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Wildbret: Hygiene, Vermarktung, Rezepte

1. Februar 2024 -
Wildbret: Hygiene, Vermarktung, Rezepte  - Beim Aus-der-Decke-Schlagen ist darauf zu achten, mit der unreinen (nicht messer­führenden) Hand, die die ­Decke vom Fleisch abzieht, nicht auf das Fleisch zu ­greifen. - © Barbara Marko
Beim Aus-der-Decke-Schlagen ist darauf zu achten, mit der unreinen (nicht messer­führenden) Hand, die die ­Decke vom Fleisch abzieht, nicht auf das Fleisch zu ­greifen. © Barbara Marko

Kürzlich fand eine interessante Informationsveranstaltung des NÖ Jagdverbandes im Weinviertel statt, bei der nicht nur Wissenswertes zur Direktvermarktung, sondern auch zur Lebensmittelkontrolle und zur Wildbrethygiene zu hören war. – 2. Teil: Wildbrethygiene und Haltbarkeit.

Was bedeutet die Haltbarkeit eines Lebensmittels und wie bestimmt der Jäger die Haltbarkeitsdauer des von ihm abgegebenen Wildfleisches? – ao. Univ.-Prof. Dr. Peter Paulsen vom Institut für Lebensmittelsicherheit, Lebensmitteltechnologie und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin (Vet.-Med. Universität Wien) gibt wertvolle Einblicke in diese komplexe Materie:
Als Lebensmittelunternehmer gibt man Angaben zum Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum. Innerhalb dieser Frist und bei Einhaltung der angegebenen Lagerungstemperatur muss das Lebensmittel noch „in Ordnung“ sein. Als Haltbarkeit bezeichnet man also jene Frist, in der das Lebensmittel – in ­unserem Fall Wildfleisch – seine ­typischen Eigenschaften, wie Farbe, Konsistenz, Safthaltung, Geruch und Geschmack, aber auch den Gehalt an Nährstoffen behält und dass die Anzahl der Bakterien in einem annehmbaren Bereich liegt. Als verdorben gilt ein Lebens­mittel dann, wenn nachteilige Veränderungen mit den Sinnen, etwa dem Geruchssinn, erkennbar sind. Wenn das Wildbret zum Beispiel schleimig ist, ammoniakalisch riecht o. dgl., ist es verdorben und kein Lebensmittel mehr.

Einfluss der jagdlichen Technik

Einige der Fleischeigenschaften werden von den Jägern schon bei der Erlegung „festgelegt“: Optimal ist es, wenn das Wildtier möglichst vertraut ist und im Feuer verendet. Wenn es allerdings noch einen halben Kilometer weit flüchtet, überhitzt es und verbraucht die vorhandene Energie, wodurch das Fleisch nach dem Tod nicht gut säuern kann und rasch verdirbt. Auch wenn man ein erlegtes Stück Wild – warum auch immer – erst nach Stunden versorgt, kann der unausgeweidete Tierkörper überhitzen, wodurch das Fleisch unter Umständen zu schnell säuert und wegen erhöhter Wässrigkeit einen Qualitätsmangel aufweist. Das heißt: Die jagdliche Technik nimmt Einfluss auf die Haltbarkeit. Deswegen ist es oft gar nicht so einfach, in Bezug auf die Haltbarkeitsdauer eine Zahl zu definieren. Wenn man zum Beispiel die Schlögel zweier Rehe vor sich hat und beide einen ­sauberen Eindruck erwecken, ist es dennoch möglich, dass beide eine unterschiedliche Vorgeschichte haben.
Die Haltbarkeit wird aber auch ­dadurch beeinflusst, ob die Keim­belastung im Zuge des Aus-der-­Decke-Schlagens und Zerwirkens vom Jäger gering gehalten werden kann. Hierbei spielen selbstverständlich die räum­liche Ausstattung und die Einhaltung einer „Guten Hygienepraxis“ eine wichtige Rolle.

Reinigung & Desinfektion

Reinigung und Desinfektion sind die Mittel der Wahl, die gewährleisten, dass sämtliche Oberflächen, die Kontakt mit dem Wildfleisch haben, nach der Arbeit wieder sauber gemacht werden können. Aber: Wenn man reinigt und desinfiziert, darf die Reinigungshilfe nicht schmutziger sein als das, was geputzt werden soll! Wenn man also einen Blick in die eigene Küche und insbesondere auf den Küchenschwamm wirft, wird diese Problematik rasch klar: Der Küchenschwamm ist als Einweg­artikel nur am ersten Tag der Verwendung wirklich „sauber“ und sollte daher auch im ­Zerwirkraum nicht wochenlang verwendet werden.
Letztlich sind auch die Hände eine Quelle von Verunreinigungen. Wenn man zuerst etwas „Schmutziges“ und dann etwas „Sauberes“ angreift, werden nicht nur Duftstoffe, sondern auch Mikro­organismen übertragen. Wenn beim Aus-der-Decke-Schlagen zum Beispiel mit einer Hand die Decke/Schwarte außen ergriffen und danach mit der­selben Hand das Fleisch berührt wird, werden die Bakterien der Haut praktisch auf das Fleisch „gestempelt“. Es ist daher wichtig, die Hände zwischendurch immer wieder zu waschen bzw. die Einmalhandschuhe von Zeit zu Zeit zu wechseln. Zum Reinigen benötigt man genau genommen nur heißes ­Wasser und Seife. Alle lebensmittel­berührenden Flächen müssen nach der Reinigung desinfiziert werden. Das kann durch >82 °C heißes Wasser oder mit einem Desinfektions­mittel geschehen. Es sind Des­infektionsmittel auf Alkoholbasis erhältlich, aber auch Kombi­präparate, die reinigen und desinfizieren. Bei den meisten Präparaten muss mit Trinkwasser nachgespült werden. Die Oberflächen müssen vor dem nächsten Gebrauch trocknen.

