Auf der Spur des weißen Grathasen: Jagd in den Bergen
Eine fesselnde Jagdgeschichte: Vom weißen Grathasen bis zur Schönheit der winterlichen Bergwelt – ein Erlebnis voller Herausforderungen und Weidmannsheil.
Oft sind es die scheinbaren Kleinigkeiten, die das wahre Jägerglück ausmachen. Etwa die vielfach unbeachteten, aber nicht minder bedeutsamen Lebenswunder am Wegesrand: die faszinierenden Stimmungen, die mir oft genug Lohn für manch weiten Birschgang sind; die atemberaubenden Urgewalten der Natur, die die tatsächliche Bedeutung des Menschen wieder ein wenig ins rechte Lot rücken; oder dieses erhebende Gefühl, nach hartem Steigweg endlich die letzten Schritte hinauf auf einen schroffen Gipfel zu gehen und den Blick über die Herrlichkeit der Bergwildnis schweifen zu lassen. Und so wiegt auch manch kleine, feine, hart erjagte Beute tief in meinem Herzen weit schwerer als ein kunstlos erlegter Trophäenträger.
In froststarrender Mittdezembernacht funkeln Abermillionen Sterne vom finsteren Firmament, als ich in das schattseitige Tal hineinfahre, um hernach der weißen Berghühner wegen in die höchsten Lagen des Reviers hinaufzusteigen. Obgleich der Dezember schon seine Mitte erreicht hat, ist das Gebirge weitgehend aper, und eine mehr oder weniger geschlossene Schneedecke findet sich nur dort, wo die wärmenden Strahlen der tief stehenden Wintersonne nicht einmal zur Mittagszeit hingelangen – nämlich unter den steilen Schrofen des Talschlussgrats, der zugleich auch die italienische Staatsgrenze markiert. Trotz der Schneearmut steht mir wieder ein langer, beschwerlicher Fußmarsch bevor, denn rinnende Wässerlein haben am Forstweg großflächig blanke Eisflächen gebildet.
Nach etwa zwei Stunden des Steigens erreiche ich wenig unterm Grenzgrat einen kleinen Karkessel. Wie eine nach allen Seiten abgeschirmte Geländetasche liegt dieser Kessel seitlich im Talschluss. Gleich hinter der Karschwelle schlummern zwei flache Bergseen unter ihrer überschneiten Eisschicht. Eher als in diesem Kessel rechne ich mit den weißen Berghühnern jedoch im allerhintersten Winkel des Talschlusses. Hundert Schritt vor einem Joch, über das ein beißend kalter Wind pfeift, setze ich mich dort nieder.
Immer noch umgibt mich nächtliche Finsternis, nur hinter den schroffen Ostgipfeln kündet ein matter Lichtstreif vom nahenden Morgen. Ein halbes Stündlein mag verstrichen sein, als aus dem matten Grau des neuen Tages der knarrende Ruf des winterweißen Berghahns tönt – einmal, nach einer kurzen Weile erneut und bald ein drittes Mal. Dann wieder Stille! Doch so sehr ich auch versuche, mit dem Glas die schützende Dämmerung zu durchdringen – keine einzige weiße Feder erschaue ich! Immer mehr gewinnt das bläuliche Licht des Wintermorgens Oberhand über das schattige Dunkel der Nacht. Aus großer Ferne vernehme ich einen zaghaften Knarrer. Kurz darauf erneut, doch viel näher. Ich fahre mit dem Glas über den Hang, kann nichts erschauen, setze das Glas ab, doch wie zum Trotz hebe ich es gleich danach wieder an die Augen – und dann meine ich, hinter einer aus dem Schnee ragenden Almrauschstaude eine Bewegung erahnt zu haben. Ich halte das Glas auf die Staude gerichtet und nur Augenblicke vergehen, bis hinter ihr ein weißer Hahn heraustrippelt – und von rechts läuft gar noch ein zweiter ins Bild. Hektisch und mit hochgereckten Stingln laufen die zwei über das Schneefeld und beruhigen sich erst, als sie einen tischgroßen Steinbrocken erreichen. Für einen Schrotschuss ist die Entfernung um mehr als hundert Meter zu weit – so stehe ich kurzentschlossen auf, um die Hahnen anzugehen. Doch weit bin ich noch nicht gekommen, da stößt sich der eine Hahn vom Boden ab und streicht pfeilschnell talauswärts, der andere folgt und beide entschwinden meinen Blicken.
