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Schnelles Ansprechen von Rehböcken – mit Gewinnspiel!

24. Juni 2024 -
Ansprechen: Wenn’s schnell gehen muss - © Fritz Wolf
© Fritz Wolf

Beim Blatten muss das Ansprechen eines springenden Rehbockes in der Regel in Sekunden­bruchteilen erfolgen. Worauf stützt sich der kundige Jäger nun, um nicht einen zu jungen Bock zu erlegen? (Das Gewinnspiel finden Sie am Ende des Textes.)

Schritt vor Schritt setzen die ­beiden Jäger ihre frisch ein­gefetteten Bergschuhe auf den aus­gekehrten Waldboden. Im Gleichschritt, genauso wie auch das Schalenwild seine Fährte zieht, birschen sie zum Ansitz. Nur kein Geräusch, kein Anstreifen, kein Äste­knacken.
Der Einstand des bestätigten Bockes ist nicht weit von der Ansitzleiter ­entfernt, und es braucht jagd­liche ­Disziplin, will man sich nicht als menschlicher Jäger verraten. Der Birschführer wischt sich wiederholt über seinen verschwitzten Nacken. Wieder hat er einen lästigen Blutsauger erdrückt. Der Hintermann hat es ­bemerkt und wünscht ein verhaltenes „Weidmannsheil“.
Als die Leiter erklommen, die Sitzplätze eingenommen und der Wetterfleck auf dem Querbalken in der ver­muteten Hauptschussrichtung aufgelegt ist, Gewehr und Blatter bereit für den Einsatz sind, warten die beiden eine Weile, bis sich die verräterischen Waldbewohner wieder beruhigt haben. Auch der Jagdgast hat mittlerweile sein „Gelsenheil“ mit Streckenlegung im Schulterbereich, zieht im Zeitlupentempo die leicht rötliche Hand vom Rücken nach vorn zum Gewehrschaft.
Wiederum eine Weile, nachdem der kleine, wendige Zaunkönig sein Schimpfgezeter beendet hat, nimmt der erfahrene Birschführer seinen Blatter aus dem Lederetui, legt die Stimmzunge auf seine eingerollten Lippen und lässt die ersten, zarten Töne erklingen. Lieblich, fein und in alle Richtungen strömen die Töne in den Hochwald hinein, sollen die nahe ­Eichendickung umgarnen und den alten Bock bezirzen, ihn bestenfalls von seinem Lager heben.
Gelsengeschwirre, schwüle Mittagszeit, Taubergurren. Sonst kein Anzeichen von der Rehbrunft. Nach einer guten Zeit des Einswerdens mit dem Wald werden die Lippen neuerlich gerollt, und das schmale Blättchen schwingt in den feinsten Tönen, diesmal schon etwas energischer. „Piäää, Piäää!“, mit dem Sprengruf endend. Dieser Ruf lässt keinen Bock kalt, und oft schon hatte der Birschführer genau mit dieser Inszenierung seinem Jagdgast den mit Schweiß benetzten Beutebruch überreichen dürfen.
„Piäää, Piäää!“ Da flitzt ein roter Schatten durch den Fichtenanflug neben der Eichendickung. Der Griff zur Büchse geschieht beinahe automatisch, sie liegt schussbereit im Anschlag. Jetzt wieder ein leiseres ­Fiepen, und da prescht der Liebestolle auch schon ­herbei. Er hält nicht mehr vor den überraschten Jägern, springt an ihnen vorbei und verliert sich in der rück­seitigen Naturverjüngung.

