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Rasseporträt: Großer Münsterländer

1. Juli 2019 -
Die Anlage zum Vorstehen und für die Quersuche sind beim Großen Müns­terländer angewölft.  - © Christoph Burgstaller
© Christoph Burgstaller

Die heutigen Jagdhunderassen sind das Ergebnis einer jahrzehnte- oder gar jahrhundertelangen Züchtung. In loser Folge holen wir die einzelnen Rassen vor den Vorhang und stellen sie detailliert vor. – 4. Teil: Großer Münsterländer.

Der Große Münsterländer Vor­steh­hund (meist nur „Großer Münsterländer" genannt) nimmt bei den aus Deutschland stammenden Vorsteh­hunderassen eine Sonderstellung ein. Er ist die ­einzige Rasse, bei der die Farbe Schwarz ein Muss ist. Bei allen anderen deutschen Vorstehhunden, bei denen die Farbe Schwarz erlaubt ist, gibt es nämlich auch andere Farbschläge, wie Braun oder Braunschimmel.

Geschichtliches

Die Vorfahren des Großen Münster­länders (GrMü) waren wie bei vielen ­anderen Jagdhunderassen der Gegenwart die weißbunten Vogel- und Beizhunde, die schon auf vielen historischen Gemälden der letzten Jahrhunderte zu sehen sind. Schon damals gab es die kleineren, befederten Stöberhunde vom Wachteltyp und die größeren ­sogenannten „Hühnerhunde". Der Große Münsterländer trägt weiterhin eine gehörige Portion Brackenblut in sich und zählt einige spanische und englische Vorstehhunderassen zu seinen Ahnen. Aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes wird auch von manchen vermutet, der Epagneul bleu de Picardie aus Frankreich, der schon seit dem 16. Jahrhundert bekannt ist, sei mit eingekreuzt worden.

Am engsten verwandt ist der Große Münsterländer jedoch mit dem Deutschen Langhaarigen Vorstehhund, der einer jener ­Jagdhunderassen war, bei denen man 1879 auf der Hundeaus­stellung in ­Hannover erstmalig die Rassemerkmale festgelegt hatte. Anfangs wurde auch noch die schwarz-weiße Variante beim Deutsch Langhaar im Zuchtbuch geführt. Allerdings kamen diese Hunde bei den Freunden der Rasse nicht gut an, da sie auf eine Einkreuzung von ­anderen Rassen schließen ließen. Dass Mitte des 19. Jahrhunderts eine Einkreuzung von schwarz-weißen Englischen Settern stattfand, steht heute tatsächlich außer Frage. Sie wurde vorgenommen, um die Leistung als „Feldhund" zu ver­bessern. 1908 wurde die schwarz-weiße ­Variante aus dem Standard des Deutsch Langhaar gestrichen, und die Tiere wurden von der Zucht aus­geschlossen. Daraufhin wurde 1919 der „Verein für die Reinzucht des schwarz-weißen Großen Münsterländers" in Haltern im Münsterland, Deutschland, ge­gründet. Da die Hunde zunächst vor allem im Münsterland und in Niedersachsen zu finden waren und dort ür die Nieder­wildjagd ein­gesetzt ­wurden, erhielten sie den offiziellen Namen ­„Großer Münsterländer Vorsteh­hund". Die Jäger schätzten damals or allem die „Dornenfestigkeit" und das sichere Verlorenbringen dieser Hunde. 1922 wurden die „Schwarz-Weißen" dann von der Delegierten-Kommission als eigenständige Rasse anerkannt, und es begann die planmäßige Zucht des Großen Münsterländers, basierend auf 83 Hunden. Heute ist diese Rasse in den meisten Ländern Europas und auch in Nordamerika zu finden.

Zucht

In Deutschland ist der zucht­buch­führende Verein der „Verband Großer Münsterländer e. V." (VGM), der zurzeit acht Landesgruppen in Deutschland betreut. Er feiert 2019 sein 100-­jähriges Bestehen. Ebenso gibt es Rassespezialvereine in Österreich, Dänemark, Tschechien, England, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Nord­amerika. Diese haben im Jahr 2018 den Verband Großer Münster­länder International (GMI) gegründet, der die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Zucht und ­Leistungsstandards forcieren soll. In Österreich betreut der „Verein für Große und Kleine Müns­terländer" (ÖVMÜ) diese edlen Jagdhunde. In Deutschland werden jährlich zwischen 300 und 400 Welpen dieser Rasse beim VDH registriert. Im österreichischen Verein werden durch­schnitt­lich zwischen 40 und 50 Welpen im Jahr gemeldet.

