Reportage

Tierpräparator: Chirurg, Friseur, Visagist & Künstler

29. August 2023 -
Tierpräparator: Chirurg, Friseur, Visagist & Künstler - © Martin Grasberger
© Martin Grasberger

In ein Jägerheim gehören sie wie die Sterne zum Himmel – Tierpräparate. Da sie nicht nur das Jagderlebnis in Erinnerung rufen, sondern auch über einen hohen individuellen Wert verfügen, haben wir den bekannten Präparator Helmut Raith in seinem Atelier in Wien besucht und dem Meister über die Schulter geschaut.

Beim Betreten des Geschäfts von Helmut Raith, einem der wenigen Tierpräparatoren Österreichs und dem einzigen Wiens, wähnt man sich in einer anderen Welt. Man wird förmlich umhüllt von Bälgen, Präparaten und Trophäen und kommt aufgrund des etwas beengten Platzangebots kaum auf die Idee, dass hinter dem zum Bersten vollen Verkaufs­­lokal eine Werkstätte angeschlossen ist, in der Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Trophäen auf ihre Bearbeitung warten.

Tierpräparator: Chirurg, Friseur, Visagist & Künstler - © Martin Grasberger

© Martin Grasberger

Seit vierzig Jahren fange ich um 6 Uhr in der Früh an und höre erst um 20 Uhr auf. Das allein zeigt, wofür mein Herz brennt. – Helmut Raith, Tierpräparatormeister

Zu neuem Leben erweckt

Der 71-jährige Präparator, ein Meister seines Fachs und weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt, beschäftigt in seinem knapp 900 m² großen Betrieb acht Mitarbeiter. Helmut hat sein Handwerk im Jahr 1976 begonnen und ist seit vierzig Jahren, also seit 1983, in der Diehlgasse im 5. Wiener Gemeindebezirk angesiedelt. Er hat übrigens vor zwei Jahren mit den spektakulären Dioramen der Weltjagdausstellung in Budapest (siehe WEIDWERK 11/2021, Seite 12) für Furore gesorgt. Schon im Alter von 12 Jahren kam Helmut Raith, der aus Haugsdorf im Weinviertel stammt, erstmals in Kontakt mit der Tierpräparation – die Faszination, erlegte oder verendete Tiere wieder zu neuem Leben zu erwecken, hat ihn niemals mehr losgelassen.
Helmut Raith präpariert aber nicht nur, er bietet seinen Kunden ein ­„All-inclusive-Paket“ mit unzähligen Tipps vor und nach der Jagd sowie ­Unterstützung bei der Trophäeneinfuhr. Apropos: Normalerweise stellt sich der Vorgang eines Trophäenimports wie folgt dar: Die Spedition übernimmt am Flug­hafen die in Kisten verpackten, vor­präparierten (eingesalzenen und getrockneten) Trophäen und reicht diese beim Tierarzt ein; zu allererst muss also der dafür zuständige Tierarzt die Beschau vornehmen, ehe die ­Trophäen zum Zoll gelangen. Danach werden sie verzollt und schließlich vom beauftragten Präparator abgeholt. Helmut Raith ist einer dieser ­Präparatoren, die die Trophäen direkt vom Flughafen abholen und einen guten Draht zu Zoll, Veterinären und Spediteuren pflegen.
In der kleinen Küche hinter dem Verkaufsraum fühlen wir dem Meister auf den Zahn: „Das größte Präparat, das ich je gemacht habe, war das ­Voll­präparat eines Elefanten“, erinnert er sich, „für das ich im Hof ein Zelt aufstellen musste, da ich es in meinen Räumlichkeiten erstens nicht unter- und zweitens nicht mehr hinaus­gebracht hätte.“ Dieses Präparat habe den Auftraggeber damals etwa € 35.000,– gekostet, die Präparationsdauer habe sich über ein halbes Jahr erstreckt, ­erklärt er.
Zu seinen Kunden, etwa tausend an der Zahl, zählen Jäger aus allen Gesellschaftsschichten. Einer davon ist der Präsident des Fußballclubs Real Madrid (Florentino Pérez), den er in Spanien auch schon besucht hat. Am häufigsten ­gelangen Antilopen, aber auch Hirschhäupter in Helmuts Werkstatt. Auf die Frage, was der Jäger am liebsten präparieren lasse, meint Helmut: „Während der Muffelwidder früher en vogue war, sieht man heute immer mehr Rehböcke.“ – ­„Katzen“, lautet die knappe Antwort des Präparators auf die Frage, was er am liebsten präpariere. Und dabei meint er klarerweise keine Stubentiger, sondern Löwen, Leoparden & Co.

