Reportage

Heiße Eisen

14. Oktober 2021 -
Heiße Eisen - © Barbara Marko
© Barbara Marko

In der Messerschmiede von Andreas Heitzmann finden Metalle ihre Vollendung. Akribisch gefertigt und liebevoll veredelt, verleiht er seinen Messern den letzten Schliff – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die östlich von Wien gelegene Zweitausendseelengemeinde Orth an der Donau empfängt uns unter einer dunkelgrauen Wolkendecke. Leichter Regen fällt und lässt das Marchfeld etwas trostlos erscheinen. Doch als sich, am Ziel angekommen, die Türe öffnet und uns das sonnige Lächeln von Messerschmied Andreas Heitzmann entgegenstrahlt, löst sich die ­bedrückende Stimmung sofort auf. Sogleich führt er uns durch seine geräumige Werkstatt direkt zum Herzstück des Gebäudes: seiner Schmiede.
Schnell wird klar, dass sich seine Liebe zu Details und Feinheiten nicht auf den Amboss beschränkt. Laufend werden Anekdoten und Wissenswertes zu Einrichtung, Maschinerie, Werkzeugen und den mannigfaltigen Gegenständen und Materialien geteilt. Man hört und sieht, dass Andreas mit ganzem Herzen für sein Handwerk brennt.

WEIDWERK Jagdmesser "Hybrida Mooreiche"

Heiße Eisen - © Barbara Marko
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Heiße Eisen - © Barbara Marko
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Aller Anfang

Seit 2016 mit dem Aufbau seiner Schmiedewerkstatt beschäftigt, findet Andreas keine ruhige Minute – wobei er auch nicht den Eindruck erweckt, sie zu suchen. Neben den fortlaufenden Arbeiten an Gebäude und Werkstatt hält er sich selbst mit Schmiedekursen, der Holz­stabilisierung (ein Verfahren zur Holz­härtung), seinem Schleifservice und natürlich der Messerfertigung auf Trab.

Sein deklariertes Ziel, hochwertige Klingen zu schaffen, ist treibende Kraft und spornt Andreas laufend zu innovativen Werkstücken an. Da eine dieser Schöpfungen, eine Novität im Segment der Jagdmesser, künftig auch als exklusive WEIDWERK-Sonder­edition verfügbar sein wird, haben wir den erfahrenen Schmied um einen Einblick in das Kunsthandwerk des Messerschmiedens gebeten.

Rohfassung

Bevor wir uns mit der feinen Jagdklinge befassen, möchte uns Andreas aber noch etwas Besonderes zeigen.

Ein unscheinbarer grauer Block aus abwechselnd geschichteten Metallplatten zweier Stärken liegt vor uns auf der Werkbank. Punktverschweißt zusammengehalten und mit einer Metallstange als Griffstück versehen, wird durch Andreas kundige Bearbeitung jener Werkstoff entstehen, der die Augen von Messerliebhabern zum Glänzen bringt: Damaszener Stahl. Dieser Schweißverbundstahl besticht durch sein markantes Muster, welches im polierten oder geätzten Zustand die verschiedenen Lagen der Ausgangs­materialien erkennen lässt, und erfordert in der Herstellung ein hohes Maß an Fachwissen und Handwerkskunst.

Das Fauchen der Esse erfüllt den Raum. In regelmäßigen Abständen kontrolliert Andreas den Metallquader im Inneren. Zuerst rot, danach orange glühend, wird dieser durch die blauen Flammen des Ofens auf Temperaturen jenseits der 1.000 °C gebracht. Ein fachmännischer Blick des Schmieds, begleitet von einem Nicken, und der mittlerweile gelblich-weiß strahlende Block wird aus dem Feuer geholt. Gleißende Funken spritzen durch den Raum, als der motorbetriebene Federhammer nach unten fährt. Gekonnt führt ­Andreas das Eisen unter den rhythmischen Schlägen. Schnell geht es zur Zwanzig-Tonnen-Presse, wo der glühende Stahl abermals geformt wird. Die Zeit ist knapp, denn die Temperatur fällt.

