Reportage

Jagd- und Schützenscheibenmalerei: Kunst auf Holz

26. August 2024 -
Anita Bierbaum: Wildscheiben-Malerei - © Michaela Landbauer
© Michaela Landbauer

Entdecken Sie das seltene Handwerk der Jagd- und Schützenscheibenmalerei. Kunstmalerin Anita Bierbaum im Weinviertel erschafft einzigartige Holzkunstwerke – handgemalt oder mit Airbrush-Technik.

Fokussiert tupft Anita Bierbaum finale Highlights mit einem feinen Pinsel auf das Holz. Mit der hellgrünen Acrylfarbe auf den Pflanzen unterhalb des Keilers wird noch ein letzter Akzent gesetzt. Eine Weinviertler Jagdgesellschaft hat zum 50. Geburtstag ihres Weidkameraden eine Ehrenscheibe bei Anita bestellt.
Zig Aufträge erreichten die Tirolerin, die ihr privates Glück in Neusiedl/Zaya, Bezirk Gänserndorf, gefunden hat, über die vergangenen knapp zwanzig Jahre. Dies von einer Vielfalt an Kundenwünschen und Materialien, dass man sie gar nicht in einer bestimmten Sparte der Malerei platzieren könnte. „Ich arbeite mit Holz und Leinwand, mit Acryl und Öl, Airbrushtechniken und vielem mehr. Ich orientiere mich an Erzählungen und Wünschen von Kunden, und so fanden auch schon Sand, Bast oder Metallelemente ihren Platz auf meinen Bildern“, meint Anita.
Wandmalereien, Stiegenhaus, Container, Weinkeller usw. – nicht nur auf Leinwänden hat sich Anita verewigt. Apropos verewigt: Ein außergewöhnlicher Auftrag war ein temporäres Kunstwerk über drei Wände eines ausgedienten Stadels, das nach wenigen Wochen bei der Abrissfeier schon wieder passé war.
Das Auffrischen von Möbeln, Marterln, Kreuzen und Heiligenfiguren ist eine weitere Leidenschaft der Künstlerin. Diese Facette werde in Zukunft noch stärker forciert, so Anita. „Ich bin von Holz umgeben, wie du hier siehst.“ Tatsächlich, seien es die Holzbank unter dem Fenster vor dem Atelier, Tische und Kredenzen, der Bock, auf dem sie gerade Altholz abgeschliffen und mit einer Lasur fürs Bemalen vorbereitet, Staffeleien, Wildscheiben und vieles mehr. „Allein der Geruch dieses Naturmaterials und wie es sich anfühlt –
ohne Holz geht es einfach nicht!“

Anita Bierbaum: Wildscheiben-Malerei - © Christoph Studeny
© Christoph Studeny
Anita Bierbaum: Wildscheiben-Malerei

Anita Bierbaum: Von Kindheitserinnerungen zur Jagdkunst – Eine künstlerische Reise

Mit der Mutter als Lehrerin und dem Vater als Fotografen wurden „die ersten Samen fürs Kreative schon in Kindheitstagen gesät“, erinnert sie sich. Bereits während der Ausbildung zur Kunstmalerin an der HTL für Bau und Design in Innsbruck, Ausbildungszweig Kunsthandwerk/ Malerei, kam es zum ersten Auftrag eines Murals in einem
Galtürer Hotel mit ägyptischen Motiven und Hieroglyphen.
Da hätte sich Anita – ohne jagdlichen Hintergrund – wohl eher nicht gedacht, dass weidmännische Motive einen Fixpunkt ihrer Kunst einnehmen würden. Mittlerweile begleiten sie diese Sujets seit nunmehr zwei Jahrzehnten.
Der erste Berührungspunkt mit der Jagd geht in ihre Kindheit zurück. Die Familie lebte in einem Haus direkt am Waldrand, umgeben von viel Natur. Das einzige Auto, das regelmäßig vorbeikam, war das des Jägers, der das angrenzende Revier betreute. Steter Begleiter war dessen Jagdhund. Eine Raufe ein Stück den Wald hinein war für Anita und ihre Brüder interessant zu erspähen, so verband man, neben dem Jagen, auch die Hege mit des Jägers Tun.
Der erste Wunsch eines jagdlichen Bildes kam Anfang der 2000er-Jahre von einem Jäger, der Anita ein Foto seines erlegten Hirsches gab. Auf der Leinwand verewigte die Künstlerin in ihrer Umsetzung eine Szene, die der Jäger vor seinem geistigen Auge hatte. Die erste Wildscheibe ließ daraufhin nicht lange auf sich warten.

