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Angebirscht: Elchwild

28. April 2022 -
Angebirscht: Elchwild - © Sven-Erik Arndt
© Sven-Erik Arndt

Für Jäger und Naturinteressierte bietet jeder Monat des Jahres seine Highlights. Während manche Naturschauspiele, wie Brunft oder Balz, meist recht spektakulär ablaufen, gibt es auch zahlreiche Details, die uns auf den ersten Blick verborgen bleiben. Zeit, diese vor den Vorhang zu holen. – Elchwild.

Er ist bei uns in Österreich momentan noch kein großes Thema. Ein Schatten, der gelegentlich durch weniger dicht besiedelte Regionen im Norden der Republik streift, um dann wieder zu verschwinden. Doch er ist immer häufiger zu Gast.

Koloss der Superlative

Der Elch ist die größte Hirschart der Erde und zirkumpolar verbreitet. Daher lassen sich, je nach Auffassung, zwei Arten (Amerikanischer sowie Euro­päischer Elch) und acht Unter­arten differen­zieren. Während die Elchhirsche in ­Europa schon bis zu 500 kg auf die Waage bringen, sind die Exemplare in Kamtschatka sogar bis zu 800 kg schwer. Beide werden allerdings von der in Nordamerika heimischen Unterart, dem Alaska-Elch, in den Schatten gestellt, der bis zu 1.000 kg wiegen kann. Das Geweih dieser Tiere kann bis zu 2 m Auslage haben und in Einzelfällen bis zu 35 kg schwer werden – ­allein das ­Geweih, wohlgemerkt! Auch wenn der Europäische Elch diese Maße nicht ­erreicht, ist er doch ein Säugetier mit beachtlichen Ausmaßen. So überragen uns ausgewachsene Tiere mit einer Schulterhöhe von über 2 m locker.
Erdgeschichtlich gesehen ist der Elch mit seinen Wurzeln vor etwa 60.000 Jahren eine noch relativ junge Art. Die heutigen Schaufeln haben sich vermutlich erst nach der letzten Eiszeit ausgebildet. Der gemeinsame Urahn ist der Breitstirnelch, der etwa doppelt so groß gewesen sein soll wie die größten noch lebenden Exemplare in Alaska.
Soweit die Wissenschaft weiß, haben die Elche ihren Ursprung in Zentralasien und haben sich, von dort aus­gehend, in der nördlichen Hemisphäre verbreitet. Einst sollen sie sogar bis in die Alpen vorgekommen sein.

Stange oder Schaufel

Das Elchkalb bleibt bis zur Setzzeit des neuen Nachwuchses im Frühjahr bei der Elchkuh. Etwa ab April wird es dann von seiner Mutter vertrieben. Die Weibchen ziehen sich zum Setzen des etwa 15 kg schweren Kalbes zurück. In der Regel wird ein Kalb gesetzt, selten sind es zwei.
Während die Elchkühe in den ­Monaten nach dem Setzen ihre Energie in die Versorgung des Nachwuchses stecken, beginnt etwa mit der Setzzeit auch das Geweihwachstum der Elch­hirsche. Dieses ist abhängig von der Tageslichtlänge und zieht sich über den Sommer. Der Zeitraum, in dem das Geweih geschoben wird, entspricht etwa dem des Rothirsches. Da der Elch aber mitunter mehr Knochenmasse schiebt, muss sich das auch im Wachstum nieder­schlagen: Mit bis zu 2,5 cm am Tag hat der Elch das schnellste bekannte Knochenwachstum im Tierreich. Ob ein Stangen- oder ein Schaufelgeweih oder eine Mischung beider Formen geschoben wird, ist dabei von Elch zu Elch verschieden.
Ab August beginnen die ersten Elch­hirsche zu verfegen, um recht­zeitig zur Brunft, die im September beginnt, gerüstet zu sein. Auch beim Elch ist eine Altersansprache allein über den Kopfschmuck nicht möglich.
Die Geweihe währen nicht lange. Schon kurz nach der Brunft werden die ersten wieder abgeworfen. Dabei gilt auch bei den Elchen: ältere werfen zuerst ab, jüngere folgen später. Spätestens bis März sind die Häupter der Hirsche aber wieder schmucklos.

Kältespezialist

Elche bevorzugen ruhige Wälder mit Sümpfen und Mooren, Gewässern und Lichtungen, die sie in Europa über­wiegend von Skandinavien über das Baltikum bis nach Polen und Tschechien vorfinden. Archäologische Funde be­legen, dass Elchwild bis ins Mittelalter Standwild in Mitteleuropa und dort sogar flächendeckend verbreitet war. Es dürfte jedoch relativ schnell durch den Menschen ausgerottet worden sein. Einerseits war diese Wildart leicht zu bejagen, und andererseits hat sie eine relativ geringe Reproduktionsrate, die eine Erholung der Bestände von Überjagung schwierig macht.
Aktuelle Nachweise in Österreich beschränken sich bislang meist auf das Mühl- und das Waldviertel. Die Tiere kommen aus Tschechien, unter anderem über den Böhmerwald. Elche werden einerseits als scheu beschrieben, andererseits sind sie sehr anpassungsfähig und können sich auch an die Anwesenheit des Menschen gewöhnen. Da es Hinweise darauf gibt, dass Elche bis vor 2.500 Jahren bis nach Frankreich, Ungarn und Österreich verbreitet waren, ist die Frage, ob es sich beim Elch um einen Neubürger oder eine wieder­kehrende Wildart handelt, reine Auslegungssache.
Elche sind äußerst gut an Kälte ­angepasst. Sie brauchen kühle Sommer und überstehen auch harte Winter bis –50 °C gut. Ähnlich wie beim Murmeltier sind eher zu hohe Temperaturen das Problem. Angeblich liegt die „Komfort­zone“ zwischen –20 °C und +10 °C, schon über +15 °C führen hingegen zu Hitzestress.