Bevor es wieder in die Esse geht, streut Andreas noch Borax über den Stahl. Dieses Mineral fungiert als Flussmittel auf den zu verschweißenden Stellen. Es schmilzt zu einer flüssigen Glasschicht, wodurch der Stahl vor Sauerstoffeintritt geschützt wird und die Oxide auf der Oberfläche gelöst werden. Dieser Vorgang ist essenziell für ein erfolgreiches Verschweißen der beiden unterschiedlichen Metalle und somit auch für die Herstellung des begehrten Damaszener Stahls. Routiniert findet der Block seinen Weg zurück ins Feuer. Danach beginnt der Prozess von vorne und würde sich im Normalfall den restlichen Tag wiederholen. Daher wird nach mehreren Durchgängen, wobei wir ebenfalls Hand anlegen dürfen, abgekürzt. Es gibt schließlich noch mehr zu entdecken.

Stahl der Wahl

Wir wechseln von der Schmiede in die angrenzende Werkstatt. Auf einer Arbeitsfläche präsentieren sich fünfzehn Messer mit rasiermesserscharfen Klingen und Griffschalen aus den verschiedensten Hölzern oder ausgefallenen Materialien, etwa Mammutelfenbein. Eines schöner als das andere und dennoch, zumindest die Form und den Schliff betreffend, gleich.

Es sind Modelle von Andreas neuem Jagdmesser „Hybrida“. Der augenscheinlichste Unterschied zu anderen Jagdmessern ist mit Sicherheit das Zweiergespann von Flach- und Wellenschliff auf einer Klinge, doch steckt wesentlich mehr Innovationsgeist dahinter. Andreas erklärt, dass sich die elementarste Frage bereits bei der Materialwahl stelle. Wofür soll das Messer eingesetzt werden? Darauf basierend ergeben sich Anforderungen an den Stahl in Bezug auf dessen Härte und Flexibilität. Ein Küchenmesser beispielsweise muss andere Herausforderungen bewältigen als ein Jagdmesser. Vergleichsweise muss die Feder eines Kraftfahrzeuges andere Eigenschaften aufweisen als der Rahmen eines Konzertflügels. Daher war es auch für Andreas von großer Bedeutung, den optimalen Stahl für die raue Jagdpraxis zu finden. Keine leichte Aufgabe, doch der Schmied wurde nach einigen Test­läufen fündig. Um seinem Qualitätsanspruch gerecht zu werden, wurden die Prototypen an Weidmänner seines Vertrauens vergeben und im Jagdbetrieb auf Herz und Nieren geprüft – mit einem Resultat, das sich sehen lassen kann. Mit dem Flachschliff können zwanzig Stück und mit dem Wellenschliff sogar fünfzig Stück (!) Schalenwild aufgebrochen werden, bevor die Klinge stumpf wird, garantiert uns der Schmied. Wobei die Definition „stumpf“ für Andreas in unserem ­Vokabular noch „sehr scharf“ bedeutet.

Als nächster Schritt stand die ­Fertigung höherer Stückzahlen im Raum, wobei es dem Messermacher ein Anliegen ist, den Kaufpreis erschwinglich zu halten. Daher verwendet er für die ­Produktion seines Jagdmessers CNC-wassergestrahlte Messerrohlinge als Ausgangsbasis. Dieser Schritt sei notwendig, so der Schmied, denn würde er jeden Rohling selbst herstellen, wäre dies zu zeit­intensiv. Darunter würde die mögliche produzierbare Stückzahl leiden und die Arbeitsstunden den Verbraucherpreis eklatant anheben.

Dennoch wird jeder Messerrohling der langlebigen Jagdklingen durch die geschickten Hände des Schmieds am Amboss zur Perfektion gebracht.

Alles im Griff

Bevor die Klingen an den Schleifstein kommen, fertigt der Schmied noch Knebel und Heftschalen. Dabei sind der Imagination keine Grenzen gesetzt.

Vom „klassischen“ Knebel bis hin zum Blickfänger in Mokume-Gane (jap. Schmiedetechnik) – Andreas Schmiedekunst lässt keine Wünsche offen. Ein schier unerschöpfliches Materialsortiment steht auch für die Wahl des passenden Griffs zur Verfügung. Neben heimischen Hölzern kommen auch wahre Exoten, wie die Zapfen der Banksia Grandis, einem australischen Silberbaumgewächs, zum Einsatz. Für jene, denen ein Messergriff aus Hirschhorn nicht speziell genug ist, hat Andreas Alternativen parat. Von Aluminium­waben, wie sie in der Raum- und Luftfahrt zum Einsatz kommen, bis hin zum Backenzahn eines Mammuts reicht die Palette. Und sollte wirklich einmal nichts Passendes dabei sein, findet der Messerschmied mit Sicherheit eine Lösung. Dennoch, betont Andreas, verwende er diese ausgefallenen Materialien meist nur für Sammlerstücke bei Messeauftritten oder für Auftragsarbeiten auf Kundenwunsch, da auch diese Komponenten klarerweise den Endpreis beeinflussen.