Auf der Jagd nach dem weißen Grathasen in den Bergen
Ich kehre zu meinen Sitzplatz zurück, verweile noch, bis die Sonne die höchsten Gipfel in goldenem Licht erstrahlen lässt. Doch kein fernes Knarren ist mehr zu vernehmen, und auch sonst wirkt die raue Bergwelt wie ausgestorben. Als ich später am Rückweg bin, will ich noch einmal in den Kessel hinaufsteigen. Nah am Seeufer setze ich mich auf einen kaum kniehohen Felsbrocken, hebe das Glas an die Augen und suche in aller Ruhe jeden Winkel dieser schroffen Gebirgswelt ab. Und was ich dann nach minutenlangem Schauen entdecke, halte ich im ersten Moment für eine Täuschung – so unwirklich erscheint es mir! Rund zweihundert Meter entfernt und kaum mehr als schrotschussweit unterm Grenzgrat sitzt ein winterweißwolliger Schneehase vor einer annähernd waagerechten Felskluft – gerade so, wie es ein Murmeltier tun würde.
Und sofort flammt in mir der Wunsch auf, mir diesen weißen Grathasen zur Beute zu machen. Zumindest versuchen will ich es – wie gut meine Chancen wirklich stehen, weiß ich selbst nicht so recht einzuschätzen, denn der Hase hat sich ein verdammt sicheres Plätzchen ausgesucht. Man wird sich schwertun, aus einer vertretbaren Schussentfernung zur Felskluft hinzusehen.
Also schultere ich Rucksack und Bockbüchsflinte wieder und mache mich auf den Weg. Bald lange ich unter steilen Schrofen an, in die sich eine abgelahnte, grasbodige Rinne hineinfurcht. Die will ich hinaufsteigen, dann weiter oben durch die Schrofen kraxeln und hernach schräg abwärts steigend hoffentlich eine geeignete Schussposition erreichen.
Doch so gut, wie der Plan sich womöglich anhören mag, so kläglich scheitert er. Was ich nicht bedacht habe, ist, dass der abgelahnte Grasboden pickelhart gefroren und stellenweise eisüberzogen ist – und so bin ich noch gar nicht weit gekommen, bis mir die Sache zu heikel wird. Im Falle eines Sturzes würde ich mich drunten im Karboden wiederfinden.
Der entscheidende Moment: Jagd auf den Grathasen
Deshalb wähle ich nun in schlechterer Deckung einen anderen Weg. Endlich bin ich so weit gekommen, dass mich ein Felskopf fast vollständig überriegelt. Bevor ich mich in Deckung ducke, werfe ich einen letzten schielenden Blick zum Hasen – doch der sitzt mucksmäuschenstill. Jetzt noch ein, zwei Dutzend Birschschritte, dann lege ich Rucksack und Bergstock ab, ziehe meine dicke Jacke aus, nehme Letztere – als spätere Gewehrauflage – in die Linke und die Bockbüchsflinte in die Rechte. Vorsichtig steige ich nun die letzten Meter auf die plateauartige, grasige Krone des Felskopfs hinauf – und im Darüberschauen muss mir die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben gewesen sein, denn kein weißer Balg leuchtet von der Spalte herüber! Hat der Hase meine Annäherung doch bemerkt und ist geflüchtet? Oder sitzt er nur tief drinnen in der finsteren Kluft? In sie hineinschauen kann ich nicht, denn ich stehe etwas überhöht. Doch als ich das Glas an die Augen hebe, sind hinter dem vorstehenden Fels der oberen Spaltenkante gerade noch die grauweißen Löffel des Hasen zu erkennen. Um besseren Einblick in die Spalte zu erlangen, habe ich nun einzig die Möglichkeit, in der Deckung des Felskopfes etwas tiefer zu gehen und dort erneut auf die Kante zu kraxeln. Diese untere Schrofenpartie ist besonders steil – eigentlich klettert man von einer grasigen Felsstufe zur nächsten – und so will jeder Schritt mit Bedacht gesetzt sein.
