Aus besonderem Holz geschnitzt
Der "Wald4tler Schnitzer" Markus Weigmann ließ uns beim Fertigen einer Keilerscheibe über die Schulter blicken.
Die Werkstatt von Markus Weigmann befindet sich im Nebengebäude seines Hauses etwas abseits der nächsten Ortschaft im Bezirk Horn, direkt auf einer kleinen Lichtung am Waldrand. Schon diese Beschreibung lässt erahnen, dass wir bei unserem Besuch bei Markus Weigmann einen Ort zur Entfaltung kreativer Schaffenskraft ansteuern. Wir wollen den 37-jährigen Schnitzer bei der Herstellung einer Anschussscheibe begleiten.
Am Anfang war die Blume
Viel Werkzeug braucht der „Wald4tler Schnitzer“, wie sich Markus nennt, nicht. Er arbeitet mit Kreativität und Vorstellungskraft: „Ganz wichtig sind handwerkliches Geschick und vor allem das dreidimensionale Vorstellungsvermögen, um die Tiefe der Strukturen auf einem Foto erkennen zu können“, weiß der Fachmann.
Angefangen hat alles bereits vor vielen Jahren. „Mein erstes Werk war eine Blume“, erinnert sich Markus. Da war er 12 Jahre alt. „Wir hatten einen alten Schnitzer in meinem Heimatort, dem ich immer begeistert bei der Arbeit zugeschaut habe. Irgendwann hat er mir ein Brett in die Hand gedrückt, eine Blume aufgezeichnet und gesagt, die soll ich jetzt herausschnitzen.“ Ein 6-teiliges Schnitzset seiner Eltern zum Geburtstag hat dann nicht lange auf sich warten lassen. „Ich habe mich dann ziemlich schnell an Wildmotiven versucht. Die Werkzeuge sind teils heute noch im Einsatz, die Sammlung hat sich aber sukzessive mit jedem Projekt erweitert“, erklärt Markus. Das Portfolio reicht von Wanduhren über Trophäenscheiben, Schussscheiben und Kerzen für Hochzeiten bis hin zu Figuren in Lebensgröße. Die Inspirationen dafür nimmt Markus aus dem Alltag, etwa von der Jagd oder aus dem Internet.
Frage der Proportionen
Auf einem kleinen höhenverstellbaren Werkzeugtisch liegt bereits ein grob zugeschnittenes Brett aus Lindenholz. Dahinter hängt eine Vorlage – ein älterer Keiler in der Winterschwarte –, die Markus mit Bleistift auf das Holz überträgt. Wichtig ist dabei, die Proportionen richtig darzustellen. Mit einem Winkelmesser werden diese immer wieder mit der Vorlage abgeglichen. „Mir ist es am liebsten, wenn ich ein Foto des Motivs bekomme, das der Kunde haben möchte“, meint Markus, während er die letzten Korrekturen nachzeichnet. Auch bei der Wahl des Holzes kann der Kunde mitreden. In der Regel wird Lindenholz genommen, da dieses gut zu bearbeiten ist und in der Region wächst. Als besondere Alternative kann man aber auch steirisches Zirbenholz nehmen. Markus greift in das oberste Fach eines kleinen Regals, in dem Messer nach Größe und Form geordnet auf ihren Einsatz warten, und holt für die ersten Schnitte ein breites Rundmesser hervor. „Wer gleich am Anfang mit einem feinen Werkzeug arbeitet, kann falsche Schnitte nachher nicht mehr so leicht ausbessern“, weiß der Schnitzer. Mit einem Holzhammer wird das Messer geschickt durch das weiche Holz getrieben, dass die Späne nur
so fliegen.
„Primär habe ich für Freunde geschnitzt oder kleine Geschenke als Präsent für eine Jagdeinladung angefertigt“, meint Markus. Das habe dann schnell eine Eigendynamik entwickelt. Zu Beginn kamen die Anfragen aus der Region, durch Social Media haben sich diese aber sehr schnell international ausgeweitet. „Durch die wachsende Nachfrage habe ich beschlossen, mich selbstständig zu machen“, so Markus.
