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7 Todsünden bei der Jagd

29. Juli 2022 -
7 Todsünden bei der Jagd - © Karl-Heinz Volkmar
© Karl-Heinz Volkmar

Man muss nicht katholisch sein, um zu sehen, wie Neid das Miteinander unter Menschen negativ beeinflusst. Geiz, Neid, Trägheit oder Habgier – in welcher Form begegnet uns derlei bei der Jagd?

Die Gier ist immer das Er­gebnis einer inneren Leere“, sagte einst Erich Fromm, deutsch-US-amerikanischer Psychoanalytiker, Philosoph und Sozial­psychologe.
So manch grober Fehltritt wird im übertragenen Sinn oft als Todsünde bezeichnet. Wer im Folgenden eine Liste von sieben besonders schlimmen – fachlichen oder ethischen – Fehlern bei der Jagdausübung erwartet, etwa das Erlegen eines führenden Stückes, wird enttäuscht werden. Zwar gibt es genügend solcher Untaten, aber hier soll von den sieben Todsünden, welche die katholische Kirche kennt, die Rede sein. Dabei handelt es sich nicht um spezielle Verbrechen, wie Mord, Raub oder Ehebruch, sondern vielmehr um das, was Menschen zu solchen Taten motiviert.
Die von Papst Gregor I. († 604) auf die mystische Zahl sieben festgelegte Liste der Todsünden umfasst sieben schlechte Eigenschaften oder Gefühle, die als Wurzel der Sünden zu vielen Verfehlungen führen. Dabei sind diese Laster durchaus menschlich und auch Zeitgenossen ohne kriminelle Neigungen durchaus bekannt. Sie begegnen einem im Alltag oder eben auf der Jagd, und auch jemand, der mit Religion nichts am Hut hat, sollte sich vor ihnen hüten, bringen sie doch das Schlechteste in uns an die Oberfläche.

Neid und Missgunst

Anhand eines Beispiels wird das ­abstrakt klingende Konzept der Todsünden schnell klarer, deshalb die ­offensichtlichste von allen gleich zu Beginn: der Neid. Diese negative ­Emotion ist wahrscheinlich niemandem unbekannt, und man kann nachvoll­ziehen, wie eine solche Eigenschaft zu schlechten Gedanken, Worten und Taten anregt. Gerade unter Jägern bietet sich immer wieder die Gelegenheit für Neid, denn wer am Ende des Jagdtages Beute sein Eigen nennen darf bzw. auch, wer mit leeren Händen zurückkehrt, ist nicht ausschließlich vom jagdlichen Können abhängig. Hat ein Mitjäger ­unverdientes Glück und auf seinem Stand einfach den besseren Anlauf gehabt, fällt es nicht jedem Weidgenossen leicht, diesem dafür neidlos zu gratulieren. Auch unter Reviernachbarn macht sich schnell der „Beuteneid“ bemerkbar, wenn ein Grenzbock erlegt wird, von dem beide Parteien dachten, ein Anrecht auf diesen zu haben. Sollte bei der letzten Neuverpachtung gleich das ganze Revier in fremde Hände gefallen sein, tritt die Missgunst umso stärker in ­Erscheinung. Man muss nicht ­katholisch sein, um zu sehen, wie Neid das Miteinander unter Menschen negativ beeinflusst.