Tierpräparator: Chirurg, Friseur, Visagist & Künstler - © Martin Grasberger
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Tierpräparator: Chirurg, Friseur, Visagist & Künstler - © Martin Grasberger
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Schädlingsbefall auf Trophäen: Was tun?

Jeder, der Jagdtrophäen zu Hause hat, ist auch mit der Pflege derselben konfrontiert: Wie pflegt man sie fachgerecht, und was ist zu tun, wenn sie von Schädlingen ­befallen sind? Oder wenn importierte Jagdtrophäen aufgrund eines Schädlingsbefalls vom Zoll nicht freige­geben werden?
Um diese Fragen zu beantworten, haben wir einen Wiener Schädlings­bekämpfungs-Meisterbetrieb mit mehr als 20-jähriger Erfahrung konsultiert und uns mit dem Firmen­gründer ­von „More­Service“, Michael Steiner, unterhalten. „Es geht ­klarerweise in erster Linie darum, die ­Einschleppung invasiver Arten zu unterbinden“, stellt der Geschäftsführer klar, „daher ist man beim Zoll, wenn beim Öffnen von Kisten mit Jagdtrophäen plötzlich ­Insekten zum Vorschein kommen, besonders sensibel.“ Auf die Frage, welche Trophäen von Schädlingen befallen werden können, antwortet er: „Alte Vogelpräparate, die etwa mit Holzwolle gefüllt sind, sind ein Paradies für diverse Schädlinge!“ Als ­Besitzer könne man diese selbst davon ­befreien und zum Beispiel kleinere ­Präparate in die Kühl­truhe legen (bei Temperaturen um –20 °C sterben Schädlinge nach einer gewissen Zeit ab), bei größeren ist der Gang zum Schädlingsbekämpfer empfehlenswert, der das Problem professionell löst“, weiß der Meister, der schon ganze Trophäenhallen von Schad­insekten befreit hat.
Bei unserem Besuch bei MoreService wurde ein mit Schadinsekten befallenes Keiler-Vollpräparat in ein gasdichtes Aluzelt eingeschweißt und stickstoffbehandelt (der Sauerstoffgehalt wird im Zelt auf 0,01 % reduziert, wodurch der Gasaustausch der Insekten verhindert wird und diese „ersticken“). Diese Behandlungsart ist mobil, relativ ungefährlich und wird vor allem in Museen oder auch Kirchen eingesetzt. Auch bei größeren Präparaten wäre eine Behandlung im Aluzelt möglich. „Bei einer Begasung in Containern mit Sulfuryl Difluorid, einem hochgiftigen Gas, sieht die Sache etwas anders aus: Der Container muss etwa auf allen vier Seiten abgeklebt und im Radius von 15 m abgesperrt werden. Die Präparate werden darin für 24 Stunden begast und die Schädlinge sterben ab.“ ­Einen Tipp hat der Profi: „Beim Verdacht von Schädlings­befall nicht zu lange ­warten, sondern sich unverbindlich informieren!“ Infos: moreservice.at

Wie ein Präparat entsteht

Nachdem das zu präparierende Tier (vorpräpariert) bei Helmut Raith eingelangt ist, stehen folgende Arbeitsschritte auf dem Programm:

  • Registrierung – das Präparat wird dem Kunden zugeordnet
  • Einweichen – die Decke (Haut) ist getrocknet und in der Regel pickelhart
  • Entfleischen der Hautinnenseite
  • Haut gerben, zurichten
  • Modell vorbereiten (vorgefertigte Formen werden vermessen, je nach Kundenwunsch umgearbeitet, an die Haut angepasst und modelliert)
  • Anprobe, Haut aufbringen, ver­kleben und vernähen
  • Trocknen
  • Kosmetik, Ausfertigung

