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Winterschlaf & Winterstarre: Strategien der Wildtiere

5. Dezember 2024
Siebenschläfer - © stock.adobe.com/mgkuijpers
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Entdecken Sie, wie Wildtiere durch Winterschlaf, Winterruhe oder Winterstarre den Winter überstehen. Erfahren Sie mehr über ihre faszinierenden Anpassungen und Überlebensstrategien.

Ist man derzeit im Revier unterwegs, so hat es den Anschein, als wären so manche Wildtiere vom Erdboden verschluckt worden. Auf eine gewisse Art und Weise trifft dies sogar zu. Denn in harten Zeiten von Nahrungsengpass und schlechter Witterung, wie es oft im Winter der Fall ist, haben diverse Wildtiere unterschiedliche Strategien entwickelt, um diese Phasen zu überdauern. Zugvögel verlassen im Herbst ihren Sommerlebensraum und ziehen gen Süden, um die kalten Wintermonate in warmen Gebieten (unter anderem Nordafrika) zu verbringen. Verschiedene Säugetiere und wechselwarme (poikilotherme) Tiere können jedoch nicht so einfach nach Afrika in warme Regionen flüchten und haben daher im Laufe der Evolution spezielle Überlebensstrategien entwickelt. Die Rede ist von Winterschlaf, -ruhe und -starre. Doch worin unterscheiden sich die drei Strategien?

Winterschlaf: Überlebensstrategie der Wildtiere

Die wohl bekannteste Überwinterungsstrategie ist der Winterschlaf. Diese evolutionäre Anpassung existiert ausschließlich bei Säugetieren, wobei zu den bekanntesten Vertretern der Siebenschläfer, die Fledermaus, der Igel und das Murmeltier zählen. Als Faustregel gilt: Das Murmeltier ist das größte Säugetier, das Winterschlaf hält.
Bevor sich die Tiere jedoch im Herbst in ihren sicheren Unterschlupf verkriechen, fressen sie sich ausreichend Fettreserven an, welche als lebensnotwendige Energiespeicher dienen. Denn über die gesamte Dauer des Winterschlafs nehmen die Tiere keine Nahrung zu sich. Doch wie ist das möglich?
Beim Winterschlaf handelt es sich um keinen gewöhnlichen Schlaf. Winterschläfer reduzieren bei dieser extrem langen Schlafperiode ihren Stoffwechsel auf ein Minimum, um so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen. Dabei verlangsamen sich nicht nur der Herzschlag (beim Igel von 200 auf fünf Schläge/Minute) und die Atmung (beim Igel ein Atemzug statt 50/Minute), sondern auch die Körpertemperatur sinkt drastisch ab (beim Murmeltier auf 3 °C). Auch die Schlafposition wird bewusst gewählt: Durch das enge Einrollen und den gut ausgepolsterten Schlafplatz geben die Tiere kaum Wärme an die Umgebung ab, und der Körper verbrennt somit weniger Fett.
Wenn die Langschläfer im Frühling wieder aufwachen, müssen sie erst auf Betriebstemperatur kommen. Dank des Muskelzitterns erreichen die Tiere ihre reguläre Körpertemperatur. Zahlreiche Stoffe, die sich durch das lange Schlafen im Körper angesammelt haben, müssen nun ausgeschieden werden. Darüber hinaus ist auch der Energiespeicher fast aufgebraucht, und die Säugetiere müssen auf Nahrungssuche gehen, um wieder zu Kräften zu kommen.
Tiere im Winterschlaf sollen nicht geweckt werden, da es lebensgefährliche Folgen für die Schläfer haben kann. Häufiges, ungeplantes Aufwachen verbraucht zu viel Energie, was schließlich zum qualvollen Verhungern der Winterschläfer führen würde.

Der Siebenschläfer: Meister des Winterschlafs

Der wohl berühmteste Winterschläfer ist der Siebenschläfer. Im September/Oktober zieht er sich in sein Nest zurück, wobei den entscheidenden Impuls für die lange Schlafphase nicht die sinkenden Temperaturen oder die mangelnde Nahrungsverfügbarkeit geben. Ausschlaggebend sind die hormonelle Umstellung sowie die Tageslänge. Durch die kürzer werdenden Tage konsumieren die Individuen mehr Nahrung, was die Bildung der Fettreserven fördert. Mit zunehmendem Gewicht steigt auch die Schlafbereitschaft der Wildtiere.
Sobald sich der Schläfer in sein 50—100 cm tiefes Nest im Boden zurückgezogen hat (manchmal auch am Dachboden oder in der Jagdhütte), beginnt die bis zu 10 Monate lange Schlafphase. Der Nager schläft jedoch nicht monatelang durch, sondern wacht von selbst in regelmäßigen Abständen auf, um Kot und Urin abzugeben oder den Schlafplatz zu wechseln. Die Vorräte, die der Siebenschläfer vor Schlafbeginn in seinem Nest deponiert hat, werden nach dem Aufwachen im Frühjahr gefressen. Dies ist auch notwendig, da der Schläfer während des Winterschlafs bis zu 50 % seines Körpergewichts verliert.