Wildbret: Hygiene, Vermarktung, Rezepte  - In einem Lagerversuch können Farbe, Geruch und Flüssigkeits­ansammlungen des Wildfleisches überprüft und so die ­Haltbarkeit eruiert werden: Hat sich die Farbe verändert? Riecht das Fleisch ­anders? - © Barbara Marko

In einem Lagerversuch können Farbe, Geruch und Flüssigkeits­ansammlungen des Wildfleisches überprüft und so die ­Haltbarkeit eruiert werden: Hat sich die Farbe verändert? Riecht das Fleisch ­anders? © Barbara Marko

Hygiene als Vorleistung

Sämtliche Tätigkeiten bei guter Ausweide-, Zerlege- und Kühltechnik führen dazu, dass sich auf einem Quadrat­zentimeter Fleisch etwa 100 bis 10.000 Bakterien finden. Ein Bakterium ist winzig klein, sodass 10.000 Bakterien pro Quadratzentimeter zwar nach viel klingen, aber ungefähr so viel Platz ausfüllen wie eine Fußballmannschaft auf einem Fußballfeld. Ob hundert oder zehntausend Bakterien: Es handelt sich in beiden Fällen um Mengen, bei denen der Mensch das Fleisch in Farbe und Geruch als „perfekt“ beschreiben würde. Wenn man das Fleisch aber lagert, macht sich der Unterschied – ein ­Faktor von hundert – später bemerkbar, denn das Keimwachstum potenziert sich. Arbeitet man also hygienisch, schafft man die Grundlage dafür, dass das Fleisch lange haltbar ist. Den Effekt erkennt der Lebensmittel­unter­nehmer daher nicht sofort, sondern erst 10–14 Tage später (Hinweis: Der Direktvermarkter muss Frischfleisch oder Fleisch­erzeugnisse binnen 7 Tagen in Verkehr bringen). Er investiert sozusagen in die Zukunft des Fleisches. ­Hygiene ist daher als eine Art ­Vor­leistung zu sehen, die man erbringt. Die Früchte erntet letztlich der ­Konsument.
Ab etwa 1–10 Mio. Bakterien pro Quadratzentimeter beginnt man zu riechen, dass mit dem Fleisch etwas nicht in Ordnung ist (ammoniakalischer Geruch). Es ändert sich auch die Farbe, und dieser Schritt von etwa 100–10.000 auf eine Mio. bis zehn Mio. Bakterien pro Quadratzentimeter Wildfleisch stellt praktisch die Haltbarkeitsspanne dar, und diese hängt wiede­rum stark von der Lagerungstemperatur ab. Vakuumiertes Wildfleisch erreicht bei etwa 0 °C die längste Haltbarkeit, die im Idealfall – bei einer Ausgangskeimbelastung von 100 Bakterien/cm² – knapp drei Wochen betragen kann. Wie abhängig die Haltbarkeit von der Lagertemperatur ist, zeigt der Umstand, dass dasselbe Fleischstück bei einer ­Lagertemperatur von 8 °C, wie sie oft in einem gewöhnlichen Haushalts­kühlschrank vorherrscht, bereits nach sieben Tagen verdorben ist. Bei einem mit Weichschuss erlegten Stück Wild sind die Voraussetzungen allerdings völlig andere: Hier ist der Jäger mit einer wesentlich höheren Ausgangskeimbelastung konfrontiert, und die Haltbarkeit schrumpft, selbst bei niedrigster Lagertemperatur, auf nur wenige Tage. Die Haltbarkeit ist also abhängig von:

  • der Sauberkeit des Tierkörpers (Ausgangskeimbelastung)
  • der Lagertemperatur
  • der Arbeitsweise des Lebensmittelunternehmers (Gute Hygienepraxis)

Mit Lagerversuchen kann der Lebensmittelunternehmer die Haltbarkeit des Wildfleisches eruieren, indem er zum Beispiel mehrere Packungen Wild­gulasch herstellt, vakuumverpackt, im eigenen Kühlschrank lagert und regelmäßig auf Farbe, Geruch und Flüssigkeits­ansammlungen kontrolliert; nach drei oder fünf Tagen wird die erste Packung geöffnet, nach weiteren drei Tagen die nächste usw. Warum gerade Wildgulasch? – Je kleiner das Fleisch geschnitten ist, desto kürzer die Haltbarkeit. Der so ­ermittelte Wert gilt daher problemlos auch für größere Fleischteile.

Fazit

Optimale Bedingungen – Blattschuss, geringe Ausgangskeimbelastung, Gute Hygienepraxis in allen Arbeitsschritten – vorausgesetzt, kann bei Temperaturen von 2–4 °C in der Regel von einer Haltbarkeit von etwa 10 Tagen (inkl. Puffer) ausgegangen werden. Die Haltbarkeit kann beispielsweise wie folgt angegeben werden: „Bei einer Temperatur von +2 °C bis +4 °C mindestens haltbar bis: Tag, Monat, Jahr“. Achtung: Faschiertes oder rohe Bratwürste sind noch am Tag der Herstellung zu verbrauchen.

Im 3. Teil geht es um Zerwirkraum­ausstattung und Lebensmittelkontrolle.