Geiz und Habgier

Eine weitere Todsünde beschäftigt sich vor allem mit materiellen Werten: der Geiz. Die Jagd ist ohne Frage eine teure Leidenschaft, und viele Jäger nehmen große Summen dafür in die Hand. Wo auch immer etwas teuer ist, ist der Geiz meist nicht weit. Wer auf der Jagd sparen möchte, sollte dies nicht am ­falschen Ende auf Kosten des Wildes tun. Wer stets nur das Billigste kauft, kann von seiner Ausrüstung nicht die höchste Leistungsfähigkeit erwarten, und wer aufgrund der Munitionskosten das regelmäßige Übungsschießen unterlässt, riskiert seine Treffsicherheit. All das kann den Erfolg der Jagd gefährden und im schlimmsten Fall zu Tierleid führen.
Ein weiterer Punkt, bei dem in der Jagd größere Summen Geld fließen, ist die Begleichung von Wildschäden. Hier hat der Geiz schon oft für böses Blut zwischen Jägern und den geschädigten Land- und Forstwirten geführt – beiderseitig, wohlgemerkt. Auch wenn es darum geht, ob ein Jagdrevier genügend Ertrag liefert, kommt die Gier schadwirksam zum Tragen. Weniger Wildschäden, mehr Wildbret, das ist der simple Weg, die Kosten-Nutzen-Rechnung der Jagdpacht zu optimieren. Die Forderung nach immer mehr ­Abschüssen zu diesem Ziel kann aber den ethisch vertretbaren Rahmen schnell sprengen. Wer nicht geizt, sondern freigiebig teilt, schafft zweifellos ein besseres Verhältnis unter seinen Mitmenschen.

Völlerei und Maßlosigkeit

Was die Todsünde der Völlerei angeht, muss ein wenig abstrakter gedacht werden. Zu einer gesunden Ernährung und einem Gewicht, das einem das Besteigen eines Hochsitzes noch erlaubt, ist natürlich jedem Jäger geraten. Die Jagd selbst trägt durch die Bewegung an der frischen Luft und den Verzehr von gesundem Wildbret auch ihren Teil dazu bei.
Viel kritischer als das Essen ist hier allerdings das Trinken zu sehen. Alkohol vor und während der Jagd sind zur Sicherheit aller Beteiligten absolut tabu. Die Jägerschaft hat, was dieses Thema angeht, leider immer noch einen verbesserungswürdigen Ruf, der noch aus Zeiten stammt, als dieses Thema deutlich lockerer gesehen wurde. Wenn gefährliche Gegenstände, wie Schusswaffen oder das Auto, in ­Gebrauch sind, kann diese Form der Völlerei schnell zur Wurzel schreck­licher Unfälle werden.
Auch in ihrer neutraleren Form der Maßlosigkeit kann diese Todsünde bei der Jagd Schaden anrichten. Denn das richtige Maß zu bewahren, ist überall angeraten. Wer es mit dem ­Jagengehen übertreibt, beunruhigt das Wild und hat das Revier bald leer­gebirscht. Wer beim Schießen nicht Maß hält, hat bald ein leeres Revier zu beklagen. Auch privat sind negative Folgen zu erwarten. Wenn man es ­beispielsweise mit der Jagd übertreibt und andere Bereiche, wie Familie oder Beruf, dafür vernachlässigt.

Wolllust und Genusssucht

Die Todsünde, die wohl am schwierigsten auf jagdliche Aspekte umzumünzen ist, ist die Wolllust. Wer seine Zeit ­lieber zweisam mit dem Partner verbringt als auf der Jagd, der bringt ­normalerweise kein Übel hervor, höchstens die nächste Generation an Jungjägern. Wer hier nach Beispielen für Verfehlungen sucht, muss sich dem ganzen vom Begriff der Genusssucht her annähern.
Wenn etwa der jagdliche Zweck einer Gesellschaftsjagd hinter dem des gesellschaftlichen Events zurücktritt, die Schützen nicht nach Treffsicherheit, sondern nach sozialen Aspekten ihre Stände zugewiesen bekommen und das Töten des Wildes zum sport­lichen Beiwerk dieser Veranstaltung verkommt, dann liegt eine Ausschweifung vor, die der Bezeichnung der Genusssucht gerecht wird. Die Lust nach den ­angenehmen Dingen, Spaß und wie der Name schon andeutet, Luxus sorgt im schlimmsten Fall für unsaubere Jagdausübung und beraubt manche ­Aspekte auch des gebotenen Ernstes und der Würde.