Wesen

Der Große Münsterländer besitzt eine ausgeprägte Wildschärfe. Er steht nicht nur zuverlässig vor, sondern ist auch zum Stöbern im Wald geeignet, ebenso wie für die Verlorensuche und die Schweißarbeit nach dem Schuss. Im Gegensatz zu seinen Vorfahren, die bei der Suche in einem gemäßigten Trab in Bewegung waren, ist der Große Münsterländer heute etwas flotter unter­wegs. Die Anlage zum Vorstehen und für die Quersuche sind beim Großen Müns­terländer angewölft. Wird er entsprechend geführt, leistet er eine her­vor­ragende und schnelle Arbeit auf dem Feld. Diese Eigenschaft in Ver­bindung mit seiner Ruhe hat dazu geführt, dass immer mehr Falkner diese Rasse für sich entdeckt haben und für das Jagen unter dem Greifvogel einsetzen. Der GrMü ist aber dennoch nicht der typi­sche Feldhund. Aufgrund der engen Bindung, die er zu seinem Führer eingeht, und seiner anderen angewölften Eigenschaften ­arbeitet er lieber im dichten Bewuchs unter der Flinte.

Folgender Text wurde vor ein paar Jahren im Rassestandard ergänzt, um die jagdliche Tauglichkeit und Ver­wendung des Großen Münsterländers zu unterstreichen: „Entsprechend seiner jagdlichen Zweckbestimmung als vielseitig einsetzbarer Jagdhund muss der ,Große Münster­länder‘ alle von ihm geforderten Anlagen be­sitzen und für alle ­Arbeiten im Feld, im Wald und im ­Wasser leistungsbezogen vor und nach dem Schuss brauchbar sein." Ein Schwerpunkt der jagdlichen Arbeit ist jene vor dem Schuss. Die feine Nase ist immer im Einsatz, wobei der Große Münsterländer lieber mit tiefer als mit hoher Nase sucht. So schneidet er zum Beispiel im Fach „Hasen­spur" in der Regel besser ab als im Fach „Vorstehen". Natürlich lassen sich die Hunde aufgrund der tiefen Nasen­führung und ihrem Finderwillen auch für die Nachsuche und die Schweißarbeit einsetzen. Egal, ob er im dichten Unterholz oder im Schilf stöbert – das lange, dichte Haarkleid schützt den GrMü vor Dornen oder scharfkantigem Schilf, ebenso wie vor Nässe und Kälte. Großer Wert wird bei der Zucht auch auf die Wasserarbeit gelegt. Der Große Münsterländer soll für die ­Wasserarbeit sowohl vor als auch nach dem Schuss geeignet sein. Er muss also wasserfreudig sein und einen gewissen Durchhaltewillen besitzen.

Verwendung

Inzwischen werden immer mehr Hunde dieser Rasse auch bei Bewegungsjagden im Wald eingesetzt. Daher müssen sie einen sehr guten Orien­tierungssinn und eine gewisse Wildschärfe, kombiniert mit einer guten Spurveranlagung, ­besitzen. Vor allem die helleren Farbschläge, also die Hunde mit viel Weiß, sind bei diesen Jagden besonders ­beliebt, da sie aufgrund ihres Er­scheinungs­bildes besser im Wald und im Dickicht auszumachen sind. Der Große Münsterländer hat heute seinen Schwerpunkt sicherlich bei der Wald- und Wasserarbeit. Große Münsterländer sollen spur- oder sichtlaut sein. Stumme oder ­weidlaute Hunde sind von der Zucht ausgeschlossen. Der Laut ist ebenso wie die Wildschärfe eine wesentliche Zuchtvoraussetzung.

