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Der Fischotter: Ein gefräßiger Fischfänger

30. Mai 2024 -
Fischotterriss Perlfisch - Die FFH-Art Perlfisch (Rutilus meidingeri) wird direkt am Laichplatz vom Fischotter dezimiert, während diese Fischart im Fischereigesetz als ganzjährig geschont eingestuft ist. - © Wolfgang Hauer
Die FFH-Art Perlfisch (Rutilus meidingeri) wird direkt am Laichplatz vom Fischotter dezimiert, während diese Fischart im Fischereigesetz als ganzjährig geschont eingestuft ist. © Wolfgang Hauer

Die Auswirkungen hoher Fischotterdichten auf die Lebensgemeinschaften in Fließgewässern werden zu wenig diskutiert. Inwiefern der Fischotter Einfluß auf die Population unter anderem auf gefährdete Fischarten hat, soll dieser Bericht Einblick geben.

Durch den Fischotter (Lutra lutra) verursachte erhebliche Schäden in Teichen, Fischzuchten und Aquakulturanlagen sind gut dokumentiert (vgl. Woschitz, 2014). Dort können Schutzmaßnahmen, wie Umzäunungen oder Ausgleichszahlungen, zumindest einen gewissen Ausgleich für die Schäden bringen. Allerdings haben Zäune auch ökologisch weitreichende negative Folgen (Zerschneidung der Landschaft für viele Tierarten, Kollisionsgefahr für laufende und niedrig streichende Vogelarten, Erhöhung des Fraßdruckes außerhalb der gezäunten Fläche). Die Auswirkungen hoher Fischotterdichten auf die Lebensgemeinschaften in Fließgewässern werden hingegen kaum diskutiert. Gerade in Bächen und kleineren Flüssen der Forellenregion (Rhithral) zeigen Fischbestandeserhebungen einen drastischen Rückgang der Biomasse (kg/ha) der Bachforelle (Salmo trutta) sowie eine stark gestörte Altersstruktur (Stöger, 2016) bei gleichzeitigem Ansteigen der Fischotterdichten (Kofler et al., 2023); bevorzugt werden meist größere Bachforellen mit 15–25 cm Körperlänge erbeutet (Sittenthaler et al., 2019). In größeren Flüssen wurden Huchen mit über 130 cm Länge und einem Gewicht von über 30 kg ebenso angegriffen und verletzt wie große Karpfen, Hechte und Welse.

Dass es in unserer anthropogen überformten Landschaft kaum noch wirklich intakte aquatische Lebensräume gibt, wird in Diskussionen gerne übersehen. Selbst in scheinbar unberührten Gewässern wirken sich die zivilisatorischen Einflüsse des Menschen deutlich aus. In der europäischen Kulturlandschaft mit ihren stark beeinträchtigten Lebensräumen komplexe Wirkgefüge – wie beispielsweise die oft beschworene „Balance der Räuber-Beute-Beziehung“ – zu erwarten, erscheint zumindest naiv.

Schutzstatus Fischotter

Der Fischotter ist keineswegs die einzige besonders geschützte Tierart in der EU, auch wenn das gerne so dargestellt wird. Derzeit wird der Otter in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) in den Anhängen II+IV gelistet. Vereinfacht formuliert bedeutet dies, dass für Arten im Anhang II Schutzgebiete im Natura-2000-Netz eingerichtet werden müssen, was bereits geschehen ist. Der Anhang IV bedeutet, dass es sich um sogenannte „streng geschützte Arten“ handelt, für die ein Störungs- und Tötungsverbot auch außerhalb von Natura-2000-Gebieten gilt. Den exakt gleichen Schutzstatus wie der Fischotter genießen aber auch viele Fisch-, Krebs- und Amphibienarten, die vom Fischotter gefressen werden. Während beim Fischotter der sogenannte „gute Erhaltungszustand“ im Zusammenhang mit der FFH-Richtlinie in den meisten Bundesländern längst erreicht ist (Kofler et al., 2023), ist dieser für viele Fischarten, aber auch für einheimische Krebs- und Amphibienarten, nicht gegeben; ihre fragmentierten Bestände sind zumindest auf der Ebene lokaler Populationen zusätzlich durch Fressfeinde wie den Fischotter bedroht (Schmutz et al., 2023; Ratschan, 2020). Einen möglichen Ausweg aus diesem naturschutzfachlichen Zielkonflikt stellt ein gezieltes Entnahmemanagement, kombiniert mit Verbesserungen des Lebensraumes, dar (Ratschan, 2023: Tab. 9). Maßnahmen zum Schutz von Fischen ohne eine Verringerung der Otterdichte sind allerdings ungenügend; gelten doch zum Beispiel Fischwanderhilfen als bevorzugte Jagdgebiete der Fischotter.

Ungebunden

Im Gegensatz zu seinen Beutetieren ist der Otter nicht an bestimmte Habitate oder Lebensraumbedingungen gebunden. Es spielt für ihn keine Rolle, ob ein Gewässer fließt oder steht, ob es sich im Sommer stark erwärmt oder ganzjährig kaltes Wasser führt. Auch der Verbauungsgrad eines Gewässers ist für den Otter ein kaum relevanter Faktor. Verlieren durch die Errichtung eines Wasserkraftwerks viele rheophile Fischarten ihren Lebensraum und vor allem ihre Laichplätze, ändert sich für den Otter dadurch wenig. Er kommt grundsätzlich überall vor, wo es Wasser und ausreichend Nahrung sowie Tagesverstecke gibt. Selbst in stark verbauten Gewässern inmitten von Großstädten sind nachweislich alle potenziellen Reviere vom Otter besiedelt (Romanowski et al., 2013).

Ganz anders sieht die Situation bei Fischen, Amphibien und einheimischen Krebsen aus, die das Beutespektrum des Otters dominieren. Viele von ihnen sind auf spezielle Lebensräume angewiesen und sind, genauso wie der Fischotter selbst, in verschiedenen Roten Listen und vor allem in den Anhängen der FFH-Richtlinie gelistet: Huchen-FFH-RL II+V, Äsche V, Rapfen II+V, Seelaube II, Barbe II+V, Strömer II, Perlfisch II+V, Frauennerfling II+V, Bitterling II, Sichling II+V, Steinbeißer und Goldsteinbeißer II, Donaukaulbarsch II+IV, Schrätzer II+V, Zingel II+V, Streber II, Koppe II, Steinkrebs II+V, Dohlenkrebs II+V, Kammmolche, Gelb- und Rotbauchunke II+IV, Moor- und Springfrosch FFH RL IV.

Weiterführende Literatur zu diesem Thema