Angebirscht: Waldschnepfe - © Jürgen Schiersmann
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Serie

Für Jäger und Naturinteressierte bietet jeder Monat des Jahres seine Highlights. Während manche Naturschauspiele, wie Brunft oder Balz, meist recht spektakulär ablaufen, gibt es auch zahlreiche Details, die uns auf den ersten Blick verborgen ­bleiben. Zeit, diese vor den Vorhang zu holen. – Waldschnepfe.

Sie ziehen wieder! In diesen Tagen kann man zur Dämmerung wieder streichende Waldschnepfen hören und beobachten: Der Schnepfenstrich der flinken, etwa taubengroßen Vögel hat begonnen und findet gegen Ende des Monats seinen Höhepunkt.

Zug- oder Lagerschnepfe?

Die Waldschnepfe ist ausgesprochen unscheinbar. Das Gefieder enthält ­nahezu die gesamte Palette aller Braun­töne. Dadurch kann sie sich in ihrem Lebensraum perfekt tarnen. Sie hat einen 7 cm langen Schnabel (Stecher), der sich bestens zum Stechen nach Würmern im Erdreich eignet. Um als typisches Beutetier dabei nicht von Fressfeinden überrascht zu werden, hat sie eine Anpassung, die wir von den Hasenartigen kennen: Die Augen liegen seitlich am Kopf, wodurch die Waldschnepfe einen 360°-Rundumblick erhält. Ihrem Blick entgeht (fast) nichts! Die beiden großen, schwarzen Augen sind dabei ein Hinweis auf ihre Nacht­aktivität.

Wenn man sich mit den nahe verwandten Arten der Waldschnepfe befasst, erkennt man, dass es bei uns eine Reihe sehr ähnlicher Schnepfenvögel gibt, deren Unterscheidung vor allem in der Dämmerung – in der aktiven Zeit der Waldschnepfe – teilweise alles andere als einfach sein kann. Zu nennen wären hier insbesondere die Bekassine, die Zwergschnepfe und die Doppelschnepfe. Alles Vögel, die zeitweise, vor allem zur Zugzeit der Waldschnepfe, auch in ­Österreich auftreten können.

Nicht zu verwechseln sind allerdings die „Zug-“ und die „Lagerschnepfe“, da diese nur bezeichnen, ob eine Waldschnepfe in ihrem Brutgebiet über­wintert oder in ihre Überwinterungs­quartiere in den Mittelmeerraum zieht.

Angebirscht: Waldschnepfe - © Jürgen Schiersmann

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Krötenähnlich

Gehen wir nun in medias res und sehen uns den Jahreslauf dieses phantom­artigen Meisters der Tarnung an.

Während ein Teil der Wald­schnepfen in unseren Breiten über­wintert, beginnt das neue Jahr mit der Rückkehr der Zugschnepfen aus dem Süden. Dies ist bei uns bei guten Wetterbedingungen bereits ab März möglich. In der Regel balzen die ­Lagerschnepfen als Erste, dann die adulten Zugschnepfenhahnen, gefolgt von den jüngeren Hahnen und schließlich den Zugschnepfenhennen.

Der Frühjahrszug wird als Schnepfenstrich bezeichnet, da die Hahnen in ihren Brutgebieten damit beginnen, bestimmte Rand­linien („Balzstraßen“) abzufliegen und gegen Mitstreiter zu verteidigen. Dabei lassen sie zwei ­Geräusche hören, die als „Quorren“ und „Puitzen“ bezeichnet werden. ­Ersterer ist ein nasaler Laut, ähnlich dem schnellen Quaken einer Kröte, den nur die Hahnen von sich geben. Letzterer ist ein hoher Fieplaut, der von beiden Geschlechtern stammen kann.

Die Balzflüge der Hahnen beschränken sich jedoch nicht nur auf die Frühjahrsmonate, sondern können – in verminderter Intensität – bis in den Juni hinein vernommen werden.

Fortpflanzungsbereite Hennen machen die Hahnen durch Fiepen auf sich aufmerksam, dann folgt die eigentliche Balz am Boden und schließlich die ­Paarung. Bei Waldschnepfen handelt es sich um einen kurzen, rein arterhaltenden Vorgang ohne weitere Bindung der Paare. Die Hahnen streichen nach der Paarung nämlich wieder ab und machen sich auf die Suche nach weiteren ­Hennen. Die Hennen kümmern sich allein um den Nachwuchs.

Fluchthilfe

Die Entwicklung der Jungen geht sehr rasch vonstatten. Nach drei Wochen der Brut schlüpfen die Küken. Sie werden von der Henne etwa 4–5 Wochen geführt und beschützt. Dabei kommt es zu einer Besonderheit in der heimischen Vogelwelt: Bei Gefahr klemmt sich die Henne ihre Küken zwischen Füße und Bauch und fliegt mit ihnen bis zu 100 m davon! Doch auch dieser Trick scheint ihr nicht zu helfen, die Jungensterblichkeit von 70 % im ersten Jahr zu kompensieren. Es wird daher angenommen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Hennen im Juni zu einer zweiten Brut schreitet – ein Grund, weshalb auch die Hahnen so lange weiterstreichen. Der weitere Sommer steht dann ganz im Zeichen der Jungenaufzucht.