Ansprechmerkmale
Jahrlinge hochläufig, gerade Rücken- und Bauchlinie, jugendlicher, neugieriger „Gesichtsausdruck“, die Stellung der noch hohen Rosen­stöcke ist parallel und eng zu­einander – häufig auch nach innen gestellt, dünn und lang ­wirkender Träger. Ist ein älterer Platzbock vor Ort bekannt, dann häufig zöger­liches, vorsichtiges, ängstlich wirkendes Springen auf das Blatt.
Zweijährige Böcke häufig dunkle Stirnplatte, ansonsten noch keine nennenswerten Unterschiede zu Jahrlingen.
Mittelalte Böcke Die 3–4-jährigen Böcke stehen in ihrer Lebensmitte und sind im Wildbret ­kräftiger ­gebaut, der Träger wirkt bereits stärker, häufig noch lang, und die Färbung am Haupt erscheint oft bunt, oftmals mit einem Muffelfleck versehen. Diese Böcke gelten als die „Halbstarken“ in den meisten Rehrevieren, strotzen vor Kraft und zelebrieren das ­mittels angezeigtem Kampfgeist beim ­Plätzen und Fegen.
Reife Böcke Alte Böcke zeigen sehr oft ein kantiges Haupt, einen „grantigen“ Blick, einen deutlich erkennbaren Widerrist, einen starken Träger und einen gedrungenen Wildkörper sowie eine nach vorn verlagerte Masse. Die Rosenstöcke sitzen tief auf dem Haupt und ­stehen schon gut sichtlich aus­einander. Dachrosen sind dabei kein un­bedingtes Altersmerkmal für überreife Böcke – kann sein, muss aber nicht. Auch Tellerrosen sind bei diesen „Opas“ häufig zu sehen.


„Piä, Piäää!“ Da kommt er schon wieder laut keuchend zurück und verhofft neuerlich mit freiem Blatt. „Das ist er! Schieß!“, und schon reißt es den liebestollen Getäuschten von den Läufen. Nach einer letzten tiefen Flucht bleibt der Bock in Sichtweite verendet liegen.
Jetzt gilt der Schulterschlag dem Schützen, und mit einem „Weidmannsheil“ und einem „Weidmannsdank“ ­beginnt die Totenwache schon auf der Ansitzleiter. Es gehört sich nicht, dass man gleich hinstürmt. Man hat geerntet, einen alten Recken aus dem Leben gerissen und schuldet der verendeten Kreatur den nötigen Respekt. Dies ist des Jägers Ehrenpflicht.
Als der blaue Dunst der vierten ­Zigarette das Kronendach erreicht, ist es Zeit, sich die Beute anzueignen. Schritt für Schritt setzen die beiden Jäger ihre Bergschuhe auf dem Weg zum Anschuss durch die Brombeeren. Nur noch wenige Meter bis zum Gestreckten, und die Vorfreude ob des Jagderfolges steigt. Jetzt noch die Brombeerstaude vom Träger lösen, verschlungen im ­stacheligen Gerank hat sich der Bock sein letztes Lager gesucht. Da entfährt es dem Birschführer: „Das ist er nicht – das ist ein Junger!“
Solche oder ähnliche Geschichten kann man, wenn auch selten, von ­ehrlichen Jägern am Stammtisch hören. Wahrscheinlich doch eher bei einem Vieraugengespräch, resümierend nach vielen erlebten Rehbrunften. Die Unfehlbaren können da nicht mitreden. Wer Böcke bereits am Schrecken von­einander unterscheiden kann, Plätz- und Fegestellen im Revier nach dem Alter des Bockes kategorisiert und die Anzahl der Stirnlocken sowie das Vorhandensein von Teller- und Dachrosen als sicheres Altersmerkmal zu deuten weiß, gibt sich nicht mit Anfängern ab.

