Test

Einfacher geht’s nicht

29. Juni 2022 -
Wärmebildgerät Helia TI 35 - © Norbert Steinhauser
© Norbert Steinhauser

Sicheres Ansprechen dank erhöhter Detailauflösung: Das verspricht Kahles mit seinem neuen Wärmebildgerät Helia TI 35. Doch auch die einfache Bedienung „kann sich sehen lassen“, wie ein WEIDWERK-Praxistest beweist.

Ich bin auf dem Weg zur Sauwiese, denn die Wildkamera hat angeschlagen und mir ein Foto von unserer Hutweide im Revier gesendet. Es scheint, als dürften dort Trüffel vergraben sein, denn die Sauen besuchen diese Wiese regelmäßig und pflügen sie nach Strich und Faden um. Für die Beobachtung und unauffällige Annäherung zum Ort des Geschehens habe ich das neue Wärmebildgerät Kahles Helia TI 35 um den Hals hängen. Die Abschaltautomatik lässt das Gerät auf Stand-by, und jedes Mal, wenn ich es zum Auge führe, ist es wieder betriebs­bereit. In nur zwei Sekunden schaltet sich das Display auto­matisch ein: Ein Knopf weniger, den ich drücken muss – so kann ich mich voll und ganz auf meine Birsch konzentrieren. Schon aus 300 m Entfernung kann ich mit dem Kahles Helia TI 35 vier Sauen ausnehmen und birsche vorsichtig näher. Der Wind passt, und so komme ich bis auf rund 100 m an das Schwarzwild heran. Jetzt zeigt das Kahles Helia TI 35 ganz eindeutig vier Überläufer: Die passen! Dann geht alles sehr schnell. Lautlos das Dreibein aufgebaut, das Vorsatz­gerät am Zielfernrohr eingeschaltet, und schon liegt ein Über­läufer im Feuer.