Ab September beginnen sich die Waldschnepfen, für den Zug in die ­Winterquartiere zu rüsten. Dabei ist die Entscheidung über Ziehen oder nicht Ziehen auch etwa vom Frost abhängig. Grundsätzlich ist bei den Schnepfen alles möglich: von Zugvogel über Teil- und Kurzstreckenzieher bis hin zum Standvogel. Der Herbstzug erreicht in unseren Breiten Ende Oktober, Anfang November seinen Höhepunkt und klingt mit Jahresende wieder ab.

„Eulenkopf“

Die heimische Waldschnepfe kommt in einem breiten Band von Westeuropa bis nach Japan vor und hat viele Spitznamen. „Blaufuß“, „Eulenkopf“ oder „Vogel mit dem langen Gesicht“ sind nur einige davon. In Österreich wird sie meist einfach nur „Schnepf“ genannt. Sie ist eine von vielen Schnepfenarten, aber bei uns die einzig noch jagdbare. Getreu ihrem Namen ist sie eine ­typische Waldbewohnerin und besiedelt dabei größere, zusammenhängende Wald­lebensräume mit feuchten Böden und einer dichten Kraut- und Strauchschicht. Damit ist sie die einzige ­heimische Watvogelart mit Schwerpunktlebensraum im Wald und wird sogar als Indikatorart für struktur­reiche, lückige Wälder mit feuchten Böden bezeichnet. Waldschnepfen sind jedoch keineswegs nur im Flachland zu beobachten. Sie kommen in den Alpen bis zur Waldgrenze vor, und im süd­lichen ­Himalaya sind Waldschnepfen sogar schon bis in 4.000 m Höhe ­nachgewiesen worden.

Feine Pinzette

Natürlich ist auch ein gutes Nahrungsangebot wichtig. Da dieses bei der Waldschnepfe zu 80 % aus Würmern besteht, sollte der Waldboden ent­sprechend reichlich davon enthalten. Die Schnabelspitze ist mit einem feinen Tastsinn ausgestattet und kann Beutetiere im Erdreich aufspüren. Außerdem ist sie elastisch, damit die Waldschnepfe auch bei geschlossenem Schnabel die Spitze des Oberschnabels leicht öffnen und Nahrung aufnehmen kann. Dieser sogenannte „Sondierschnabel“ funktioniert wie eine feinfühlige Pinzette. Bei Frost können die Vögel jedoch kurz­zeitig auch auf pflanz­liche Kost umsteigen.

Analyse der Balzstrophen

Waldschnepfen scheinen generell eine recht hohe Brutorttreue aufzuweisen. Ähnlich wie Lachse kommen sie jedes Jahr wieder an den Ort ihres Schlupfes zurück. Der Nachweis ist durch die ­Aktivität in der Dämmerung bzw. nachts sowie ihre ausgezeichnete Tarnung auf dem Waldboden allerdings äußerst schwierig. Daher ist auch das Wissen über die genaue Verbreitung und die Besätze bisher noch dürftig.

Die Analyse der Balzrufe der Hahnen in einem Untersuchungsgebiet in der Schweiz hat inzwischen mit Sona­grammen sichtbar gemacht, dass jedes Waldschnepfenmännchen charakteristische, zuordenbare Strophen produziert. Dies könnte die Untersuchung der Schnepfenbesätze über die Zählung balzender Hahnen künftig erleichtern.

Angebirscht: Waldschnepfe - © Jürgen Schiersmann

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Waldschnepfe: Höhepunkte im Überblick

  • Jänner: Überwintern in Winterquartieren.
  • Februar: Frühjahrszug.
  • März: Frühjahrszug; erste streichende Schnepfen zu ­Monatsbeginn (meist Lagerschnepfen); Balzflug der Hahnen; Beginn der Eiablage; Brutzeit; Ende des ­Monats: Höhepunkt des Schnepfenstrichs.
  • April: Frühjahrszug; Anfang des ­Monats: Höhepunkt des Schnepfenstrichs; Balzflug der Hahnen; Eiablage; Brutzeit.
  • Mai: Balzflug der Hahnen; Eiablage; Brutzeit; Schlupf der Küken; Jungenaufzucht.
  • Juni: Auflösen der Gesperre (nach 4–5 Wochen); Balzflug der Hahnen; teils zweite Jahresbrut; Eiablage; Brutzeit; Mauser.
  • Juli: teils zweite Jahresbrut; ­Eiablage; Brutzeit; Schlupf der Küken; Jungenaufzucht; Mauser.
  • August: Jungenaufzucht; Auflösen der Gesperre der zweiten Brut; Mauser.
  • September: Herbstzug der Zugschnepfen in die Winter­quartiere; Mauser.
  • Oktober: gegen Ende des Monats: Höhepunkt des Herbstzuges; Überwintern in Winter­quartieren; Ende der Mauser.
  • November: bis Mitte des Monats: Höhepunkt des Herbstzuges; Überwintern in Winter­quartieren.
  • Dezember: Ende des ­Herbst­zuges; Überwintern in Winterquartieren.
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