Schnelles Ansprechen von Rehböcken – mit Gewinnspiel!
Beim Blatten muss das Ansprechen eines springenden Rehbockes in der Regel in Sekundenbruchteilen erfolgen. Worauf stützt sich der kundige Jäger nun, um nicht einen zu jungen Bock zu erlegen? (Das Gewinnspiel finden Sie am Ende des Textes.)
Schritt vor Schritt setzen die beiden Jäger ihre frisch eingefetteten Bergschuhe auf den ausgekehrten Waldboden. Im Gleichschritt, genauso wie auch das Schalenwild seine Fährte zieht, birschen sie zum Ansitz. Nur kein Geräusch, kein Anstreifen, kein Ästeknacken.
Der Einstand des bestätigten Bockes ist nicht weit von der Ansitzleiter entfernt, und es braucht jagdliche Disziplin, will man sich nicht als menschlicher Jäger verraten. Der Birschführer wischt sich wiederholt über seinen verschwitzten Nacken. Wieder hat er einen lästigen Blutsauger erdrückt. Der Hintermann hat es bemerkt und wünscht ein verhaltenes „Weidmannsheil“.
Als die Leiter erklommen, die Sitzplätze eingenommen und der Wetterfleck auf dem Querbalken in der vermuteten Hauptschussrichtung aufgelegt ist, Gewehr und Blatter bereit für den Einsatz sind, warten die beiden eine Weile, bis sich die verräterischen Waldbewohner wieder beruhigt haben. Auch der Jagdgast hat mittlerweile sein „Gelsenheil“ mit Streckenlegung im Schulterbereich, zieht im Zeitlupentempo die leicht rötliche Hand vom Rücken nach vorn zum Gewehrschaft.
Wiederum eine Weile, nachdem der kleine, wendige Zaunkönig sein Schimpfgezeter beendet hat, nimmt der erfahrene Birschführer seinen Blatter aus dem Lederetui, legt die Stimmzunge auf seine eingerollten Lippen und lässt die ersten, zarten Töne erklingen. Lieblich, fein und in alle Richtungen strömen die Töne in den Hochwald hinein, sollen die nahe Eichendickung umgarnen und den alten Bock bezirzen, ihn bestenfalls von seinem Lager heben.
Gelsengeschwirre, schwüle Mittagszeit, Taubergurren. Sonst kein Anzeichen von der Rehbrunft. Nach einer guten Zeit des Einswerdens mit dem Wald werden die Lippen neuerlich gerollt, und das schmale Blättchen schwingt in den feinsten Tönen, diesmal schon etwas energischer. „Piäää, Piäää!“, mit dem Sprengruf endend. Dieser Ruf lässt keinen Bock kalt, und oft schon hatte der Birschführer genau mit dieser Inszenierung seinem Jagdgast den mit Schweiß benetzten Beutebruch überreichen dürfen.
„Piäää, Piäää!“ Da flitzt ein roter Schatten durch den Fichtenanflug neben der Eichendickung. Der Griff zur Büchse geschieht beinahe automatisch, sie liegt schussbereit im Anschlag. Jetzt wieder ein leiseres Fiepen, und da prescht der Liebestolle auch schon herbei. Er hält nicht mehr vor den überraschten Jägern, springt an ihnen vorbei und verliert sich in der rückseitigen Naturverjüngung.
