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So macht man Auerwild schutzlos glücklich

25. März 2024 -
Auerwild - © Sven-Erik Arndt
© Sven-Erik Arndt

Das Auerwild gilt als Paradebeispiel, dass Schutz allein nicht das Überleben einer Tierart sichert. Im Gegenteil: Nur durch die jagdliche Nutzung können diese Raufußhühner vor dem Aussterben bewahrt werden.

Noch ist es stockdunkel, doch der Auerhahn macht bereits vom Balzbaum aus mit seinen Strophen auf sich aufmerksam. Die sich ständig wiederholenden „Gsetzln“ dauern jeweils etwa sechs Sekunden an und bestehen aus Glöckeln, Triller, Hauptschlag und Schleifen. Erst als die Sonne langsam über den Berggrat blinzelt, verlässt der Hahn seinen Ausblick und geht zur Bodenbalz über. Immer wieder ersetzt er das Schleifen dabei mit einem Flattersprung, bei dem er bis zu zwei Meter in die Luft flattert und laut polternd auf den Boden zurück­kehrt. Ein Verhalten, das nicht nur der Reviermarkierung, sondern auch der Territorialverteidigung dient. Kann man dieses Naturschauspiel selbst im Revier beobachten, sollte man bedenken, dass der Testosteronspiegel des Auerhahns in der Balz bis zu ­hundertmal höher ist als sonst und er dementsprechend sein Revier vehement gegen unerwünschte Artgenossen verteidigt. Menschen, die zu dem Zeitpunkt sein Revier betreten, werden in der Regel gemieden. Nur in Ausnahme­fällen gibt es Hahnen, die auch ­Menschen angreifen.

Urig

Auerhahn und -henne sind selbst für ornithologisch unbewanderte Menschen einfach zu differenzieren. Das männliche Auerwild erreicht eine Flügelspannweite von 90 cm, ein Gewicht von 3–5 kg und verfügt über ein auffälliges, dunkles Erscheinungsbild. Der blaugraue Stingel des Urhahns geht in einen metallisch grünen Brustbereich über. Im Gegensatz zu den schwarzen Stoßfedern, die mit einer weißen Sprenkelung versehen sind, sind die Schwingen des Urhahns braun – mit einem weißen Fleck am Schwingen­ansatz. Mit einer Flügelspannweite von etwa 70 cm und einem Körpergewicht von lediglich 1,5–2 kg ist die Henne ­wesentlich ­zierlicher als ihr männliches Pendant. Darüber hinaus ist sie in ein un­auf­fälliges, rotbraun gesprenkeltes Feder­kleid gehüllt, das sie während der Brut bestens tarnt.
Im Gegensatz zur Geschlechts­bestimmung ist die Altersbestimmung beim Auerhahn selbst für Profis keine einfache Sache. Prinzipiell wird das Auerwild in freier Wildbahn etwa 10–12 Jahre alt, wobei es mindestens drei Jahre dauert, bis die Individuen ausgewachsen sind. Eine Altersbestimmung auf das Jahr genau ist kaum möglich, jedoch kann man zwischen Schneidern (einjährige Hahnen), jungen Hahnen (2–4-­jährig), mittelalten (5–8-jährig) und alten Auerhahnen unterscheiden. Als Ansprechhilfen für die Alters­bestimmung dienen der Brocker, die Schaufelfedern sowie die Relation von Stoßlänge zu Körpergröße. Hahnen im ersten Lebensjahr können durch ihre kürzeren, schmäleren und abgerundeten Stoßfedern identifi­ziert werden. Hinzu kommt, dass die beiden mittleren Schaufelfedern einen weißen Endsaum aufweisen. Junge Hahnen ver­lieren diesen in der Mauser des zweiten Sommers. Anhand der ­geringeren Schnabelhöhe von 2,5 cm – bei älteren Individuen etwa 3 cm – kann man sie jedoch noch von den Altvögeln unterscheiden. Bei mittel­alten Individuen ist der Brocker gut gekrümmt und dunkel gefärbt. Während der Balz ist der Stoß in der Höhe des Kopfes, und die Schaufelfedern wirken am Ende nicht mehr abgerundet. Bei alten Auerhahnen ist der Brocker nicht nur dunkelgelb gefärbt, sondern auch ähnlich stark gekrümmt wie jener des Adlers. Der Stoß dominiert in Relation zur Körpergröße, und die Schaufel­federn enden relativ scharfkantig. Hauptmerkmal ist jedoch das matt wirkende Federkleid.
Geschlechtsreif sind die männ­lichen Individuen bereits nach dem ersten Winter, in optimalen Beständen gelangen jedoch aufgrund einer gesunden Sozialstruktur und Rangordnung selten Auerhahnen vor dem dritten Lebensjahr zum Tretakt. Die Hennen sind nur für einen kurzen Zeitraum während der Hochbalz empfängnisbereit. Nach einer Brutzeit von etwa 26 Tagen schlüpfen 7–8 Küken. Vor allem in den ersten beiden Wochen müssen die Nestflüchter von der Henne gehudert werden, da sie ihre Körpertemperatur noch nicht selbst kontrollieren können. Doch die Entwicklung schreitet schnell voran, und bereits nach zehn Tagen können die Jungen kurze Strecken streichen und aufbaumen, wodurch sie für Räuber keine einfache Beute sind. Um dauerhaft überleben zu können, ist jedoch mehr notwendig, als nur potenziellen Fressfeinden aus dem Weg zu gehen. Das Um und Auf ist ein passender Lebensraum.

