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Hochwasser und Fische: Wie Naturgewässer helfen

29. Oktober 2024 -
Hochwasser Wallsee - © Wolfgang Hauer
© Wolfgang Hauer

Hochwasser wird für Fische immer häufiger zur Bedrohung. Naturbelassene Gewässer bieten jedoch Strukturen, die Überleben und Schutz ermöglichen. Erfahren Sie, wie Renaturierung helfen kann, Fischbestände und Ökosysteme zu erhalten.

Bei schweren Hochwassern, wie jenem, das Mitte September 2024 ganze Landstriche in ­Österreich verwüstet hat, stehen natürlich menschliche Schicksale, der Schaden an Gebäuden, Straßen und der Landwirtschaft im Vordergrund. Von diesen Schäden einmal abgesehen, stellen wir Fischer uns aber auch die Frage, welche Folgen solche Ereignisse für unsere Fischbestände haben.
Besonders betroffen sind natürlich die Fließgewässer, hier kommt es zu dramatisch erhöhten Abflüssen und das oft innerhalb kurzer Zeit. Die ­Strömungsgeschwindigkeit vervielfacht sich und das besonders in naturfern verbauten und begradigten Gewässern. Aber auch in den engen Tälern unserer Alpen haben die Wassermassen oft kaum Platz, sich seitlich auszudehnen, und werden zu lebensfeindlichen, reißenden Flüssen. Während mäßige Hochwasser für die Fische durchaus positive Effekte haben können, wie etwa ein erhöhtes Nahrungsangebot oder die Umschichtung der Kiesbänke, haben schwere Hoch­wasser meist auch für unsere ­Fische negative Folgen.

Wie Gewässerstruktur Fischen bei Hochwasser hilft

Wie gut oder schlecht Fische solche ­Ereignisse überstehen, hängt ganz ­wesentlich von der Strukturgüte eines Gewässers ab. Je mehr strömungs­beruhigte Zonen es bei unterschied­lichen Wasserständen gibt und je ­üppiger die Uferbestockung ist, desto leichter finden sie Bereiche, in denen sie solche Ereignisse unbeschadet überdauern können.
So kann beispielsweise eine reiche Ufervegetation mit hohem Gras und zahlreichen ufernahen Bäumen oder Büschen die Strömungsgeschwindigkeit so weit reduzieren, dass selbst die empfindliche Fischbrut gute Überlebenschancen hat. Außerdem können sich die Jugendstadien mancher Fischarten, wie etwa der Koppen, bei Hochwassern in das Kieslückensystem zurückziehen und dort solche Ereignisse mit etwas Glück überstehen. Zurückgezogen im Kieslückensystem überleben übrigens auch viele Insektenlarven solche Geschehnisse.
All diese natürlichen Schutz­mechanismen haben natürlich ihre Grenzen, und bei extremen Hoch­wassern mit massiver Geschiebe­führung und großflächigen Überschwemmungen kommt es natürlich auch zu erheblichen Schäden an den Fischbeständen und am Makrozoobenthos. In Stauräumen werden viele Fische von der starken Strömung über geöffnete Wehrfelder nach unten gespült.
Richtig dramatisch wird es allerdings, wenn der Grundablass geöffnet wird. Dass passiert gezielt bei Stauraumspülungen, kann aber auch bei schweren Hochwassern notwendig ­werden. Dabei treten lokal extreme Druck- und ­Strömungsverhältnisse auf, denen ­unsere Fische nichts entgegensetzen können. Besonders sensibel sind naturgemäß die Larven- und Jugendstadien unserer ­Fische. Insbesondere hohe Schwebstofffrachten, wie sie etwa nach Muren­abgängen, aber auch bei Stauraum­spülungen auftreten, können ganze Jahrgänge vernichten.
Bei manchen Hochwasserereignissen werden auch Bereiche mit extrem feinen Sedimenten freigelegt bzw. ­gelangen solche mit Hangrutschungen in unsere Gewässer. Das hat zur Folge, dass es auch noch lange nach dem ­eigentlichen Hochwasser zu massiven Trübungen kommt und auch die ­Fischerei kaum möglich ist.
Doch selbst wenn die Fische solche Ereignisse irgendwie überlebt haben, lauern noch einige Hindernisse auf sie. Gehen die Wasserstände dann ­endlich zurück, entstehen oft richtiggehende „Fischfallen“: Das sind Wasser­ansammlungen in Geländevertiefungen außerhalb des Bach- bzw. Flussbettes, aus denen die Fische nicht mehr aus eigener Kraft in das Hauptgerinne ­zurückkehren können. Durch auf­wendige Bergemaßnahmen mittels Elektrofischerei und mit zahlreichen helfenden Händen gelingt es Bewirtschaftern teilweise, diese Fische vor dem sicheren Tod zu bewahren. Ein weiteres Problem sind unpassierbare Querhindernisse (zum Beispiel Wehre, Staumauern), die verhindern, dass vom Hochwasser flussab verdriftete Fische nicht mehr in ihre angestammten ­Reviere zurückwandern können.

Wildfische im Hochwasser: Überlebenskünstler in Gefahr

Dennoch ist es immer wieder erstaunlich, wie viele Fische trotz der oft ­tosenden Schlammfluten überleben. Vermutlich können sie sich mit ihrem Seitenlinienorgan selbst im trübsten Wasser orientieren und so auch wieder in das ursprüngliche Flussbett zurückfinden. Klar ist auch, dass unsere ­heimischen Wildfische seit Jahr­tausenden gelernt haben, mit solchen Ereignissen fertig zu werden, sonst wären sie längst ausgestorben.
Fakt ist auch, dass jene Wild-­fische, die im jeweiligen Gewässer ­aufgewachsen sind, wesentlich besser mit Natur­kata­strophen fertig werden als degenerierte Zuchtfische. Letztere haben im Ernstfall kaum Überlebenschancen und werden meist schon bei kleineren Hochwassern flussab ver­driftet.
Wir Menschen sind es, die mit ­unseren Gewässerverbauungen den ­Fischen nicht nur bei Hochwassern das Leben schwer machen. Bleibt zu hoffen, dass der Trend, unseren ­Gewässern mehr Raum zu geben, ­anhält und die Öffentlichkeit begreift, dass Renaturierungsmaßnahmen von elementarer Bedeutung für den Hochwasserschutz sind.