ist unmittelbar eine große politische Herausforderung.
Die Jäger sind auf der verbleibenden Fläche selbst für eine Verbesserung der Rahmen­bedingungen für das Niederwild verantwortlich – und nehmen diese Verantwortung auch wahr. Erfolgreiche Hegemaßnahmen orientieren sich mehr und mehr an Lebensraumverbesserungen, und das bedeutet letztlich, Allianzen mit den Grund­bewirtschaftern zu schmieden.
Wenn der Lebensraum aus oft unbeeinflussbaren Gründen weniger wird, muss die Qualität erhöht werden, was in den Ackerbauregionen immer mehr zu einem landwirtschaftlichen Thema avanciert. Der Niederwildjäger der Zukunft weist unabdingbar eine gute Beziehung zur Landwirtschaft auf und kann auf Augenhöhe mit den Grundbesitzern die Lebensraumbewirtschaftung diskutieren. Sein Einfühlungsvermögen gegenüber der nicht jagenden Bevölkerung sollte auf breiter Basis die Lebensraumbedürfnisse der Wildtiere respektvoll anerkennen lassen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass es den Jägern mit den Grundbewirtschaftern in zahlreichen Revieren gelungen ist, die Voraussetzungen für eine weiterhin nachhaltige Bejagung des Niederwildes intakt zu erhalten. Trotz allem bleiben die notwendigen Veränderungen der komplexen Rahmenbedingungen enorm herausfordernd.

Dominik Dachs MSc.  - © Martin Grasberger

© Martin Grasberger

Weidgerechte Fuchsbejagung

Dominik Dachs MSc. (Meles Wildbiologie) widmet sich der weidgerechten Fuchsbejagung im Spannungsfeld von Notwendigkeit und Weidgerechtigkeit. Das „Kurzhalten“ von Beutegreifern gilt in Niederwildrevieren als eine wesentliche Säule der Niederwildhege. Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass Säugetiere den größten Anteil der Prädationsereignisse im Niederwildrevier verursachen (Bro et al., 2001; Olesen, 2017; Panek, 2002). Die exakte Unterscheidung innerhalb der Säugetiergruppe ist schwer durchzuführen. Verschiedene Indizien legen jedoch nahe, dass der Fuchs der dominante Prädator in der Gilde der mittelgroßen Prädatoren (Mesoprädatoren) Mitteleuropas darstellt. So konnte beispielsweise bei Gottschalk & Beeke (2014) in 30 von 31 identifizierbaren Fällen prädierter Rebhühner der Rotfuchs als Verursacher dokumentiert werden.
Während aus der Praxis immer wieder Erfolgsgeschichten von Niederwildhege mit ausschließlicher Prädatorenbejagung durch Jagdpresse und den Buschfunk gehen, gibt es dazu nur wenige wissenschaftliche Belege. Eine der wenigen Arbeiten, die zeigen, dass Niederwilddichten durch Prädatorenregulierung ansteigen können, stammten aus Großbritannien (Reynolds & Tapper, 1996). Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass Prädatorenregulierung deswegen nicht in jedem Revier automatisch den gewünschten Hegeerfolg bringt. Um die Wirkung von Hegemaßnahmen, worunter auch die Prädatoren­regulierung zählt, zu evaluieren, empfiehlt sich ein entsprechendes Monitoring im Jagdbetrieb.

"Während die Prädatoren auf das Niederwild wirken, nimmt der Lebensraum Einfluss auf die Prädation: In einer ausgeräumten Landschaft suchen auch wenige Füchse die verbliebenen Hecken ab und prädieren dort das Niederwild."
– Dominik Dachs MSc., Meles Wildbiologie (meles.eu)

Wird die Entscheidung zur Populationskontrolle beim Fuchs getroffen, zieht das einen weitreichenden Rattenschwanz an Konsequenzen mit sich. Doch warum sollte die Populationskontrolle überhaupt als legitimes Mittel betrachtet werden? Übergeordnetes Ziel ist nicht die Fuchspopulation als solche zu reduzieren, sondern es geht primär darum, Einfluss auf die Auswirkungen der Füchse auf die Population von Beutetieren zu nehmen. Dieser feine Unterschied kann im praktischen Jagdalltag leicht untergehen. Mancherorts hat sich dadurch eine regelrechte Verfolgungskultur etabliert, in welcher die Grundsätze des Rechts und der Weidgerechtigkeit über die Zeit erodiert sind. Die hemmungslose Ver­folgung des Fuchses ist jedoch gar nicht das eigentliche Interesse der Fuchs­bejagung im Niederwildrevier. Sie verfolgt den konkreten Zweck, dass sich die Überlebenswahrscheinlichkeit von Niederwildarten erhöht. Ent­scheidend für die Entwicklung von Niederwild­besätzen ist die Überlebenswahrscheinlichkeit von Jungwild und bei den Brutvögeln auch die der brütenden Hennen (Bro et al., 2001).
Die Fuchspopulationskontrolle stellt auch unter Zuhilfenahme von Fallen und Nachtzieltechnik – dort, wo erlaubt – eine zeitintensive und handwerklich anspruchsvolle Daueraufgabe dar. Die Entnahme eines einzelnen Individuums ist per se noch kein Erfolg. Ein halbherziger Eingriff ins­besondere im Herbst und Frühwinter kann sogar zu einem Anstieg der Fuchsdichte führen (Baker & Harris, 2005). Frei werdende Reviere wirken wie ein Magnet auf Jungfüchse, die aus dem Geburtsrevier abwandern. Diese verstärkte Immigration muss dann ebenfalls abgeschöpft werden, bis die Wanderbewegungen seltener werden, was nach der Ranz Ende Februar der Fall ist. Es ist zweifelsfrei belegt, dass Füchse sehr weite Abwanderungs­distanzen zurücklegen können, und die Nachbesetzung freier Reviere erfolgt schnell. Das ist einer der Hauptgründe, warum viele Programme zur Fuchs­reduktion insbesondere auf großer Fläche scheitern (Baker & Harris, 2005; Frey et al., 2003; Kämmerle et al., 2019; Porteus et al., 2018, 2019).
Fuchsbejagung kann eine wirkungsvolle Maßnahme der Niederwildhege sein. Fuchsreduktion ist jedoch nicht gleichbedeutend mit hoher Fuchsstrecke. Forschungsergebnisse zeigen, dass jährlich von April bis August die kritische Phase für das Niederwild besteht. Entscheidend ist daher, die Fuchsdichte temporär in dieser Zeit gering zu halten. Zeitgleich findet von März bis September auch die Aufzuchtzeit der Jungfüchse statt. Aufgrund des Muttertierschutzes sollten zu dieser Zeit keine Fähen bejagt werden. Eine konsequente Bejagung im Jänner und Februar sowie der versierte Einsatz von Nachtzieltechnik (sofern legal) und Fallenjagd erlauben eine tierschutzgerechte und effiziente Durchführung.

Fortsetzung folgt!