Drachenfliegen

Südliche Mosaikjungfer © Wolfgang Hauer

Unglaubliche Flugkünste, prächtige Farben und eine beeindruckende Verwandlung – Libellen haben einiges zu bieten. Ein Ausflug in die spektakuläre Welt dieser eindrucksvollen Fluginsekten.

Libellen gehören zu den erdgeschichtlich ältesten Insekten überhaupt. Bereits im Pennsylvanium, also vor rund 300-320 Millionen Jahren, flogen Urlibellen mit einer Flügelspannweite bis zu 70 cm durch die sumpfigen Wälder. Ein mögliches Andenken an diese prähistorische Vergangenheit der akrobatischen Flieger findet sich im englischen Sprachgebrauch. Dort werden Libellen nämlich als „Dragonflies“ – also quasi als „Drachenfliegen“ – bezeichnet.
Derzeit sind weltweit rund 6.350 Arten bekannt, ca. 120 davon leben in Europa und in Österreich sind davon 78 anzutreffen. 28 davon zählen zu den Kleinlibellen und 50 zu den Großlibellen.
Aktuell ist die Zukunft dieser wunderschönen Insekten allerdings ungewiss, denn der Mensch hat innerhalb weniger Jahrzehnte die Lebensräume der Libellen nachhaltig beeinträchtigt.

Eine Frage des Lebensraumes

Die Larven einiger Libellenarten fühlen sich in stehenden oder langsam fließenden Gewässern, wie Tümpeln, Teichen, Gartenbiotopen und extensiv genutzten Fischteichen, wohl. Andere Arten hingegen sind recht anspruchsvoll und können nur in ganz bestimmten Habitaten überleben.
Die Quelljungfern zum Beispiel bevorzugen kleine und schnell fließende Bäche. Andere, wie zum Beispiel die Prachtlibellen, kommen in vegetationsreichen kleinen Bächen ebenso vor, wie an großen ruhigen Flüssen. Sogar die Uferzonen größerer Seen bieten einigen Libellenarten ideale Habitate, wie etwa der kleinen Zangenlibelle oder der gemeinen Keiljungfer. Geeignete Lebensräume sind,, wie bei vielen anderen bedrohten Tierarten auch, die Grundvoraussetzung für das Überleben.

Am Anfang war das Ei?

Ob nun die Libelle oder das Ei zuerst da war, lässt sich nicht restlos aufklären. Fest steht jedoch: Eiablage ist nicht gleich Eiablage – auch hier gibt es erhebliche Unterschiede bei den verschiedenen Libellenarten.
Manche Arten verstreuen ihre Eier während des Fluges über feuchtem Moos oder Flachwasser­zonen. Die Heidelibellen tun dies sogar in Tandemstellung. Die Weibchen der meisten Edellibellen stechen ihre Eier mit ihrem Legestachel in Pflanzen unter der Wasseroberfläche. Andere Arten kriechen zur Eiablage sogar zur Gänze unter die Wasseroberfläche, wie zum Beispiel die große Pechlibelle.
Nachdem die winzigen Prolarven aus den Eiern geschlüpft sind, beginnt für die eigentlichen Larven ein räuberisches Leben unter Wasser. Dabei müssen sie mehrere Häutungen vollziehen, um wachsen zu können. Sowohl deren Anzahl als auch die Dauer ihres Larvendaseins kann je nach Art variieren und zwischen einem und mehreren Jahren dauern.
Während sich die eher robusten Larven der Großlibellen durchaus von Amphibienlarven und kleinen Fischen ernähren, begnügen sich die filigranen Larven der Kleinlibellen meist mit anderen Insekten als Nahrung. Durch ihre Färbung gut getarnt, lauern sie regungslos in der Unterwasservegetation auf ihre Opfer oder birschen sich im Zeitlupentempo an sie heran. Um ihre Beute zu fangen, bedienen sich die Larven einer sogenannten „Fangmaske“, die sie in Sekundenbruchteilen nach vorne schleudern können. Einmal gepackt, hat das Beutetier kaum eine Chance zu entkommen, wird zu den Kieferwerkzeugen geführt und langsam ausgesaugt. Andererseits werden Libellenlarven oft selbst zur Beute von Fischen, Molchen und anderen Insektenlarven. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Larven des Gelbrand­käfers und einige Wasserwanzenarten, wie etwa Rückenschwimmer und Stabwanze. Nicht zuletzt sind Libellenlarven Kannibalen und dezimieren so auch ihre eigene Verwandtschaft. Um schwimmen zu können, wenden die Larven verschiedene Techniken an. Großlibellenlarven können sich wie kleine Raketen durchs Wasser katapultieren und so Feinden entkommen. Dieser Vortrieb entsteht durch das plötzliche Ausstoßen von Wasser aus dem Hinterleib. Die Larven der Kleinlibellen sind hingegen eher langsam unterwegs und können sich nur durch schlängelnde Bewegungen ihres flexiblen Hinterleibes mit seinen drei Ruderblättchen fortbewegen.
Am Ende ihrer Entwicklung als Larve kommt es zur finalen Häutung, der Metamorphose. Im Falle der Libellen spricht man von einer unvollständigen Metamorphose, weil es hier kein Puppenstadium wie zum Beispiel bei den Schmetterlingen gibt. Dazu verlässt die Larve ihren bisherigen Lebensraum, das Wasser, und sucht sich einen geeigneten Platz in Gewässernähe, um sich ein letztes Mal zu häuten. Je nach Art und Gegebenheiten kann das ein Schilfhalm, eine Ufermauer oder die Rinde eines ufernahen Baumes sein. Dort verankert sich die Larve mit ihren hakenbewehrten Beinen, sprengt im Bereich von Kopf und Brust ihre Larvenhülle und schlüpft aus der Larvenhaut. Während der Körper bereits der fertigen Libelle ähnelt, hängen die Flügel noch als kleine schrumpelige Lappen herunter. Sie werden langsam mit Hämolymphe aufgepumpt, und es dauert bis zu einer Stunde, bis die Flügel zur Gänze entfaltet sind. Auch wenn die Libelle jetzt schon ihre spätere Form angenommen hat, ist sie noch nicht flugfähig und leichte Beute für Vögel und andere Fressfeinde.