Anita Bierbaum: Wildscheiben-Malerei - Jagdliche Scheiben werden von Anita Bierbaum für diverseste Anlässe angefragt, unter anderem für Geburtstage oder auch Hochzeiten. - © Michaela Landbauer
Jagdliche Scheiben werden von Anita Bierbaum für diverseste Anlässe angefragt, unter anderem für Geburtstage oder auch Hochzeiten. © Michaela Landbauer
Anita Bierbaum: Wildscheiben-Malerei - Ob das Sujet auf eine runde Fichten- oder die rechteckige Zirbenscheibe gemalt werden soll, wird vor der Fertigung eines Entwurfs besprochen. - ©  Christoph Studeny
Ob das Sujet auf eine runde Fichten- oder die rechteckige Zirbenscheibe gemalt werden soll, wird vor der Fertigung eines Entwurfs besprochen. © Christoph Studeny

Individuelle Jagd- und Schützenscheiben: Handgemalt oder Airbrush von Anita Bierbaum

Wie man es aus der Jagd kennt, finden Dinge oft durch Mundpropaganda ihre Verbreitung. Weitere Aufträge für jagdliche Ehren- und Schützenscheiben folgten, heute sind diese nicht mehr aus Anitas Repertoire wegzudenken und in zwei Varianten möglich: einerseits rein handgemalt, die zweite Option ist eine Airbrush-gedruckte Scheibe, die digital vorbereitet und die Farbe direkt aufs Holz übertragen wird. Auch handgemalte Motive werden digital vorbereitet, damit sich der Kunde vorab ein Bild davon machen kann. Porträts sind in beiden Versionen möglich. „Es erreichten mich Anfragen, bei denen die fertige Scheibe in wenigen Tagen gebraucht worden wäre. Da musste ich schweren Herzens leider absagen. So entstand die Idee der Airbrush-Druck-Variante.“
„Erhalte ich eine Anfrage für eine Scheibe, folgt ein Gespräch, um möglichst genau herauszufinden, worum es
geht und was der Person wichtig ist. Elemente, die die entsprechende Person betreffen und ausmachen, arbeite ich in meine Werke ein. So werden sie zu ganz besonderen Unikaten. Neben der Wildart, die die Scheibe zieren soll, ist auch der Hintergrund des Öfteren zu einem wichtigen Element der Scheibe avanciert, etwa ein spezieller Hochstand
oder Felder bzw. eine besondere Stelle im Revier des beschenkten Jägers. Ein weiteres Stilelement ist das Holz, das stets sichtbar ist und nicht gänzlich von Farbe überdeckt ist.
Tiroler Zirbe, Fichte und Altholz sind die Materialvarianten für Scheiben, rund (Fichte), rechteckig bzw. zusammengefügte Latten.
Anlässe, für die Scheiben angefragt bzw. bestellt werden, sind nicht nur jagdlicher Natur, auch für Pensionierungen oder Geburtstage, etwa für einen Polizei-, Feuerwehr- oder Musikkollegen.
Für eine handgemalte Scheibe muss man mit einer Wartezeit von 8–10 Wochen rechnen. Eine Airbrush-gedruckte Scheibe lässt sich in 10 Tagen realisieren, wenn nur noch eine persönliche Beschriftung und, wenn gewünscht, Details mit dem Pinsel hervorgehoben werden sollen.
Preise: individuell gemalte Scheiben ab € 750,– (zum Beispiel Porträts von Jubilar/Jäger, Jagdhunde erhöhen den Preis), fertige Motive ab € 480,–.
Seit diesem Jahr können fertige Scheiben auch bei Kettner Zistersdorf, Bezirk Gänserndorf, erworben werden. Entweder gibt man die Wunschbeschriftung in der Filiale bekannt und sie wird an die Künstlerin weitergeleitet oder der Kunde meldet sich direkt bei Anita. Eine Anfrage für ein Kunstwerk bzw. eine Wild-/Schützen-/Ehrenscheibe wird präferiert schriftlich (E-Mail, Social Media) entgegengenommen, um einerseits schon Informationen zu bekommen und andererseits, um nicht aus dem malerischen Arbeitsprozess herausgerissen zu werden.
Um den Scheiben separat Raum zu geben, entstand mithilfe befreundeter Jäger Anfang 2024 die Marke „Wild.Scheibe“ mit eigener Website und Social-Media-Auftritt. Mit Unterstützung der Künstlerinnen Sabrina (Malerei und Kalligraphie) und Hildegard (Fotografie und Grafik) nahm die Scheibenmalerei einmal mehr Fahrt auf.

