News 4. Juli 2024

NÖ Jagdverband am Runden Tisch

NÖ Jagdverband tourt unter dem Motto "Lebensraum und Wild als Einheit sehen" durch Niederösterreichs Viertel: Runder Tisch diskutierte Ansprüche des Wildes und notwendige Maßnahmen für attraktive Lebensräume.

NÖ Jagdverband Runder Tisch 2024 - v.l.n.r.: Robin Sandfort (Capreolus), Rosemarie Wurm (Hegeringleiterin), Claudia Bieber (FIWI), Rudi Hoffmann (Niederwild-Versuchsrevier Deutsch-Haslau), Landesjägermeister-Stellvertreter Franz Hochholzer, NÖ Jagdverband-Geschäftsführer Leopold Obermair, Bezirksjägermeister-Stellvertreter Lukas Firmberger - © Peter Ujfalusi
v.l.n.r.: Robin Sandfort (Capreolus), Rosemarie Wurm (Hegeringleiterin), Claudia Bieber (FIWI), Rudi Hoffmann (Niederwild-Versuchsrevier Deutsch-Haslau), Landesjägermeister-Stellvertreter Franz Hochholzer, NÖ Jagdverband-Geschäftsführer Leopold Obermair, Bezirksjägermeister-Stellvertreter Lukas Firmberger © Peter Ujfalusi

Nach dem Expertenkongress im April 2024 tourt der NÖ Jagdverband nun durch Niederösterreichs Viertel, um mit Expertinnen und Experten die Ansprüche von Wildtieren, Maßnahmen für attraktive und klimafitte Lebensräume sowie notwendige Rahmenbedingungen für deren Umsetzung zu diskutieren. Beim ersten Runden Tisch „Wild“ im Francisco Josephinum in Wieselburg erörterten Expertinnen und Experten aus Forschung und Jagd unter der Moderation von NÖ Jagdverband-Geschäftsführer Leopold Obermair Veränderungen in den Habitaten und die Folgen für das Wild. Dabei wurde auch der Einfluss der Jagd auf Lebensräume und Wildbestände kritisch beleuchtet. Landesjägermeister-Stellvertreter Franz Hochholzer, Claudia Bieber (FIWI), Bezirksjägermeister-Stellvertreter Lukas Firmberger, Rudi Hoffmann (Niederwild-Versuchsrevier Deutsch-Haslau), Robin Sandfort (Capreolus) und Rosemarie Wurm (Hegeringleiterin) sind sich einig: Es braucht einen steten Dialog aller Stakeholder und ein Miteinander mit den Grundeigentümern, aber auch Forschungsprojekte zum veränderten Wildverhalten im Klimawandel und politische Initiativen, die die Lebensraumverbesserung fördern. Dabei gilt der Grundsatz: Großräumig denken, kleinräumig umsetzen.

Es braucht „Mut zu wild“ – in Wald, Acker und Wiese sowie in Privatgärten und dem urbanen Raum. So kann man den ersten von drei Runden Tischen des NÖ Jagdverbands zusammenfassen. Denn es braucht vielfältige, strukturreiche und kleinteilige Lebensräume, in denen einzelne Teile besonders wildfreundlich bewirtschaftet werden und „wild“ bleiben. Nur mit dieser natürlich entstehenden Varianz können sich die Pflanzen an die Folgen des Klimawandels anpassen, während Wild gleichzeitig ganzjährig ruhige Einstände vorfindet. In Städten, Orten und Privatgärten sollen – wo es möglich ist – grüne Flächen geschaffen und Pflanzen gesetzt werden, zudem sollten auch diese möglichst wild belassen werden. Die Lebensraumfunktion von Wäldern, Äckern und Wiesen für Wildtiere soll anerkannt und konsequenterweise in den entsprechenden Gesetzen von Land- und Forstwirtschaft stärker verankert werden.

