Jagdsymposium 2025: Bleifreie Munition im Fokus von Experten und Praxis

Jäger mit Jagdhund im Sonnenuntergang – Silhouettenaufnahme
Symbolbild für die tiefe Verbindung zwischen Mensch, Hund und Natur. © Michael Migos

Beim Jagdsymposium 2025 auf Schloss Esterhazy diskutierten Experten, Jäger und Verbände über Chancen, Herausforderungen und gesetzliche Entwicklungen rund um bleifreie Munition.

Die Esterhazy Betriebe AG und PANNATURA GmbH luden am 13. Mai zum Jagdsymposium 2025, um ein kontroversielles Thema zu beleuchten, das die Jagd in Europa maßgeblich ­betreffen wird: „Bleifrei in der Jagd“. Etwa 180 geladene Gäste folgten der Einladung in die „Schilffabrik“ auf dem Bio-Landgut Esterhazy in Donnerskirchen (Bgld.), um den ­Ausführungen einer hochkarätig ­besetzten Expert­enrunde unter der Moderation von Dr. Christa Kummer-Hofbauer zu folgen. Förster Ing. David Simon, Leiter des Bereichs Naturschutz, Jagd & Fischerei bei Esterhazy, begrüßte die Gäste mit einem kurzen Einblick in aktuelle Entwicklungen des Betriebes und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, mit dieser ­Veranstaltung eine sachliche und ­offene Diskussion innerhalb der ­Jägerschaft zu fördern. Das folgende ­Impulsreferat hielt der bekannte ­Waffensachverständige und Fachautor Jens Tigges. Seit Jahrzehnten im ­Bereich Präzisionsschießen tätig und somit auch mit der Thematik Munitionsentwicklung und -test vertraut, kennt Tigges auch die Pionierzeit in der Konstruktion bleifreier Jagdgeschosse, die über vierzig Jahre ­zurückliegt. Damalige Entwicklungen entsprangen allerdings (noch) nicht den Anforderungen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, sondern dem Wunsch nach optimaler Tiefenwirkung. So räumt der Fachmann ein, dass die anfänglichen Ergebnisse jagdlich nicht immer zufrieden­stellend ge­wesen seien; Präzision, Schock- und Tiefenwirkung, möglichst geringe Wildbretentwertung und ­geringe ­Umfeldgefährdung ohne die Ver­wendung von Blei auf einen Nenner zu bringen, habe die Konstrukteure aller Her­steller mitunter an ihre Grenzen ­gebracht, so Tigges. Während man beim innen- und außenballis­tischen Ver­halten blei­haltiger Geschosse seit Langem auf umfangreiche Erfahrungen zurückgreifen konnte, bedurfte es hier noch unzähliger ­Erkenntnisse und Daten. Eindrücklich präsentierte der Experte Fotos ­beschossener Seifen­blöcke, um gute und weniger gute ­Beispiele der ­Wirkung bleifreier Geschosse zu veranschaulichen.

Expertengruppe beim Jagdsymposium 2025 mit Wildbret-Schautafel
Vertreter aus Jagd, Wissenschaft und Wirtschaft setzen sich für nachhaltige Wildbretverwertung ein. © Pannatura/Thomas Schmid
Wissenswertes über Blei (Pb, lat. plumbum)
– hohes spezifisches Gewicht, Verformbarkeit, gute innen- und außenballistische Eigenschaften.
– toxisches Schwermetall, beeinträchtigt bei Aufnahme in den Körper Nervensystem, Blut­bildung, Nieren, Herz-Kreislauf-System und Fruchtbarkeit.
– Gefährlich für Wildtiere, insbesondere Greif- und Wasservögel. Aufnahme bleihaltiger Geschossteile kann zu schleichenden Vergiftungen (z. B. Nervenschäden, Muskelschwund, Atemnot) und zum Tod führen.
– Verzehr von Wildfleisch, das mit bleihaltiger Munition erlegt wurde, kann in größeren Mengen für Menschen gesundheits­schädlich sein.