Kahles Helia TI 35

Wärmebildkameras für das Aufsuchen und Identifizieren von Wild sind effi­zient und verschaffen den Jägern insbesondere im verbuschten Bereich des Reviers große Vorteile. Sämtliche Wildtiere – von der Maus bis zum Rothirsch – „leuchten wie Glühwürmchen“ und stechen damit förmlich ins Auge.
Nun betritt auch der österreichische Optikhersteller Kahles (aus dem Swarovski-­Konzern) mit zwei Beobachtungs-Wärmebildkameras den Markt: mit dem Kahles Helia TI 25 und dem Helia TI 35. Ersteres stehe laut Kahles aufgrund des großes Sehfeldes für eine rasche Auffindung des Wildes, Zweiteres punkte wiederum durch eine erhöhte Detailauf­lösung.
Wir haben für den WEIDWERK-Test das Helia TI 35 gewählt und wollten wissen, wie gut die Bilddarstellung und die Detailauflösung tatsächlich sind. Diese Beobachtungs-Wärmebildkamera von Kahles arbeitet auf einer Sensorgröße von 384×288 px und 17 µm. Bei einer optischen Vergrößerung von 2,3-fach weist das TI 35 ein Sehfeld von 19 m auf einer Entfernung von 100 m auf. Wir konnten im Revier Schalenwild bis 500 m leicht ausmachen, wenngleich die Identifizierung, ob es sich dabei um Rehe oder anderes Wild handelt, bis etwa 300 m möglich war. Ein Fuchs wurde von mir auf rund 300 m identifiziert, wobei aber die Lunte nicht erkennbar war. Nur durch die schnürende Fortbewegung schloss ich auf einen Rotfuchs. Rotwild hatten wir auf 250 m vor der Kamera. Die Identifizierung war einfach, allerdings war kaum eine Geweihstruktur erkennbar. Dasselbe galt auch für Muffelwild. Hier identifizierten wir zwar einen Widder ebenfalls auf 250 m, aber die Schnecken waren eher zu erahnen als zu sehen. Der Bildschirm leistet eine Auflösung von 1.024×768 px (OLED-­Display) und bildet die Landschaft ­tatsächlich sehr gut ab. Bäume, Sträucher und die Geländekupierung sind sehr gut wahrzunehmen. Daher ist die ­Einschätzung des Kugelfanges in der Dunkelheit mit dem Helia TI 35 ­bestens möglich. Die Detektion (Intensität, mit der der warme Wildkörper im Bild erkennbar ist) ist sehr gut. In Sachen Detailgenauigkeit orten wir noch Luft nach oben. Das Wild ist zwar eindeutig erkennbar, aber die Detailauflösung am Objekt beginnt rasch zu rauschen – insbesondere ab 200 m.
Die Bauart des Geräts hebt sich von herkömmlichen Wärmebildgeräten wohltuend ab. Die abgerundete Vierkantform des Helia TI 35 ist ergonomisch gebaut und erlaubt ein langes, ermüdungsfreies Beobachten. Noch dazu kann das Gerät durch die viereckige Bauart nicht wegrollen, was bei vielen anderen Geräten der Fall ist.
Die Fehlsichtigkeitseinstellung ist beim Okular nur von oben und unten bedienbar, der Rest ist geschützt verbaut. Dies hat einen großen Vorteil, denn dadurch kann die Justierung beim Benützen des Geräts nicht unabsichtlich verstellt werden. Die Bedienung selbst ist durch nur zwei Bedienknöpfe denkbar einfach. Man muss lediglich den Einschaltknopf etwas länger gedrückt halten, und schon fährt das System hoch ­(binnen sieben Sekunden erscheint das Bild). Mit einem kurzen Druck auf den Einschaltknopf kann man je nach ­persönlicher Vorliebe zwischen drei Farbmodi wählen: „White Hot“, „Black Hot“ und „Red Only“. Ein kurzer Druck auf den zweiten Bedienknopf ändert den Digitalzoom in 1-, 2- und 4-fache Vergrößerung und wechselt ­anschließend wieder in die einfache ­zurück. Mit einem längeren Druck auf den vorderen Bedienknopf kann man Helligkeit, Kontrast, automatischen Shutter und die auto­matische Abschaltautomatik wählen. Einfacher geht’s nicht. Die Abschaltautomatik, die mit einem Neigungs­sensor kombiniert ist, ist der Hit des TI 35. Man braucht das Gerät nur umhängen oder am ­Objektiv abstellen, und schon ist es nach dem Einschalten auf Stand-by. ­Innerhalb von nur zwei Sekunden ist das Gerät wieder einsatzbereit. Das heißt: Einfach nur ans Auge führen, und schon kann beobachtet werden, danach wieder senkrecht positionieren (Abstellen oder Hängenlassen), und das Gerät ist wieder im Stand-by-Modus. Das macht beim Birschen tatsächlich Spaß, denn man muss nicht aufpassen, ob das Gerät zurückstrahlt, wenn man es abgenommen hat.
Der fix verbaute Akku liefert nach Herstellerangaben bis zu acht Stunden Laufzeit. In unserem Test war der Akku nach sechs Stunden mit intensiver ­Benutzung und Temperaturen um den Gefrierpunkt beinahe leer. Leider ­müssen wir bemängeln, dass der ­Shutter, der die Justierung der Kamera regelt, sich zwar nicht oft einschaltet, aber dann relativ laut ist. Leider ­können mit diesem Gerät weder Fotos noch Videos gemacht werden. Hervorheben müssen wir allerdings die gute und vor allem dichte Abdeckung der Kabel­anschlüsse, die bei vielen anderen Geräten unzureichend ist.

Wärmebildgerät Helia TI 35 - © Norbert Steinhauser

© Norbert Steinhauser

Fazit

Die Wämebildkamera Kahles Helia TI 35 liefert für den Jagdgebrauch ein gutes, brauchbares Bild mit ansprechender Bildauflösung, obwohl es schon einige Geräte mit höherer Auflösung gibt.
Bis zu den für die Jagd relevanten Schussdistanzen und darüber hinaus ist eine Identifizierung der jeweiligen Schalenwildarten einwandfrei möglich, auch wenn dafür auch etwas jagdliche ­Erfahrung notwendig ist. Für das Auffinden von Wild ist das Sehfeld von 19 m (auf 100 m) mehr als ausreichend. So stellt das Gerät einen idealen ­Begleiter für die Jagd dar. Wir kennen quasi keine Beobachtungs-Wärmebildkamera, die einfacher zu bedienen und dermaßen auf die jagdliche Praxis zugeschnitten ist. Mit dem abgerundeten, viereckigen Design, der einfachen Bedienung und der Abschaltautomatik haben sich die Techniker von Kahles wirklich etwas Neues und vor allem Praktisches einfallen lassen. All jene, die weder eine Unzahl an Einstellungen noch unnötigen Schnickschnack wollen, werden sich mit dem Kahles Helia TI 35 gut versorgt fühlen. Das Gerät wird mit einer Tasche, die auch in der Praxis gut einsetzbar ist, einem Objektivschutzdeckel und einem Ladekabel geliefert und überzeugte nicht zuletzt durch eine gediegene Verarbeitung.
Wie gewohnt liefert Kahles ein ­exzellentes Gerät und einen für die Praxis tauglichen Jagdbegleiter zu einem, wie wir meinen, ausgewogenen Preis-Leistungs-Verhältnis.