Trägheit: Bau, Wartung  und Reparatur von ­Reviereinrichtungen sollten selbstverständlich sein. - Nur nicht träge sein: Bau, Wartung und Reparatur von ­Reviereinrichtungen sollten selbstverständlich sein. - © Michael Breuer
Nur nicht träge sein: Bau, Wartung und Reparatur von ­Reviereinrichtungen sollten selbstverständlich sein. © Michael Breuer
Auf ­Abwurfstangen stößt nur, wer Zeit im Revier verbringt. - Auf ­Abwurfstangen stößt nur, wer Zeit im Revier verbringt. - © Karl-Heinz Volkmar
Auf ­Abwurfstangen stößt nur, wer Zeit im Revier verbringt. © Karl-Heinz Volkmar

Trägheit und Faulheit

Eine wieder eindeutig zu verstehende Todsünde ist die Trägheit. Viele Bereiche der Jagd leiden darunter, wenn der Jäger faul ist. Einen guten Überblick über sein Revier hat nur, wer auch regel­mäßig Zeit dort verbringt. Wer dagegen lieber zu Hause bleibt und sich höchstens einmal mit dem Gelände­wagen auf die Birsch begibt, hat nicht die nötigen Einblicke, um zu wissen, wo sich das Wild momentan aufhält, welche Wiesen erst kürzlich gemäht wurden und daher zur Bejagung optimal sind oder ob gerade Wechselwild auf der Durchreise ist. Auch auf Fallwild, Abwurfstangen oder Birschzeichen stößt nur, wer Zeit im Revier ver­bringt. So können Wildkrankheiten oder ­Wilderei wahrgenommen und Maß­nahmen dagegen getroffen werden.
Auch die Wartung und Reparatur von Reviereinrichtungen, etwa das Frei­schneiden von Hochsitzen und Ähn­liches, erfordern es, die eigene Faulheit zu überwinden. Bequemlichkeit führt dazu, die „unangenehmen“ Aspekte der Jagd auszulassen und sich stattdessen nur die „angenehmen“ Teile heraus­zugreifen.
Das Phänomen, dass man zwar jagen will, aber für die dazugehörenden Arbeiten zu faul ist, kommt leider immer wieder vor. Manchmal ist es eben erforderlich, schwieriges Gelände zu durchqueren, insbesondere, wenn es um das Wohl des Wildes geht – etwa bei einer Nachsuche. Hier ist für Trägheit kein Platz.

Eine Form des Hochmuts  ist die Selbstüber­schätzung – so mancher schlechte Schuss geht auf des Jägers Konto. - Eine Form des Hochmuts ist die Selbstüber­schätzung – so mancher schlechte Schuss geht auf des Jägers Konto. - © Sven-Erik Arndt

Eine Form des Hochmuts ist die Selbstüber­schätzung – so mancher schlechte Schuss geht auf des Jägers Konto. © Sven-Erik Arndt

Stolz und Hochmut

Als Nächstes findet sich wieder eine nur allzu menschliche Empfindung auf der Liste der Todsünden: der Stolz. Das soll nicht bedeuten, dass es falsch ist, auf Dinge stolz zu sein, die man ­erreicht hat, jedoch sollte man den ­Gegenpol der Bescheidenheit dabei nicht verlieren. Wer anfängt, sich selbst für besser als andere zu halten, kann auf zwischenmenschlicher Ebene schnell einiges an Schaden anrichten. Man kennt das Bild des „Herrenjägers“, der auf den kapitalen Brunfthirsch weidwerken möchte, aber den Kahlwild­abschuss sowie die ganze Palette an Revierarbeiten lieber seinen „Unter­gebenen“ überlässt. Waffen und Ausrüstung sind stets die neuesten und teuersten Modelle und werden eher zum Angeben als zum Jagen benutzt.
Während eine derartige Über­heblichkeit unter Jägern zum Glück eher selten ist, findet sie sich in ­schwächerer Form oft gegenüber Nichtjägern. Natürlich hat der gut aus­gebildete Weidmann einen klaren Vorsprung gegenüber den meisten Mitmenschen, was sein Wissen um Wild und Natur angeht. – Wichtig ist, wie er ihnen gegenüber auftritt. Für eine positive Außenwirkung der Jagd ist es nicht förderlich, wenn der Dialog mit Nichtjägern am Überlegenheitsdenken scheitert. Wer sein Gegenüber nicht ernst nimmt oder es altklug belehren will, wird im Gespräch selten ein ­produktives Ergebnis erreichen.
Eine weitere Form des Hochmuts ist die Selbstüberschätzung. So mancher schlechte Schuss geht auf ihr Konto. Weite Entfernungen, schlechte Sicht und sich schnell bewegende Ziele erschweren einen guten Treffer, mehr als mancher es wahrhaben will. Vor den Mitjägern will man sich auch keine Blöße geben und Fehler eingestehen, wodurch schlechte Schüsse lieber verschwiegen als zugegeben werden. Auch der Stolz legt einer guten Jagd auf diese Weise oft Steine in den Weg.