Ansprechmerkmale | |
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Jahrlinge | hochläufig, gerade Rücken- und Bauchlinie, jugendlicher, neugieriger „Gesichtsausdruck“, die Stellung der noch hohen Rosenstöcke ist parallel und eng zueinander – häufig auch nach innen gestellt, dünn und lang wirkender Träger. Ist ein älterer Platzbock vor Ort bekannt, dann häufig zögerliches, vorsichtiges, ängstlich wirkendes Springen auf das Blatt. |
Zweijährige Böcke | häufig dunkle Stirnplatte, ansonsten noch keine nennenswerten Unterschiede zu Jahrlingen. |
Mittelalte Böcke | Die 3–4-jährigen Böcke stehen in ihrer Lebensmitte und sind im Wildbret kräftiger gebaut, der Träger wirkt bereits stärker, häufig noch lang, und die Färbung am Haupt erscheint oft bunt, oftmals mit einem Muffelfleck versehen. Diese Böcke gelten als die „Halbstarken“ in den meisten Rehrevieren, strotzen vor Kraft und zelebrieren das mittels angezeigtem Kampfgeist beim Plätzen und Fegen. |
Reife Böcke | Alte Böcke zeigen sehr oft ein kantiges Haupt, einen „grantigen“ Blick, einen deutlich erkennbaren Widerrist, einen starken Träger und einen gedrungenen Wildkörper sowie eine nach vorn verlagerte Masse. Die Rosenstöcke sitzen tief auf dem Haupt und stehen schon gut sichtlich auseinander. Dachrosen sind dabei kein unbedingtes Altersmerkmal für überreife Böcke – kann sein, muss aber nicht. Auch Tellerrosen sind bei diesen „Opas“ häufig zu sehen. |
„Piä, Piäää!“ Da kommt er schon wieder laut keuchend zurück und verhofft neuerlich mit freiem Blatt. „Das ist er! Schieß!“, und schon reißt es den liebestollen Getäuschten von den Läufen. Nach einer letzten tiefen Flucht bleibt der Bock in Sichtweite verendet liegen.
Jetzt gilt der Schulterschlag dem Schützen, und mit einem „Weidmannsheil“ und einem „Weidmannsdank“ beginnt die Totenwache schon auf der Ansitzleiter. Es gehört sich nicht, dass man gleich hinstürmt. Man hat geerntet, einen alten Recken aus dem Leben gerissen und schuldet der verendeten Kreatur den nötigen Respekt. Dies ist des Jägers Ehrenpflicht.
Als der blaue Dunst der vierten Zigarette das Kronendach erreicht, ist es Zeit, sich die Beute anzueignen. Schritt für Schritt setzen die beiden Jäger ihre Bergschuhe auf dem Weg zum Anschuss durch die Brombeeren. Nur noch wenige Meter bis zum Gestreckten, und die Vorfreude ob des Jagderfolges steigt. Jetzt noch die Brombeerstaude vom Träger lösen, verschlungen im stacheligen Gerank hat sich der Bock sein letztes Lager gesucht. Da entfährt es dem Birschführer: „Das ist er nicht – das ist ein Junger!“
Solche oder ähnliche Geschichten kann man, wenn auch selten, von ehrlichen Jägern am Stammtisch hören. Wahrscheinlich doch eher bei einem Vieraugengespräch, resümierend nach vielen erlebten Rehbrunften. Die Unfehlbaren können da nicht mitreden. Wer Böcke bereits am Schrecken voneinander unterscheiden kann, Plätz- und Fegestellen im Revier nach dem Alter des Bockes kategorisiert und die Anzahl der Stirnlocken sowie das Vorhandensein von Teller- und Dachrosen als sicheres Altersmerkmal zu deuten weiß, gibt sich nicht mit Anfängern ab.
Man lernt nie aus
Je länger man auf Rehwild jagt, desto mehr gewinnt man die Erkenntnis, dass Rehböcke nicht nach ihrem exakten Alter angesprochen werden können. Man lernt im Laufe der Jahre, Rehe nach ihrem groben Alter – Bockkitz, Jahrling, zweijähriger, mittelalter (3- bis 4-jährig), alter (5- bis etwa 6-jährig) und sehr alter Bock – voneinander zu unterscheiden. Viele Aussagen zu Altersmerkmalen von Rehböcken entpuppen sich bei näherer Betrachtung als Verallgemeinerungen von Einzelbeobachtungen, als überlieferte Gerüchte ohne wissenschaftliche Belege oder gar als praxisfern.
Mehr ist auch im Hinblick auf die Jagdgesetze in den meisten Bundesländern Österreichs nicht notwendig. Eine artgerechte Bejagung des Rehwildes in einer Kulturlandschaft, mit hohen Fallwildverlusten auf Verkehrswegen, ist mit diesem System durchaus gegeben. Wer sein Handeln kritisch hinterfragt und versucht, nach erfolgter Erlegung eines Stückes Rehwild über zusätzliche Bestimmungshilfen seine vorherige Alterseinschätzung zu beurteilen und zu überprüfen, wird nicht selten vom Ergebnis überrascht sein. Will man sich zu 100 % sicher über die Altersansprache sein, muss man die Rehe als Kitze markieren. Anhand dieser Markierungen mit Farben und Nummern lassen sich später eindeutige Altersangaben aussprechen und zuordnen. Und das war’s auch schon mit 100 %iger Ansprache vor dem Schuss. Kiefer, Nasenscheidewand, Stirnnaht, Schlossaufschneiden, Auskochen usw. kommen erst später als Ansprechmerkmale hinzu, wenn der Bock bereits vor dem Kühlraum liegt oder hängt.