Bleifreie Jagdmunition: Verfügbarkeit, Präzision und Entwicklungspotenzial

Heute findet sich bleifreie Jagdbüchsenmunition im Portfolio aller bekannten Munitions-Hersteller, wenngleich deren Anteil derzeit bei nur etwa 5 % der ­Gesamtproduktion liegt. Der ­Großteil aller bleifreien Laborierungen ­verfügt mit­tlerweile über Defor­mations­geschosse ohne oder mit nur minimaler Splitterwirkung.
Gewisse Herausforderungen bringe der Trend zu sehr kurzen Schall­dämpferläufen mit sich, berichtet der Fachmann; diesem käme die Industrie ­jedoch mit Speziallaborierungen entgegen, deren Vielfalt an Geschoss­gewichten und -geschwindigkeiten ­allerdings ein gewisses Fachwissen vom Anwender einfordere. Alles in allem
sei die Verfügbarkeit jagdtauglicher, bleifreier Büchsenmunition mittlerweile sehr gut, bei Schrotmunition ortet Jens Tigges allerdings noch Entwicklungsbedarf. Gerade hier liegt aus Sicht des Tier- und Umweltschutzes allerdings die höchste Dringlichkeit, was am vielerorts bereits bestehenden Bleischrotverbot in Feuchtgebieten ersichtlich ist.
Die abbschließenden Publikumsfragen, die sich zumeist um das Thema Präzision drehten, beantwortete Tigges unter anderem mit dem Fazit, dass nicht zuletzt entsprechendes Augenmerk auf einer fachgerechten Laufpflege liegen solle.

Beschossene bleifreie Jagdgeschosse mit aufpilzender Wirkung
Beispiel für die Deformationswirkung moderner bleifreier Munition. © Norbert Steinhauser

Podiumsdiskussion zum Bleiverbot: Recht, Greifvogelschutz und Wildbret im Fokus

Den zweiten Teil des Abends bildete eine Podiumsdiskussion, zu der die Moderatorin Mag. Jörg Binder („Jagd Österreich“), Thomas Hofer (Österr. Falknerbund), ao. Univ.-Prof. Dr. Peter Paulsen (Vet.-Med. Universität Wien) und DI Matthias Grün (Esterhazy ­Betriebe AG) auf die Bühne bat. Nach den technisch-fachlichen Ausführungen galt es, auch die weitreichenden anderen Aspekte der geplanten EU-­Gesetzgebung zu beleuchten.
So verwies Mag. Binder als Jurist auf die Notwendigkeit ausreichender Übergangsfristen, um Herstellern, Behörden und Anwendern chaotische „Schnellschüsse“ und daraus resultierende Versorgungsprobleme zu er­sparen. Er äußerte zudem gewisse ­Bedenken, dass eine solch massive Maßnahme in Zeiten globaler Auf­rüstung zeitnah umsetzbar und von zentralem Interesse sein könne. Aus Sicht des Greifvogelschutzes sprach Thomas Hofer eine klare Empfehlung für die Verwendung bleifreier Munition aus, zumal er und seine Kollegen das Leid vergifteter Vögel immer wieder unmittelbar erleben würden. Europaweit in die Millionen gehende Opferzahlen, insbesondere bei Greifvögeln, würden ein Bleiverbot für den Falkner unumgänglich machen, ergänzt Hofer.
Der aus vielen Publikationen, Vorträgen und Schulungen bekannte Wildfleisch-Experte Dr. Peter Paulsen stellte einerseits fest, dass die durchschnittliche Bleibelastung von Wildfleisch etwa so hoch sei wie bei Innereien und Pilzen. Man müsse jedoch bei derlei Vergleichen stets die üblichen Verzehrmengen im Blick behalten, weshalb grundsätzlich die Vermeidung unnötigen Schadstoffeintrages immer anzustreben sei. Wenn die technischen Möglichkeiten dazu verfügbar seien, sollen diese auch angewendet werden.
Gastgeber DI Matthias Grün stellte klar, dass man auf den betriebseigenen Jagdflächen für Ansitz- und Einzeljagd grundsätzlich bleifreie ­Munition ­befürworte, sofern im jeweils ver­wendeten Kaliber verfügbar. Lediglich auf Bewegungsjagden kämen aufgrund potenziell geringerer Umfeld­gefährdung ausschließlich bleihaltige Geschosse zum Einsatz. Aufbruchsreste müssen bei Esterhazy in jedem Fall fachgerecht entsorgt werden, um allfällige Bleirückstände nicht für Raubvögel und andere Raubtiere zugänglich zu machen. Ihm sei wichtig, bei derlei Diskussionen nicht dogma­tische ­Lösungen zu suchen, sondern ergebnisoffen und faktenbezogen heranzugehen.