Kultig

Es gibt Hinweise darauf, dass in Nordschweden bereits in der Stein- und der Bronzezeit eine Art „Elchkult“ verbreitet war. Weniger einer spirituellen oder religiösen Überzeugung als vielmehr den Tieren als Ressourcenlieferanten (unter anderem Fleisch und Leder) geschuldet, ist der Elch in den nordischen Ländern auch heute noch ein wichtiges Wildtier. So ist er das Nationaltier Schwedens und findet sich zudem auf zahlreichen slawischen und nordischen Wappen wieder. Auch auf Banknoten und Münzen, etwa in Belarus, Norwegen, Schweden, Kanada oder Alaska, wurde dem Elch ein Denkmal gesetzt.

Signalfunktion

Neben den Schaufeln, welche die Elchhirsche ausbilden können, verfügt der Elch noch über eine Reihe weiterer physiologischer Besonderheiten. Als Wildtier, das sich an wasser- und sumpfreiche Lebensräume angepasst hat, selektiert der Elch energiereiche Nahrung, wie etwa Wasserpflanzen, Birken, Pappeln, Weiden oder junge Triebe. Die darin enthaltene Energie braucht er, um die kalten Winter gut zu überstehen.
Um an diese Pflanzen zu kommen, muss er sich jedoch durch teils weniger gut begehbare Landstriche bewegen. Hilfreich sind dabei die langen Läufe, mit denen der Elch auch wasser- oder schneereiche Böden durchwaten kann. Außerdem kann der Elch die Zehen stark spreizen. Dazwischen befindet sich eine Art Schwimmhaut, welche den schweren Koloss einerseits weniger stark in den Boden einsinken lässt und es ihm andererseits auch erlaubt, große Wasser­flächen einigermaßen gut zu durchqueren. Der Elch ist ein aus­gezeichneter Schwimmer und kann mehrere Kilometer weit schwimmen. Außerdem kann er seine Nasenlöcher verschließen und zum Äsen der natrium­reichen Wasserpflanzen bis zu 6 m tief tauchen. Wussten Sie das?
Die Lichter sind hingegen verhältnismäßig klein, dafür aber gut an die Dämmerung angepasst. Den Spiegel, den viele andere heimische Schalenwildarten zur optischen Kommunikation nutzen, sucht man beim Elch vergeblich. Stattdessen sind die Hinter­läufe der Elche meist hell, um die Signalfunktion des fehlenden Spiegels zu ­ersetzen. So können sich Kälber auch noch im Halbdunkel an den Hinter­läufen ihrer Mutter orientieren.

Höhepunkte im Überblick

  • Jänner–März: Kalb bleibt bei Kuh; Geweihabwurf bei den Elchhirschen (ältere zuerst, jüngere später).
  • April/Mai: Kuh vertreibt ­Vor­jahresnachwuchs; Setzzeit; Säugezeit; Jungenaufzucht; ­Geweihwachstum; Haarwechsel (Sommer).
  • Juni: Ende der Setzzeit; Säugezeit; Jungenaufzucht; Geweihwachstum; Haarwechsel (Sommer).
  • Juli: Säugezeit; Jungenaufzucht; Geweihwachstum; teils Beginn der Fegezeit; Haarwechsel (Sommer).
  • August: Säugezeit; Jungen­aufzucht; Ende des Geweihwachstums; Fegezeit.
  • September: Säugezeit; Jungenaufzucht; Ende des Geweih­wachstums; Ende der Fegezeit; Haarwechsel (Winter); ­Brunftbeginn.
  • Oktober: Säugezeit; Jungenaufzucht; Haarwechsel (Winter); Brunft.
  • November/Dezember: Kalb bleibt bei Kuh; Geweih­abwurf (ältere ­Elchhirsche ­zuerst, jüngere später).
Der Alaska-Elch, eine Unterart, kann bis zu 1.000 kg wiegen.  - © Jürgen Gauß
© Jürgen Gauß
Elchkuh mit Nachwuchs. - © Stefan Meyers
© Stefan Meyers
Elch mit Stangengeweih. - © Stefan Meyers
© Stefan Meyers
Elch mit Schaufelgeweih. - © Stefan Meyers
© Stefan Meyers
Mit ihren langen Läufen können Elche das Wasser durchwaten. - © Ingo Gerlach
© Ingo Gerlach
Die hellen Hinterläufe (der Mutter) dienen den Kälbern im Halbdunkel als Orientierung. - © Michael Migos
© Michael Migos