Die Dauer von der Anlieferung bis zur Endfertigung ist abhängig von der Tierart, den Kundenwünschen und der Auslastung und kann bis zu einem Jahr dauern. „Generell sind wir bemüht, die Präparate so rasch wie möglich zu ­fertigen, doch dürfen wir unsere Qualitäts­ansprüche, bei aller Eile, niemals aus den Augen verlieren“, betont Helmut. Nicht umsonst hat er sich über Jahrzehnte einen Ruf als wahrer Meister der Branche erarbeitet. Klar, dass er diesen nicht aufs Spiel setzt. Summa summarum kann es aber weit länger dauern, bis man sein erlegtes Jagdwild zu Hause präsentieren kann: „Dass eine Trophäe aus Afrika nach dem Schuss ein Jahr ­unterwegs ist, ist nicht selten“, gibt er zu bedenken. Und: „Wenn die Vor­präparation mangelhaft ist, kann meine Arbeit teurer werden. Aber ­leider bin ich oft das letzte Zähnchen im Rad, und bei mir muss auf einmal gespart werden!“
Das Leben eines Präparators ist aber nicht immer ungetrübt: „Vor zwei ­Jahren habe ich überfallsartig 18 Zollfahnder bei mir gehabt, die acht Stunden lang alles umgedreht haben – bis zur Wohnung, bis zum Nachtkastl“, erzählt Helmut, der angezeigt wurde, geschützte Tiere ohne Papiere zu ­präparieren. Einige Raubkatzen hätten sie mitgenommen, aber alle wieder ­zurückgeben müssen. „Ich wurde ein Jahr lang beobachtet, testweise wurden Scheinkäufe getätigt und vieles mehr“, kann es der Präparator nicht fassen.

Tierpräparator: Chirurg, Friseur, Visagist & Künstler - © Martin Grasberger
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Service wird großgeschrieben

Wenn ein Jäger vorhat, mehrere ­Trophäenträger zu erlegen und diese bei Helmut Raith präparieren zu lassen, erhält er von ihm eingeschweißte ­Anhänger (mit seinem Namen und der Adresse des Präparators darauf) in entsprechender Zahl, welche gleich nach dem Erlegen mit Kabelbindern an der Trophäe befestigt werden können. – „Das zählt schon zur ersten wichtigen Vorbereitung“, rät Helmut. Auch solle man sich schon im Vorfeld Gedanken darüber machen, was man wie präpariert haben wolle, ergänzt er. Der ­Präparator solle nicht erst dann ­konsultiert werden, wenn die Trophäe zur Präparation übergeben wird, sondern bereits im Vorfeld. Helmut spart dabei nicht mit wertvollen Tipps, die viel Ärger und Geld sparen können.
Interessant ist die Möglichkeit eines „Abgusses“; dabei handelt es sich um ein Duplikat, das der originalen, montierten Trophäe täuschend ähnlich sieht. In seinem Geschäft hängt etwa der Abguss eines Büffels, der für den Laien nicht als Duplikat erkennbar ist (siehe Bild oben).

Stellen Sie sich vor, ...

... Sie erfüllen sich den Traum einer Jagdreise nach Afrika: Sie haben eine Woche in Namibia gejagt und einen Springbock, zwei Oryx-Antilopen, ein Warzenschwein und ein Streifengnu erlegt. Neben einzigartigen Jagderlebnissen und dem Genuss erstklassigen Wildbrets hat diese Reise aber auch etwas sichtbar Beständiges gebracht: Die Trophäen, welche vor Ort vorpräpariert, verpackt und versandt werden.
Die Monate vergehen, plötzlich ein Anruf eines Zöllners: „Der Grenz­tierarzt hat in Ihrer Sendung lebende Tiere entdeckt, Ihre afrikanischen ­Trophäen sind offensichtlich von Schädlingen befallen. Sie können die Trophäen vernichten oder zurück­schicken lassen.“ Die Möglichkeit, die Sendung zu einem befugten Präparator – dieser muss befähigt sein und über eine Verterinärnummer verfügen – senden und desinfizieren zu lassen, wird dabei überhaupt nicht ins Treffen geführt. Hat man aber einen Vollprofi wie Helmut Raith mit der Übernahme betraut, kann man sich beruhigt zurücklehnen, denn: Er kann das Problem aufgrund seiner großen Erfahrung und seines umfangreichen Wissens in der Regel ohne Weiteres lösen.

Kontakt:
Präparator Helmut Raith
Diehlgasse 36
1050 Wien
Tel. 01/544 29 16
E-Mail: office@praeparator-raith.at
Internet: www.praeparator-raith.com