Erfahrungen sammeln
Rehwilderfahrung zu sammeln, bedeutet, sehr viel im Revier unterwegs zu sein und unzählige Beobachtungen zu den verschiedensten Jahreszeiten zu machen. Es beginnt bereits Ende Februar, wenn die ersten Fege- und Plätzstellen im Rehrevier zu finden sind. Zu diesem Zeitpunkt beginnen die territorialen Einstandskämpfe der zumeist älteren Böcke. Nach einem Abfall des Testosteronspiegels im Frühjahr steigt dieser vor der Brunft wieder an, und auch jetzt kann man wieder frische Fegestellen im Revier finden und entsprechend deuten.
Die vorsichtig erscheinenden Attribute, wie zumeist, häufig oder manchmal, sind auf die Ergebnisse der Forschungsarbeiten des Herzogs von Bayern in den Wildalpen zurückzuführen, wo bekanntlich jedes bis dahin fast schon religiös verbreitete Ansprechmerkmal widerlegt wurde und diese Ansprechunterschiede in jeder Altersklasse, wie auch bei uns Menschen, vorkommen können.
Auch vereinzelte Negativerfahrungen im Sinne von erlegten und vorher falsch angesprochenen Stücken zählen zum Lernprozess eines langjährigen Rehkenners.
Beim schnellen Ansprechen und Erlegen, und dies ist in der Brunft häufig der Fall, sind einige Kriterien für den Jäger hilfreich, jedoch auch hier ist nichts hundertprozentig! Vor allem regionale Unterschiede, welche die Gesichtsfärbung oder die Körpergröße betreffen, sind am jeweiligen Blattjagdstandort zu berücksichtigen. Ein ungarischer Feldbock steht anders da als ein Brunftbock in einem waldreichen Revier mit hohem Wildbestand.
Hauptbrunft
Der Blattjäger wird zu Beginn der Brunft und gegen Ende der Reh-Hochzeit seine erfolgreicheren Tage auf ältere Böcke im Jagdkalender markieren können. Bei einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis werden häufig Jahrlinge in den Tagen der Hauptbrunft springen. Sie suchen, alleinstehend, nach weiblichen Stücken und reagieren in dieser Zeit häufiger auf den Ruf des Jägers als ältere Böcke, die ihren Windfang unmittelbar hinter dem brunftigen Feuchtblatt einer Geiß trainieren und diese dann auch – nicht selten mehrfach – beschlagen.
Springt ein Bock auf die jeweiligen Blattstrophen, so ist es sehr oft der erste Gesamteindruck, der sich letztlich auch als richtig entpuppt. Der Wildkörper, das Verhalten des Stückes, die Färbung des Hauptes, die Deckenfärbung und letztlich natürlich auch das Geweih geben Aufschluss über Erlegung oder Schonung. Wenn man viel Zeit zum Ansprechen hat und die Sehnsucht nach Erfolg den Bock um 2–3 Jahre älter machen will, ist das ein Indiz dafür, dass man am ersten Eindruck festhalten sollte.
Wie auch viele Lehren in unserem Berufsleben mit Erfolgen und Misserfolgen durchlebt werden müssen, so ist auch beim Ansprechen von Böcken, vor allem beim schnellen Ansprechen, noch kein Meister vom Himmel gefallen. Praxis, Praxis, Praxis und viel Training sind jene Ratgeber, die ich an dieser Stelle gerne mitgeben möchte.
Gewinnspiel
Nun sind Sie an der Reihe: Wie alt ist der Bock über dem Titel – und würden Sie ihn erlegen? Bitte schreiben Sie uns Ihre Meinung:
Redaktion WEIDWERK,
Kennwort „Ansprechen“,
Wickenburggasse 3,
1080 Wien,
E-Mail: gewinnspiel@weidwerk.at
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