"Der Idealismus, die Leidenschaft und das Engagement der Jägerschaft sind essenziell,
um das Auerwild zu erhalten."
– Benedikt Terzer, Südtiroler Jagdverband

Auerhahn - © Stefan Kerer

© Stefan Kerer

Schützen durch Nützen

Das Auerwild ist in vielen Gebieten Europas vom Aussterben bedroht.
Der Hauptgrund für diesen starken Bestandes­rückgang ist der Verlust von geeigneten Lebensräumen. In Südtirol hat sich gezeigt, welche Auswirkungen es haben kann, wenn sich niemand um den Lebensraum des Wildes kümmert. Im Jahr 1984 wurde dort das Auerwild unter Schutz gestellt, da man sich eine Erholung der Bestände erhoffte. Das genaue Gegenteil traf jedoch ein, da sich die Jägerschaft nicht mehr um die Art kümmerte und die Wildtiere auf sich allein gestellt waren. Eine bloße Unter-Schutz-Stellung löst also nicht das Problem.
Eine überlegte Zusammenarbeit zwischen Jägern und Förstern kann somit nicht nur Auerwildlebensräume er­halten, sondern auch erschaffen. Man muss „lediglich“ auf die Bedürfnisse der charismatischen Raufußvögel eingehen. Optimale Lebensraumvoraussetzungen für das Auerwild bietet ein gut strukturierter Hochwald mit diversen Baumarten sowie ausreichend Bodenbewuchs in Form einer Kraut- und Beerenschicht. Neben der Pflanzen­arten­zusammen­setzung ist jedoch auch auf die Infrastruktur zu achten, denn das Auerwild muss sich nach wie vor im Wald fortbewegen können. Dabei spielt nicht nur der Bestockungsgrad eine entscheidende Rolle, auch das Anlegen von Flugschneisen ist essenziell für das Auerwild.

Auerhahn - © Stefan Kerer

© Stefan Kerer

Vorzeigerevier Rosenkogel

Das Auerwildrevier von Franz Meran auf dem Rosenkogel in der Steiermark dient als Vorzeigerevier für eine ­nachhaltige Auerwildbewirtschaftung. Im Revier befinden sich keine reinen Fichtenbestände, es wurden vielmehr Mischwälder mit Lärchen, Kiefern, Bergahorn und Buche gefördert, wobeizum Teil auch einzelne Bergahorn ­eingebracht wurden. Mehlbeeren und Elsbeeren wurden bewusst kultiviert, um dem Auerwild nicht nur Nahrung, sondern auch schützende Deckung vor Prädatoren zu bieten. Im Vorzeige­revier wurden einige Kleinkahlschläge an­gelegt, da diese aus­gezeichnete Brutgelegenheiten bieten. Weiters wurde darauf geachtet, dass unterschiedliche Lichtverhältnisse vorherrschen und dementsprechend keine geraden, sondern bewusst wellige und gebuchtete Ränder erstellt. Auch beim Anlegen der Forstwege wurde Rücksicht auf das Auerwild genommen. Lang gestreckte, gerade Forstwege würden dafür sorgen, dass sie als Jagdschneise für Habicht und Adler dienen. Stattdessen wurden die Wege zum Großteil s-förmig angelegt, was den Randlinien­effekt ­erhöht und gleichzeitig mehr Schutz bietet.
Wichtig ist es auch, im Revier für Überblick zu sorgen, da das Auerwild somit frühzeitig potenzielle ­Prädatoren enttarnen kann. Nicht nur Geländekanten, sondern auch umgeworfene Bäume und Wurzelstöcke gewähren auf dem Rosenkogel ausreichend Überblick und Sicherheit. Wurzelstöcke ­liefern jedoch einen zusätzlichen ­Vorteil: Sie bieten nicht nur optimalen Schutz vor diversen Witterungs­einflüssen, sondern werden darüber hinaus gern als Huderpfanne genutzt.
Soll das eigene Revier – sofernder Lebensraum auerwildtauglich ist und diese Raufußhühner vorkommen – ebenfalls zu einem Vorzeigerevier avancieren, können 12 Eckpfeiler für eine nach­haltige Waldbewirtschaftung festgemacht werden:

Auerwildhege

  • räumliche Ordnung
  • Jungwuchspflege und Durchforstung
  • Barrieren vermeiden
  • Forststraßen überlegt anlegen und nutzen
  • Zäune sichtbar machen
  • Randlinienangebot erhöhen
  • Aufforstung
  • Ameisenburgen
  • Holznutzung jahreszeitlich abstimmen
  • auf granulierte Düngung verzichten
  • Aus- und Weiterbildung für Jagd- und Forstpersonal
  • Öffentlichkeitsarbeit