Als ich schließlich wieder über die Kante luge, ist immer noch kaum mehr als der halbe Hasenkopf zu sehen – der übrige Kopf wird von einem bürstigen Grashorst verdeckt, der auf der oberen Spaltenkante Halt findet. Noch weiter hinunterzusteigen scheint mir zu heikel, und deshalb fasse ich den Entschluss, die Kugel auf die Entfernung von kaum fünfzig Schritt knapp durch das Gras zu zielen. Ich krieche noch etwas vor, lege die zusammengeknüllte Jacke auf eine doppelt schuhbreite, überwachsene Felsstufe und gehe an den steilen Hang gelehnt – halb liegend, halb stehend – in Anschlag. Doch diese Auflage ist nicht hoch genug – die Kugel würde wenig vor der Mündung in die Vegetation der nächsten Felsstufe fahren. Also kann ich lediglich die Ellbogen aufstützen. Dennoch steht das Fadenkreuz erstaunlich ruhig am Hasenkopf, als mein Finger den Druck auf das kalte Metall des Abzugs erhöht. Endlich peitscht der Schussknall in die weite Bergwelt hinaus, und fassungslos blicke ich zum Hasen – der sitzt dort, als sei nichts geschehen! Nur ein winzig kleines Stück ist er vorgerückt – gerade so viel, dass ein Gutteil seines Körpers frei ist.
Hastig krame ich das Patronenetui aus dem Hosensack, nestele mit zittrigen Fingern eine Patrone daraus hervor, breche die Bockbüchsflinte, ziehe die leere Hülse heraus, schiebe die neue Patrone hinein und gehe erneut in Anschlag. Ich kann es kaum glauben, aber der Hase sitzt immer noch wie versteinert am selben Fleck. Nach sekundenkurzem Zielen bricht der zweite Schuss – und danach ist der Hase einfach verschwunden, und nur eine Wolke feiner, weißer Wolle treibt im sanften Wind dem Grat entgegen. Zweifel nagen in mir – Zweifel, ob die Kugel den Hasen auch wirklich tödlich getroffen oder vielleicht doch nur gestreift hat. Ich meine aber, am Anschuss Schweiß zu erkennen, und das gibt mir Hoffnung.
Erfolg am Quergrat: Ein Jagdtag voller Höhen und Tiefen
Eilig packe ich meine Sachen zusammen, steige vom Felskopf hinunter, quere eine feinschottrige Geröllrinne und kraxele dann die letzten Schritte durch die grasigen Schrofen hin zum Unterschlupf des Hasen – und als ich endlich tief genug in die Spalte hineinschauen kann, übertrifft dankbare Erleichterung wohl gar noch meine tiefe Freude über diese kleine, aber edle Beute, die dort längst verendet liegt. Beim Nähertreten wird mir klar, warum die erste Kugel ihr Ziel verfehlt hat. Hinter dem Grasbüschel hat sie gerade noch die felsige Oberkante der finsteren Spalte getroffen, sodass dem weißen Hasen wohl lediglich ein paar Gesteinssplitter um die Löffel geflogen sind. Welch unverschämtes – ich möchte fast sagen: unverdientes – Glück, dass mich dieser Patzer nicht um das Weidmannsheil gebracht hat.
Weil die Wintersonne hier unter dem steilen Geschröff schon jetzt am Vormittag immer längere Schatten wirft, mache ich mich nach einigen Erinnerungsfotos auf den Weg zu einem büchsenschussentfernten, sonnenüberstrahlten Quergrat, von dem man weiten Blick über fast das gesamte Revier hat. Hier in der wärmenden Sonne lässt es sich richtig gut aushalten, und so setze ich mich nieder, jausne und genieße diesen wunderbaren Jagdtag im frühwinterlichen Gebirge. Erst als am Nachmittag die Sonne dem Grenzgrat entgegensinkt, packe ich meine Siebensachen zusammen, binde meine kostbare Beute auf den Rucksack und trete den Heimweg an.
Der entscheidende Moment: Jagd auf den Grathasen
Deshalb wähle ich nun in schlechterer Deckung einen anderen Weg. Endlich bin ich so weit gekommen, dass mich ein Felskopf fast vollständig überriegelt. Bevor ich mich in Deckung ducke, werfe ich einen letzten schielenden Blick zum Hasen – doch der sitzt mucksmäuschenstill. Jetzt noch ein, zwei Dutzend Birschschritte, dann lege ich Rucksack und Bergstock ab, ziehe meine dicke Jacke aus, nehme Letztere – als spätere Gewehrauflage – in die Linke und die Bockbüchsflinte in die Rechte. Vorsichtig steige ich nun die letzten Meter auf die plateauartige, grasige Krone des Felskopfs hinauf – und im Darüberschauen muss mir die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben gewesen sein, denn kein weißer Balg leuchtet von der Spalte herüber! Hat der Hase meine Annäherung doch bemerkt und ist geflüchtet? Oder sitzt er nur tief drinnen in der finsteren Kluft? In sie hineinschauen kann ich nicht, denn ich stehe etwas überhöht. Doch als ich das Glas an die Augen hebe, sind hinter dem vorstehenden Fels der oberen Spaltenkante gerade noch die grauweißen Löffel des Hasen zu erkennen. Um besseren Einblick in die Spalte zu erlangen, habe ich nun einzig die Möglichkeit, in der Deckung des Felskopfes etwas tiefer zu gehen und dort erneut auf die Kante zu kraxeln. Diese untere Schrofenpartie ist besonders steil – eigentlich klettert man von einer grasigen Felsstufe zur nächsten – und so will jeder Schritt mit Bedacht gesetzt sein.