Zorn und Wut

Die Liste beschließen soll eine ebenso intensive wie auch häufige Empfindung: der Zorn. Jeder Mensch war schon ­einmal wütend, und nicht selten hat der Zorn zu einer Reaktion geführt, die man im Nachhinein bereut. Diese Überreaktionen, die aus der Wurzel des Zorns herauswachsen, sind dabei das eigentliche Problem. Und es gibt viele Dinge, die einen wütend machen können. Mountainbiker, die quer durch Einstände fahren, Spaziergänger, die ihre Hunde im Frühjahr ohne Leine im Revier laufen lassen, Schmutzfinken, die ihren Müll einfach in der Natur ­abladen, aber auch Mitjäger, die einen Fehler begehen. Es fällt oft nicht leicht, bei der Begegnung mit diesen Personen ein ruhiges Gemüt zu bewahren, es ist aber umso wichtiger, denn jede Überreaktion wirft ein schlechtes Licht auf die Jägerschaft.
Nicht nur Mitmenschen schaffen es, Zorn zu wecken, auch so manches Tier verfügt über dieses zweifelhafte Talent. Ein ungehorsamer Jagdhund, der die Wut seines Herrn zu spüren ­bekommt, aber auch so manches Wild, wenn es Schaden in Wald und Flur ­anrichtet. Besonderes Hassobjekt sind hier die großen Beutegreifer, allen voran der Wolf. Den eigenen Zorn unter Kontrolle zu halten, ist hier die bessere Alternative zur ungesetzlichen Selbstjustiz. Egal, ob Mensch oder Tier: Wer berechtigte Wut hervorruft, sollte trotzdem mit einem kühlen Kopf und auf gesetzlichem Wege in seine Schranken gewiesen werden, auch wenn schnellere Lösungen verlockend erscheinen.

Fazit

Nach dieser Aufzählung wird so ­mancher feststellen müssen, dass die sieben Todsünden alte Bekannte sind, denen man im Alltag regelmäßig begegnet und die man durchaus schon einmal bei der Jagd angetroffen hat. Manche der Beispiele von jagdlichen Erscheinungen dieser negativen Emotionen hat man schon selbst miterlebt und war eventuell in diesem Fall selbst der Sünder.
So düster und pessimistisch die ­katholische Sicht auf das Thema der Sünde auch ist, so steht ihr doch die Vergebung auf positiver Seite entgegen. Und mit dieser wieder optimistischeren Sichtweise soll diese Predigt nun ihr Ende finden. Jeder hat sich schon einmal einer dieser absolut menschlichen Fehlverhalten schuldig gemacht, wichtig ist es, seine Fehler zu erkennen, zu ­bereuen und fortan zu vermeiden. Wer sich einmal Zeit nimmt, über dieses eher tiefgründige Thema nachzudenken, kann daraus positive Schlüsse ziehen und in Zukunft einiges besser machen, und das sollte ja in unser aller Interesse sein.