„Das verlangt einen gemeinsamen und steten Dialog aller Anspruchsgruppen – von der Jagd über die Land- und Forstwirtschaft bis hin zum Tourismus. Der Jagd kommt dabei eine wichtige Aufgabe zu: Die Jägerinnen und Jäger versetzen sich in verschiedene Wildarten hinein, artikulieren ihre Ansprüche und sind damit Anwalt des Wildes getreu dem Motto ‚Dem Wild verpflichtet‘“, so der stellvertretende Landesjägermeister Franz Hochholzer beim Runden Tisch. „Nur wenn es dem Wild in den Lebensräumen gutgeht, geht es auch uns Menschen gut.“

Schalen- und Niederwild verändern Verhaltensweisen

Das Wild kommt durch den Klimawandel, Veränderungen in den Lebensräumen und die Freizeitnutzung zunehmend in Bedrängnis, wie die Beispiele Gams und Rebhuhn zeigen:

Das Gams weicht aufgrund der Hitze, fehlender Äsung und des Drucks durch den Menschen in niedrigere Lagen unterhalb der Waldgrenze aus, wo es Futter und Einstände vorfindet. Hier tritt es in Lebensraumkonkurrenz mit anderen Arten und wird im Wald zur Herausforderung. Grundeigentümer, Forstwirtschaft und Jagd sind daher gefordert, die Tragfähigkeit der Lebensräume zu bewerten, Wild als Standortfaktor mit gewissen Einflüssen auf den Lebensraum zu akzeptieren und lenkend einzugreifen.

Das Rebhuhn wiederum ist ein Verlierer der veränderten Kulturlandschaft und intensivierten Landwirtschaft. Es braucht kleinteilige, strukturierte Lebensräume mit ausreichend Insekten als tierische Nahrung für Jungtiere. Auf Störungen in der Balz etwa durch Artgenossen oder freilaufende Hunde reagiert es äußerst sensibel. Wie alle Niederwildarten kann das Rebhuhn in der Erntezeit einen Ernteschock erleiden, wenn plötzlich Äsung und Deckung fehlen. Ein dezimierender Faktor ist ein hoher Druck durch Beutegreifer.

Die Expertinnen und Experten fordern daher eine stärkere Verflechtung der Ansprüche der Lebensraumnutzer, um Maßnahmen für mehr Biodiversität umzusetzen.

Zu den Maßnahmen, die die Expertinnen und Experten beim Runden Tisch erörtert haben, zählen:

Lebensraum

  • Lebensraum und Wild als Einheit anerkennen und in Gesetzen verankern
  • Alle Nutzergruppen in Lebensraumentwicklung einbeziehen und Maßnahmen gemeinsam umsetzen
  • Für genetischen Austausch Lebensräume miteinander verbinden, Fernwildwechsel und Korridore unter Schutz stellen sowie genetischen Austausch durch ziehendes Wild ermöglichen
  • Zusammenarbeit von Jägerinnen und Jägern mit Unternehmen bei Ausgleichsflächen
  • Privatgärten, Städte und Orte müssen an Lebensraumentwicklung mitwirken, etwa mit wilden Gärten oder bepflanzten Balkonen

Jagd, Land- und Forstwirtschaft

  • ÖPUL wildgerecht optimieren und kleinteilige, mehrstufige und strukturreiche Lebensräume mit ausreichend Äsung und Einständen schaffen
  • Akzeptanz für geringfügige Schäden als natürlichen Wildeinfluss schaffen
  • Optimierung der Abschussplanung hinsichtlich Alters- und Sozialstruktur
  • Regulierend und lenkend in Populationen eingreifen, um Lebensraum als Grundlage zu erhalten

Raumplanung und Tourismus

  • Definition von Ruhezonen und Bereichen, die für Freizeitnutzer tabu sind; bevorzugt werden Lenkung und ein Wegegebot
  • Bei Flächenentwicklungskonzepten Wildbedürfnisse berücksichtigen
  • Routen für Winter- und Sommersport ausweisen und schaffen
  • Schulterschluss für Aufklärung der Freizeitnutzer: Es sollen diverse Plattformen genutzt werden, um über Ansprüche des Wildes, Einstände, Routen und Sperrgebiete zu informieren (z.B. Bergfex, Alpenverein, Jagd, Tourismusbroschüren)