Jungfernflug am Wasser

Erst nachdem der Chitinpanzer und die Flügel getrocknet und ausgehärtet sind, erheben sich die Libellen zu ihrem „Jungfernflug“. Zurück bleibt nur die sogenannte Exuvie, also die Larvenhaut. Übrigens: Spezialisten können anhand dieses Überbleibsels die Art der geschlüpften Libelle bestimmen, und so auch ohne das „fertige“ Insekt (Imago) das Vorkommen einer bestimmten Libellenart belegen.
Die erste Zeit verbringen die meisten Libellenarten abseits des Wassers, gehen dort auf Jagd und entwickeln sich zum geschlechtsreifen, prächtig gefärbten Insekt. Anschließend kehren sie wieder an ihren Geburtsort zurück oder besiedeln neue Gewässer. Dabei kommt es unter den Männchen oft zu Konkurrenzkämpfen um das Revier oder die Weibchen. Zimperlich geht es dabei nicht zu, vor allem bei den Großlibellen fliegen oftmals die Fetzen – im wörtlichen Sinne. Alte Männchen sehen daher gegen Ende ihres Daseins manchmal ziemlich ramponiert aus, was ihrer Flugfähigkeit allerdings keinen Abbruch tut.
Ist die „Auserwählte“ dann endlich gefunden, vereinigen sich die Tiere zu einem in der Tierwelt einzigartigen, herzförmigen Paarungsrad. Dabei ergreift das Männchen mit seinen Hinterleibs­anhängen das Weibchen je nach Art am Hinterkopf oder an der Vorderbrust, und das Weibchen führt ihren Legeapparat zum sekundären Begattungsorgan des Männchens, das sich am zweiten und dritten Segment des Hinterleibes befindet.
In dieser Stellung können unsere Libellen sogar recht gut fliegen, teilweise sitzen sie so aber auch in der Ufervegetation. Doch selbst in dieser Phase kann es zu Übergriffen durch rivalisierende Männchen kommen, die versuchen, sich trotzdem mit dem „vergebenen“ Weibchen zu paaren.