Ansprechen: Wenn’s  schnell gehen muss - Jahrlinge wirken hochläufig mit „kindlichem“ Gesicht. - © Fritz Wolf
Jahrlinge wirken hochläufig mit „kindlichem“ Gesicht. © Fritz Wolf
Ansprechen: Wenn’s  schnell gehen muss - Sind nur Haupt und Träger zu sehen, wird es schon schwieriger: vermutlich ein- bis zweijähriger Bock. - © Fritz Wolf
Sind nur Haupt und Träger zu sehen, wird es schon schwieriger: vermutlich ein- bis zweijähriger Bock. © Fritz Wolf
Ansprechen: Wenn’s  schnell gehen muss - Auch dieser Bock ist nicht alt: Die dunkle Stirnplatte verrät den maximal zweijährigen Bock. - © Fritz Wolf
Auch dieser Bock ist nicht alt: Die dunkle Stirnplatte verrät den maximal zweijährigen Bock. © Fritz Wolf
Ansprechen: Wenn’s  schnell gehen muss - Wieder ein junger, vermutlich ein- oder zweijähriger Bock. - © Fritz Wolf
Wieder ein junger, vermutlich ein- oder zweijähriger Bock. © Fritz Wolf
Ansprechen: Wenn’s  schnell gehen muss - Dieser Bock wirkt zwar hochläufig und schwach im Wildbret, das Haupt mit niedrigen Stirnzapfen spricht aber eine andere Sprache: ein mittelalter Bock. - © Fritz Wolf
Dieser Bock wirkt zwar hochläufig und schwach im Wildbret, das Haupt mit niedrigen Stirnzapfen spricht aber eine andere Sprache: ein mittelalter Bock. © Fritz Wolf
Ansprechen: Wenn’s  schnell gehen muss - Zwar deuten einige Merkmale auf einen starken Jahrling hin – doch dieser Bock ist wirklich alt! - © Fritz Wolf
Zwar deuten einige Merkmale auf einen starken Jahrling hin – doch dieser Bock ist wirklich alt! © Fritz Wolf

Man lernt nie aus

Je länger man auf Rehwild jagt, desto mehr gewinnt man die Erkenntnis, dass Rehböcke nicht nach ihrem ­exakten Alter angesprochen werden können. Man lernt im Laufe der Jahre, Rehe nach ihrem groben Alter – Bockkitz, Jahrling, zweijähriger, mittelalter (3- bis 4-jährig), alter (5- bis etwa 6-­jährig) und sehr alter Bock – von­einander zu unterscheiden. Viele Aussagen zu Altersmerkmalen von Reh­böcken entpuppen sich bei näherer Betrachtung als Verallgemeinerungen von Einzelbeobachtungen, als über­lieferte Gerüchte ohne wissenschaft­liche Belege oder gar als praxisfern.
Mehr ist auch im Hinblick auf die Jagdgesetze in den meisten Bundes­ländern Österreichs nicht notwendig. Eine artgerechte Bejagung des Reh­wildes in einer Kulturlandschaft, mit hohen Fallwildverlusten auf Verkehrswegen, ist mit diesem System durchaus gegeben. Wer sein Handeln kritisch hinterfragt und versucht, nach erfolgter Erlegung eines Stückes Rehwild über zusätzliche Bestimmungshilfen seine vorherige Alterseinschätzung zu beurteilen und zu überprüfen, wird nicht selten vom Ergebnis überrascht sein. Will man sich zu 100 % sicher über die Altersansprache sein, muss man die Rehe als Kitze markieren. Anhand ­dieser Markierungen mit Farben und Nummern lassen sich später eindeutige Altersangaben aussprechen und zu­ordnen. Und das war’s auch schon mit 100 %iger Ansprache vor dem Schuss. Kiefer, Nasenscheidewand, Stirnnaht, Schlossaufschneiden, Auskochen usw. kommen erst später als Ansprech­merkmale hinzu, wenn der Bock bereits vor dem Kühlraum liegt oder hängt.