Im Falle der WEIDWERK-Edition seines Jagdmessers fiel die Griffwahl eher bodenständig aus – mit Heftschalen aus Mooreiche. Darüber hinaus berücksichtigt Andreas bei der Formgebung spezieller Messergriffe sogar die Führhand des Abnehmers, sprich, ob dieser Links- oder Rechtshänder ist.

Gratwanderung

Sind schlussendlich alle Komponenten vereint, geht es ans Eingemachte: den Klingenschliff.

Auch diese Disziplin habe Andreas, wie er sagt, in alter Schule gelernt und über die Jahre hinweg konstant verfeinert. So schleift er mittlerweile für die Gastronomie, Hotellerie, Großküchen, aber auch Privathaushalte. Dennoch gesteht er uns verschmitzt, dass er in einigen Betrieben bereits „Schleifverbot“ habe, da die Messer nach seinen Besuchen dermaßen scharf waren, dass auch geübte Hände teils massive Verletzungen davontrugen. Trotz alledem sieht Andreas dies als Qualitätsmerkmal und Bestätigung seiner Schleifkunst, geht es ihm doch um eine lange Schnitthaltigkeit seiner eigenen und der ihm anvertrauten Messer. Auch wir werden Zeugen dieses Anspruchs.

Mit ruhiger Hand führt Andreas das Klingenblatt über den Schleifstein. Der konzentrierte Blick des Schmieds ruht auf der formnehmenden Schneide – kurz hält er inne, um uns auf den sich bildenden Grat hinzuweisen. Diesen gilt es zu entfernen, damit das Messer seine Schärfe länger behält, wobei Faktoren, wie Schleifwinkel oder Stahlqualität, ebenso Einfluss darauf nehmen. Die Schleifpaste, welche ­Andreas nach Geheimrezept selbst herstellt, ist ebenfalls maßgeblich am ­Endresultat beteiligt. In akribischer Handarbeit kommt zum Abschluss der Wellenschliff mittels eines kleineren Schleifsteines hinzu, bevor das Messer abgezogen wird.

Andreas nickt zufrieden, steht auf und versenkt das Messer demonstrativ in der massiven, hölzernen Werkbank. Wir verfolgen, wie widerstandslos der Stahl durch das Holz der Arbeitsplatte gleitet und sind beeindruckt. Andreas meint lachend, dass ein Jagdmesser nicht stumpfer sein darf – vermutlich einer der Gründe, warum im Kaufpreis ein einmaliges Nachschleifen inbegriffen ist, wobei wir uns nicht sicher sind, ob das jemals notwendig sein wird. Zu guter Letzt präsentiert er uns noch ein paar seiner schönsten Kreationen und anstehende Projekte – langweilig dürfte ihm demnach auch künftig nicht so schnell werden. Wir verabschieden uns und lassen Orth an der Donau im Sonnenschein zurück.

Heiße Eisen - © Barbara Marko
© Barbara Marko

WEIDWERK-Edition „Hybrida Wood“.

Die exklusive WEIDWERK-Edition „Hybrida Mooreiche“ ist ab sofort im WEIDWERK-Shop erhältlich: shop.weidwerk.at
Feinste Mooreiche und robuster Stahl verschmelzen in Handarbeit zu einem langlebigen und robusten Jagdmesser. Das Messer ist für Praktiker gedacht; das Nachschärfen des Wellenschliffs ist erst nach dem fünfzigsten aufgebrochenen Stück Schalenwild notwendig. Apropos: Das professionelle Nachschärfen beim Hersteller ist im Kaufpreis inkludiert!
WEIDWERK-Preis: € 610,–

Heiße Eisen - © Barbara Marko
© Barbara Marko

Messerschmiede Heitzmann
Betriebsgebiet Nord 30
2304 Orth an der Donau
Tel. 0 664/523 21 04
E-Mail: office@heitzmann-schmiede.at
Internet: https://www.heitzmann-schmiede.at