Anita Bierbaum: Wildscheiben-Malerei - © Michaela Landbauer

© Michaela Landbauer

Anita Bierbaums BegegnungsAtelier: Ein kreativer Rückzugsort für Kunst und Austausch

Der Weg bis zum heutigen Atelier war ein langer. Erst zum Unterstellen für landwirtschaftliche Gerätschaften, dann eine Abfüll- und Filtrieranlage für die Weinbauern der Gegend, schließlich ein Getränkeabholmarkt mit Möglichkeit, Schank, Kühlschrank usw. auszuleihen, und nachdem die Räume eine Zeitlang unbenutzt geblieben waren, folgte endlich das Atelier. Erst einmal als gedankliche Vorstellung der Künstlerin, zumal Etliches nötig war, die feuchten Mauern und den Boden, der betoniert und uneben war, zu einem einladenden Refugium umzufunktionieren. Mithilfe von Familie und Freunden wurden die Wände weiß ausgespritzt, der Holzdielenboden gelegt, und das Raumklima erlaubt künstlerisches Schaffen. Doch ist das Atelier längst nicht nur ein Arbeitsplatz – es ist ein Wohlfühlort, der im Sommer schön kühl ist und im Winter dank Schwedenofen auch etwas erwärmt werden kann.
Auf drei Ebenen mit je ein bis zwei Stufen Niveauunterschied befinden sich die drei Haupträume des Ateliers, in Nebenräumen werden Utensilien wie Farben, (Alt-)Holz und mehr, gelagert. Ebenso dienen sie der Lagerung und Fertigstellung von Scheiben (saubere Arbeiten wie das Montieren von Haken), dem Zusammenschrauben, Lasieren von Altholz usw. Ein eigener Raum für Wildscheiben soll folgen. – Drei Tage pro Woche verbringt Anita von morgens bis abends mit dem Malen, ab und zu kann das auch einmal bis in die Nacht hineingehen. Die weiteren Tage sind Organisatorischem gewidmet, etwa Besprechungen, Versand, digitalen Entwürfen für kommende Scheiben usw.
Warum BegegnungsAtelier? „Jeden Donnerstag von 15 bis 19 Uhr sind alle Interessierten herzlich eingeladen, mich im Atelier zu besuchen. Es soll ein Ort der Begegnung sein. Ob man für die Besichtigung des Ateliers kommt oder einfach zum Plaudern, über Besuch und spontane Gespräche freue ich mich an diesen Nachmittagen immer!“
Apropos Begegnung: Anita Bierbaum wird kommendes Jahr mit den Wildscheiben erstmals auf der „Hohen Jagd & Fischerei“ in Salzburg vertreten sein.
Die letzten Farbtupfer sind auf der Geburtstagsscheibe platziert. Anita tritt einen Schritt zurück und begutachtet ihr Werk. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen: „Fertig.“