Als ich schließlich wieder über die Kante luge, ist immer noch kaum mehr als der halbe Hasenkopf zu sehen – der übrige Kopf wird von einem bürstigen Grashorst verdeckt, der auf der oberen Spaltenkante Halt findet. Noch weiter hinunterzusteigen scheint mir zu heikel, und deshalb fasse ich den Entschluss, die Kugel auf die Entfernung von kaum fünfzig Schritt knapp durch das Gras zu zielen. Ich krieche noch etwas vor, lege die zusammengeknüllte Jacke auf eine doppelt schuhbreite, überwachsene Felsstufe und gehe an den steilen Hang gelehnt – halb liegend, halb stehend – in Anschlag. Doch diese Auflage ist nicht hoch genug – die Kugel würde wenig vor der Mündung in die Vegetation der nächsten Felsstufe fahren. Also kann ich lediglich die Ellbogen aufstützen. Dennoch steht das Fadenkreuz erstaunlich ruhig am Hasenkopf, als mein Finger den Druck auf das kalte Metall des Abzugs erhöht. Endlich peitscht der Schussknall in die weite Bergwelt hinaus, und fassungslos blicke ich zum Hasen – der sitzt dort, als sei nichts geschehen! Nur ein winzig kleines Stück ist er vorgerückt – gerade so viel, dass ein Gutteil seines Körpers frei ist.
Hastig krame ich das Patronenetui aus dem Hosensack, nestele mit zittrigen Fingern eine Patrone daraus hervor, breche die Bockbüchsflinte, ziehe die leere Hülse heraus, schiebe die neue Patrone hinein und gehe erneut in Anschlag. Ich kann es kaum glauben, aber der Hase sitzt immer noch wie versteinert am selben Fleck. Nach sekundenkurzem Zielen bricht der zweite Schuss – und danach ist der Hase einfach verschwunden, und nur eine Wolke feiner, weißer Wolle treibt im sanften Wind dem Grat entgegen. Zweifel nagen in mir – Zweifel, ob die Kugel den Hasen auch wirklich tödlich getroffen oder vielleicht doch nur gestreift hat. Ich meine aber, am Anschuss Schweiß zu erkennen, und das gibt mir Hoffnung.
Erfolg am Quergrat: Ein Jagdtag voller Höhen und Tiefen
Eilig packe ich meine Sachen zusammen, steige vom Felskopf hinunter, quere eine feinschottrige Geröllrinne und kraxele dann die letzten Schritte durch die grasigen Schrofen hin zum Unterschlupf des Hasen – und als ich endlich tief genug in die Spalte hineinschauen kann, übertrifft dankbare Erleichterung wohl gar noch meine tiefe Freude über diese kleine, aber edle Beute, die dort längst verendet liegt. Beim Nähertreten wird mir klar, warum die erste Kugel ihr Ziel verfehlt hat. Hinter dem Grasbüschel hat sie gerade noch die felsige Oberkante der finsteren Spalte getroffen, sodass dem weißen Hasen wohl lediglich ein paar Gesteinssplitter um die Löffel geflogen sind. Welch unverschämtes – ich möchte fast sagen: unverdientes – Glück, dass mich dieser Patzer nicht um das Weidmannsheil gebracht hat.
Weil die Wintersonne hier unter dem steilen Geschröff schon jetzt am Vormittag immer längere Schatten wirft, mache ich mich nach einigen Erinnerungsfotos auf den Weg zu einem büchsenschussentfernten, sonnenüberstrahlten Quergrat, von dem man weiten Blick über fast das gesamte Revier hat. Hier in der wärmenden Sonne lässt es sich richtig gut aushalten, und so setze ich mich nieder, jausne und genieße diesen wunderbaren Jagdtag im frühwinterlichen Gebirge. Erst als am Nachmittag die Sonne dem Grenzgrat entgegensinkt, packe ich meine Siebensachen zusammen, binde meine kostbare Beute auf den Rucksack und trete den Heimweg an.