Braunbär im Schnee - © Reiner Bernhardt

© Reiner Bernhardt

Winterruhe: Wie Bären und andere Tiere Energie sparen

Die Winterruhe wird fälschlicherweise oft als Winterschlaf bezeichnet, da sich die beiden Zustände in einigen Punkten durchaus ähneln. Zum einen schlafen auch Winterruher, wie der Dachs, das Eichhörnchen, der Waschbär und der Braunbär, jedoch wachen sie regelmäßig auf, um Nahrung zu sich zu nehmen. Die Rede ist nicht von kleinen Snacks hie und da. Wirft man einen Blick auf die Nahrungsaufnahme des Eichhörnchens, so ist ersichtlich, dass der Kletterkünstler im Laufe der Winterruhe etwa die Hälfte der Nahrung frisst, die er im Sommer konsumiert.
Während der Schlafphasen reduzieren die Tiere sowohl ihren Herzschlag als auch ihre Atemzüge, jedoch bei Weitem nicht so sehr wie beim großen Bruder, dem Winterschlaf. Dennoch sparen die Tiere mit dieser Reduktion einiges an Energie. Der wohl größte Unterschied zum Winterschlaf ist jedoch die Tatsache, dass die Tiere ihre Körpertemperatur nicht senken. Warum dem so ist, lässt sich einfach am Beispiel des Braunbären erklären:
Würde ein 300 kg schwerer Braunbär seine Körpertemperatur wie das Murmeltier auf 3 °C reduzieren, würde er ewig brauchen, um wieder auf Touren zu kommen. Mäuse könnten in der Zwischenzeit ein Ohr des Kolosses abknabbern, und er könnte sich nicht wehren. Ein Winterschlaf macht bei solch großen Säugetieren somit biologisch gesehen keinen Sinn. Dennoch ist die Winterruhe für die Individuen überlebenswichtig. Denn vor allem jene Bären in den nördlichen Regionen könnten ohne diese Überwinterungsstrategie nicht überleben. Nicht die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt oder der Schnee sorgen für Probleme bei den Tieren, schließlich sind sie dank ihres Fells dagegen relativ unempfindlich, sondern die mangelnde Nahrung ist der Grund, warum die Tiere in den Energiesparmodus übergehen müssen. Bevor die Ressourcen knapp werden, müssen die Bären eine ausreichende Fettschicht anlegen, da sie während der Winterruhe etwa ein Drittel ihres Gewichts verlieren.
Wie so oft in der Biologie lässt sich das Phänomen der Winterruhe nicht verallgemeinern; jeder Braunbär verhält sich unterschiedlich. Es gibt vereinzelte Individuen, die keine Winterruhe halten. Diese haben einen Weg gefunden, selbst in der kargen Jahreszeit ausreichend Futter zu bekommen. Sei es, dass sie äußerst effiziente Jäger sind, die sich im Winter auf schwache, verletzte Beutetiere fokussieren, oder dass sie Fütterungen oder menschliche Abfälle als sättigende Nahrungsquelle erschließen.

Kreuzotter - © Willi Rolfes

© Willi Rolfes

Winterstarre: Überlebensstrategie von wechselwarmen Tieren

Die Winterstarre oder auch Kältestarre ist die letzte der drei Überwinterungsstrategien und tritt nur bei wechselwarmen (poikilothermen) Tieren, wie Schlangen, Fröschen, Schildkröten und Fischen, ein. Da diese Wildtiere ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren können und dementsprechend an die Umgebungstemperatur anpassen, erstarren die Tiere, sobald es zu kalt wird. Durch diese gezwungene Inaktivität verbrauchen die Wildtiere kaum noch Energie. Da Flüssigkeiten jedoch ab Temperaturen von unter 0 °C gefrieren, stellt sich die Frage, wie wechselwarme Tiere im Winter überleben können.
Ihr Körper hat dafür einen einfachen Schutzmechanismus entwickelt: Die Lebewesen besitzen eine Art Frostschutzmittel in ihrem Körper, das dafür sorgt, dass ihr Blut und andere Körperflüssigkeiten nicht einfrieren und sie somit auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt noch lebensfähig sind. Neben dem Absinken der Körpertemperatur werden auch die Atmung und der Herzschlag stark reduziert. Im Gegensatz zu den schlafenden und ruhenden Wildtieren bleiben ihre Augen in der Starre jedoch geöffnet.
Ein heimischer Vertreter, der sich aktuell in der Winterstarre befindet, ist die Kreuzotter. Sie befindet sich, je nach Lebensraum, zwischen vier und acht Monate in der Kältestarre. Sobald die Temperaturen Ende Oktober stark sinken, sucht die Schlange geeignete Verstecke unter Baumwurzeln und Felsspalten auf und teilt sich den sicheren, frostfreien Unterschlupf meist mit vielen weiteren Artgenossen. In der Regel „erwacht“ die Kreuzotter zwischen Mitte Februar und April, beeinflusst wird dies vor allem von der Höhenlage und den vorherrschenden Wetterbedingungen. Männliche Exemplare erwachen bereits zwei Wochen vor ihren Partnerinnen aus der Starre.

5. Dezember 2024