Für die Freigabe zur Zucht in Deutschland müssen die Hunde eine Verbands-­Jugendprüfung und eine Herbst-Zucht­prüfung (alternativ Ver­bands-­­Gebrauchs­prüfung) bestehen. Hierbei müssen sie in den Fächern Spur- und Wasser­arbeit die Note „sehr gut" erreichen. Für die Freigabe zur Zucht in Österreich müssen Große Münsterländer im Österreichischen Hundezuchtbuch (ÖHZB) eingetragen sein und ­zumindest eine Anlagen­prüfung und eine Feld- und Wasserprüfung ab­solviert haben. Ebenso muss bei einer Zuchtschau der Mindestformwert „sehr gut" erzielt werden. Sollte keine Voll­gebrauchs­prüfung absolviert werden, ist eine Zuchtergänzungs­prüfung zu bestehen, bei der die ­Wesensfestigkeit sowohl bei der Standruhe als auch die Verträglichkeit bei der Paarsuche nachzuweisen sind. Für alle zur Zucht vorgesehenen Hunde gilt, dass sie ab einem Alter von 15 Monaten auf Hüftgelenks­dysplasie (HD), Ellbogengelenksdysplasie (ED) und Übergangswirbel untersucht werden müssen. Sie müssen ED-frei sein und dürfen keinen Hinweis auf Übergangs­wirbel haben. Zumindest ein Elternteil muss HD-frei sein, wobei der zweite Elternteil höchstens einen HD-Verdacht im Befund haben darf.

Da die Hunde zunächst vor allem im Münsterland und in Niedersachsen zu finden waren und dort für die Nieder­wildjagd ein­gesetzt ­wurden, erhielten sie den offiziellen Namen ­„Großer Münsterländer Vorsteh­hund".

Jagd- und Familienhund

Der Große Münsterländer ist nicht nur ein vielseitig einsetzbarer Jagd­gebrauchs­hund, sondern besitzt zudem ein ansprechendes Äußeres und ein freundliches Wesen, was ihm einen ­besonderen Liebhaberkreis beschert hat. Er ist lebhaft, ohne nervös zu sein, leichtführig und zuverlässig. Sein freundliches Wesen macht ihn außerdem zu einem angenehmen Familien­hund. Selbst Jäger, die noch keine ­Erfahrungen mit der Führung eines Jagdhundes gemacht haben ­(Erstlingsführer), sollten mit einem Großen Münsterländer gut zurechtkommen. Da bei der Zucht hauptsächlich nach der Gebrauchstüchtigkeit aus­gewählt wird, werden so gut wie alle Hunde dieser Rasse nur an Jägerinnen und Jäger abgegeben und somit jagdlich geführt. Im Gegensatz zu den meisten ­anderen Jagdhunderassen wurde der Große Münsterländer auch früher nur selten im Zwinger, sondern fast immer im Haus gehalten. Dadurch haben sich eine sehr enge Verbundenheit zu seiner Familie und eine gewisse Wachsamkeit entwickelt. Aussehen Der Große Münsterländer soll über einen kräftigen, muskulösen Körperbau verfügen, wobei ein schnittiges ­Gesamtbild mit einer trockenen Außen­linie und eine adelige Erscheinung ­entstehen. Der langgestreckte Kopf mit einem geringen Stopp und einer aus­geprägten Kinnmuskulatur soll edel wirken. Der Nasenschwamm muss schwarz sein, und die Lefzen dürfen nicht überhängen. Hinsichtlich der Augen­farbe gilt: je dunkler, desto ­besser.

Das lange und dichte Fell soll nicht ­lockig oder abstehend sein, da es sonst bei der jagdlichen Verwendung hinderlich sein könnte. Typisch ist die lange Befederung an der Rückseite der Vorder- und Hinterläufe. Aber auch an der Rute ist eine lange Befahnung erwünscht. Am Kopf ist das Haar kurz und anliegend, nur an den Behängen ist es lang bzw. mit einer guten Fransen­bildung versehen. Aufgrund dieser ­Beschaffenheit bedarf das Fell einer regelmäßigen Pflege, um nicht zu ­verfilzen.

Ein Schwerpunkt der jagdlichen Arbeit ist jene vor dem Schuss. Die feine Nase ist immer im Einsatz, wobei der Große Münsterländer lieber mit tiefer als mit hoher Nase sucht. - © Christoph Burgstaller

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