Jägerin zielt mit Flinte beim Schießtraining im Freien
Ein präziser Anschlag will geübt sein – Schießpraxis als Teil jagdlicher Verantwortung. © Martin Grasberger

Bleiverbot in der Jagd: Chancen, Skepsis und Auswirkungen auf Schießsport

Wenngleich eine von Dr. Christa Kummer-­Hofbauer durchgeführte Hand­abstimmung im Saal zeigte, dass nur etwa die Hälfte der Anwesenden bereits bleifreie Munition verwendet bzw. damit Erfahrungen hat, schienen die grundsätzliche Bereitschaft zur Verwendung von bleifreier Munition und das Interesse an deren Verwendung in hohem Maße vorhanden zu sein.
Umwelt- und Gesundheitsschutz sind demnach zentrale und wichtige Themen in der Jägerschaft und entsprechen deren Selbstverständnis. Erfahrungsgemäß ist aber eine gewisse Grundskepsis bei Vorstößen der EU gegen Jagd und Waffenbesitz durchaus angebracht, zumal ein vollständiges Bleiverbot bei Munition besonders Sportschützen in Bedrängnis bringen und in weiterer Folge Schießstand­betreiber existenziell betreffen könnte. Während sich die Jagd vermutlich mit einigem – auch finanziellem – Aufwand zukünftig bleifrei durchführen lässt, so wären ganze Munitionsgruppen, etwa Randfeuerpatronen, technisch nicht mehr realisierbar und in großen ­Mengen benötigte Patronen, etwa für das dynamische Schießen, nicht mehr finanzierbar. Ob die derzeitige Infrastruktur an Schießplätzen dann überhaupt noch beizubehalten wäre, scheint ebenfalls fraglich.
Die Bündelung der Kräfte aller ­Betroffenen sowie eine weiterhin ­genaue Beobachtung der Vorgänge in Brüssel sind jedoch mit Sicherheit das Gebot der Stunde.

Zahlen & Fakten
2019: EU-Kommission be­auftragt die ECHA (European Chemicals Agency), einen Vorschlag für ein Verbot von Blei in Jagd- und Sportmunition sowie für Angelgerätschaften auszuarbeiten. Statement der ECHA: „Es wird geschätzt, dass in der EU pro Jahr rund 44.000 Tonnen Blei in die Umwelt gelangen: 57 % gehen auf das Sportschießen zurück, 32 % auf die Jagd und 11 % auf Angel- und Fischereiaktivitäten. Wenn die derzeitige Freisetzung von Blei aus diesen Aktivitäten anhält, würden in den kommenden 20 Jahren ohne weitere Regulierung etwa 876.000 Tonnen Blei in die Umwelt ­gelangen.“
2023: Verbot der Verwendung von bleihaltigem Schrot bei der Jagd in Feuchtgebieten.
ECHA übermittelt technische Empfehlungen an REACH-Ausschuss (Ausschuss für Risiko­bewertung der EU) zur Ausarbeitung der Gesetzes­vorlage zur Beschränkung der Verwendung und des Inverkehrbringens von bleihaltiger ­Munition bei „Aktivitäten im Freien“ (Outdoor-Shooting).
2025: EU-Kommission legt dem REACH-Ausschuss einen Regulierungsvorschlag vor: Generelles Verbot von Bleischrot auf der Jagd innerhalb von drei Jahren, innerhalb von 10 Jahren Bleischrotverbot auf Schießständen. Innerhalb von 18 Monaten auf der Jagd nur noch bleifreie Büchsenmunition in Kalibern größer als
5,6 mm, für kleinere Kaliber 10-jährige Übergangsfrist. Ausnahmen für Sportschützen vorgesehen, sofern Schießstände hohe technische Auf­lagen für Blei-Recycling erfüllen. Vorschlag derzeit in Begutachtung in EU-­Parlament und EU-Rat.

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