Erfahrungen sammeln

Rehwilderfahrung zu sammeln, bedeutet, sehr viel im Revier unterwegs zu sein und unzählige Beobachtungen zu den verschiedensten Jahreszeiten zu machen. Es beginnt bereits Ende ­Februar, wenn die ersten Fege- und Plätzstellen im Rehrevier zu finden sind. Zu diesem Zeitpunkt beginnen die territorialen Einstandskämpfe der zumeist älteren Böcke. Nach einem ­Abfall des Testosteronspiegels im Frühjahr steigt dieser vor der Brunft wieder an, und auch jetzt kann man wieder frische Fegestellen im Revier finden und entsprechend deuten.
Die vorsichtig erscheinenden Attribute, wie zumeist, häufig oder manchmal, sind auf die Ergebnisse der ­Forschungsarbeiten des Herzogs von Bayern in den Wildalpen zurück­zuführen, wo bekanntlich jedes bis dahin fast schon religiös verbreitete Ansprechmerkmal widerlegt wurde und diese Ansprechunterschiede in jeder Altersklasse, wie auch bei uns Menschen, vorkommen können.
Auch vereinzelte Negativerfahrungen im Sinne von erlegten und vorher falsch angesprochenen Stücken zählen zum Lernprozess eines langjährigen Rehkenners.
Beim schnellen Ansprechen und Erlegen, und dies ist in der Brunft ­häufig der Fall, sind einige Kriterien für den Jäger hilfreich, jedoch auch hier ist nichts hundertprozentig! Vor allem regionale Unterschiede, welche die Gesichtsfärbung oder die Körpergröße betreffen, sind am jeweiligen Blattjagdstandort zu berücksichtigen. Ein ungarischer Feldbock steht anders da als ein Brunftbock in einem waldreichen Revier mit hohem Wildbestand.

Hauptbrunft

Der Blattjäger wird zu Beginn der Brunft und gegen Ende der Reh-Hochzeit seine erfolgreicheren Tage auf ­ältere Böcke im Jagdkalender markieren können. Bei einem ausgewogenen Geschlechter­verhältnis werden häufig Jahrlinge in den Tagen der Hauptbrunft springen. Sie suchen, allein­stehend, nach weiblichen Stücken und reagieren in dieser Zeit häufiger auf den Ruf des Jägers als ältere Böcke, die ihren Windfang unmittelbar hinter dem brunftigen Feuchtblatt einer Geiß trainieren und diese dann auch – nicht selten mehrfach – beschlagen.
Springt ein Bock auf die jeweiligen Blattstrophen, so ist es sehr oft der erste Gesamteindruck, der sich letztlich auch als richtig entpuppt. Der Wildkörper, das Verhalten des Stückes, die Färbung des Hauptes, die Deckenfärbung und letztlich natürlich auch das Geweih geben Aufschluss über ­Erlegung oder Schonung. Wenn man viel Zeit zum Ansprechen hat und die Sehnsucht nach Erfolg den Bock um 2–3 Jahre älter machen will, ist das ein Indiz dafür, dass man am ersten Eindruck festhalten sollte.
Wie auch viele Lehren in unserem Berufsleben mit Erfolgen und Miss­erfolgen durchlebt werden müssen, so ist auch beim Ansprechen von Böcken, vor allem beim schnellen Ansprechen, noch kein Meister vom Himmel gefallen. Praxis, Praxis, Praxis und viel Training sind jene Ratgeber, die ich an dieser Stelle gerne mitgeben möchte.

Gewinnspiel

Nun sind Sie an der Reihe: Wie alt ist der Bock über dem Titel – und würden Sie ihn erlegen? Bitte schreiben Sie uns Ihre Meinung:

Redaktion WEIDWERK,
Kennwort „Ansprechen“,
Wickenburggasse 3,
1080 Wien,

E-Mail: gewinnspiel@weidwerk.at

Unter allen Einsendungen bis 31. 7. 2024 verlosen wir eine handgeschmiedete Steak­pfanne für die Jagdhütte im Wert von € 155,–, ­einen WEIDWERK-Gürtel aus Leder und Birnenholz im Wert von € 89,– und einen WEIDWERK-Rucksack im Wert von € 105,– (alle Produkte können im WEIDWERK-Shop betrachtet werden: shop.weidwerk.at)