Farbenprächtige Kunstflieger

Gerade die Großlibellen erinnern an kleine Kampfhubschrauber. Ihr kompakter Körper und die unglaublichen Flugkünste faszinieren immer wieder. Dennoch ist der Vergleich mit einem Hubschrauber unzulänglich. Denn kein noch so moderner Heli­kopter kann mit den Flugkünsten der Libellen auch nur annähernd mithalten.
Auch wenn ihre Flügelschlagfrequenz mit rund 30 Schlägen pro Sekunde nicht sonderlich hoch ist, besitzen sie einzigartige Fähigkeiten. Sie können ihre beiden Flügelpaare unabhängig von einander bewegen, das befähigt die Libellen unter anderem zu blitzschnellen Jagdmanövern, mit denen sie andere Insekten erbeuten und sogar während des Fluges fressen können. Sie sind auch in der Lage, rückwärts zu fliegen, auf engstem Raum zu wenden und sogar ähnlich einem Turmfalken im Rüttelflug stillzustehen.
Ein hervorragendes Sehvermögen ist eine weitere Voraussetzung für einen erfolgreichen Jäger, daher haben Libellen große, auch für den Betrachter auffällige Augen. Jedes der beiden riesigen Komplexaugen besteht aus mehreren Tausend Einzelaugen. So wie viele andere Insektenfamilien auch, etwa die Eintagsfliegen, besitzen die Libellen zusätzlich zu ihren großen Komplexaugen noch drei recht kleine „Punktaugen“ auf der Oberseite ihres Kopfes, die hauptsächlich zur Wahrnehmung von hell und dunkel dienen. Ein gutes Sehvermögen ist aber nicht nur für den Beutefang notwendig, sondern auch, um das eigene Revier zu überblicken und vor allem geeignete Partner zu finden.

Intensive Luftraumüberwachung

Die Männchen vieler Großlibellen beanspruchen eigene Reviere, die sie vehement gegen Artgenossen, aber auch andere Libellenarten verteidigen. Dabei sind manche Arten, wie etwa die Große Königslibelle (Anax imperator) oder die Braune Mosaikjungfer (Aeshna grandis), tagsüber fast ständig „on Air“, also in der Luft unterwegs. Bei ihren Patrouillenflügen kommt es regelmäßig zu heftigen Luftkämpfen, bei denen die Männchen im Eifer des Gefechts manchmal sogar ins Wasser stürzen.
Andere Großlibellenarten, wie zum Beispiel Blaupfeile, der Vierfleck oder Heidelibellen, zeigen ein völlig anderes Verhalten. Sie haben Sitzwarten, das können exponiert stehende Schilfhalme oder dürre Äste am Ufer sein. Von dort aus starten sie zu ihren Jagdflügen, um später mit der Beute dorthin zurückzukehren und sie zu verzehren. Aber auch Attacken gegen andere ins Revier eindringende Libellenarten werden von diesen erhöhten Sitzwarten aus geflogen.

Räuber und beute zugleich

Libellen ernähren sich wie ihre Larven räuberisch, sind also Fleischfresser. Ihre bevorzugte Beute sind kleine Wasserinsekten, wie Zuckmücken oder Eintagsfliegen. Allerdings haben sie keine Hemmungen, auch andere Libellen zu fressen, wenn sie diese überwältigen können. Mit ihren kräftigen Mandibeln fressen sie ihre Opfer meist zur Gänze auf, übrig bleiben oft nur die substanzlosen Flügel.
Doch auch die Libellen selbst haben viele Feinde. Vor allem Kleinlibellen verfangen sich oft in den Netzen von Radspinnen, die in der Ufer­vegetation gespannt sind. Auch andere räuberische Insekten, wie beispielsweise die Raubfliegen, sind durchaus in der Lage, Kleinlibellen zu erbeuten. Die meisten Vögel sind nicht schnell genug, fliegende Großlibellen zu fangen.
Eine Ausnahme bilden die farbenprächtigen Bienenfresser. Diese Zugvögel sind oft mit Groß­libellen im Schnabel zu beobachten, die sie bei ihren rasanten Jagdflügen erbeuten konnten. Kommen Libellen dem Wasser zu nahe, können sie auch weniger eleganten Räubern zum Opfer fallen, etwa den Wasserfröschen, die sie mit ihrer langen, klebrigen Zunge aus der Luft fischen.

Gesamt
0
Aktien
Vorherige
Anzeigentarife
Wo Tod ist, ist auch Leben: Ein Rotbuchenkeimling wächst auf einem abgestorbenen Baumstamm.

Anzeigentarife

Hier können Sie eine Anzeige im WEIDWERK buchen und auswählen, ob diese auf

Nächste
Zeitumstellung: Vorsicht im Frühverkehr
Feldhase sitzt am Straßenrand vor einer blühenden Wiese mit Kamillen

Zeitumstellung: Vorsicht im Frühverkehr

Wildtiere müssen sich erst anpassen: NÖ Jagdverband appelliert, Tempo

Das könnte dir auch gefallen
Enable Notifications OK No thanks