Schnitzschule
Immer wieder wandert sein Blick von dem Holz, auf dem bereits erste Konturen des Keilers zu erkennen sind, zur Vorlage. Markante Punkte, wie Wangenknochen oder Augen, werden dabei immer wieder mit Bleistift nachgezeichnet. Dann geht es mit einem feineren Messer weiter, mit dem etwa Lichter und Waffen mit geschickten Handgriffen in Feinstarbeit herausgearbeitet werden.
„Ursprünglich habe ich die HTL für Mechatronik absolviert, bin dann über verschiedene andere Einflüsse zur Krankenpflege gekommen, wo ich 2015 auch eine Sonderausbildung gemacht habe. Im selben Jahr war ich dann auch das erste Mal in der Schnitzschule Naschenweng in Obervellach, Kärnten. Nach dem einwöchigen Kurs habe ich es bereut, dass ich diesen nicht schon früher gemacht habe“, lacht Markus.
Nachdem die Lichter, der Wurf und die Waffen herausgearbeitet sind, geht es an die Teller. Das fertige Ergebnis ist schon immer mehr zu erahnen. Am eindrücklichsten sind dabei die Lichter, die dem Lindenholz bereits jetzt Leben einhauchen. Neben Anschussscheiben, wie dieser, fertigt Markus auch größere Werke an. Eines der aufwendigsten war wohl eine große Wanduhr. Herausfordernder war jedoch ein Wappen, das er für einen Jagdbetrieb in Hamburg angefertigt hat. „Da habe ich das Logo im Visitenkartenformat und in Schwarzweiß bekommen. Ich habe mich dann mit dem Kunden abgesprochen, was seine Vorstellungen und meine Ideen dazu wären“, erinnert sich der Schnitzer. Die Rücksprache mit dem Kunden ist ein wichtiger Aspekt seiner Arbeit, schließlich soll das Ergebnis ja zufriedenstellend sein. „Dann habe ich das Werk koloriert und auf die Größe
von 1×1 m angefertigt. Die ersten und letzten Schnitte waren besonders spannend.“
„Ich habe hohe Ansprüche an mich selbst, möchte immer ausgefallenere Stücke machen und mich selbst übertreffen.“
Die Sache mit der Farbe
Die absolute Mehrheit der Kundschaft kommt aus dem jagdlichen Bereich, daher sind die meisten Motive entweder Wildtiere, Formen aus der Natur, wie Blätter oder Äste, oder auch Jagdhunde. Die Werke des Schnitzers zeichnen sich durch Liebe zum Details aus: „Ich versuche, so viele Details wie möglich zu schnitzen, etwa einzelne Haare oder die Muskulatur“, bestätigt Markus, der nun ein sehr flaches, wenig gekrümmtes Messer aus dem Regal holt. Mit diesem wird nun die Struktur der Decke bearbeitet, und mit jedem Zug wird der Keiler lebendiger. Mit einem Schritt zurück verschafft sich Markus einen anderen Blickwinkel. Der eigene Anspruch lässt ihn immer wieder nachbessern. „So wirklich fertig wird man dabei nie, es gibt immer noch kleine Feinheiten, die man verbessern könnte.“ Hier noch ein Schnitt am Teller, dort noch eine Nachbesserung am rechten Licht. Dann legt Markus die Messer zur Seite.
Der erste Schritt ist geschafft. Nun geht es an die Kolorierung. Hierfür wird eine Grundierung auf das Holz aufgetragen, damit die Holzporen geschlossen werden und die Farbe nicht verschwimmt. Während diese in der Sonne trocknet, wird die Farbe angerührt. Dafür wird Körnerbeize mit Acrylfarben gemischt. Grundsätzlich fängt man mit helleren Farben an und wird dann dunkler – etwa für die Teller oder den Wurf. Nach jedem Schritt wird das Holz mit etwas Wasser benetzt, damit die Farbe nicht gleich trocknet. Das Holz glänzt dabei etwas in dem Licht der Sonne, das durch das Fenster in die Werkstatt fällt.
Holz mit Leben
Markus ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus und besucht laufend Fortbildungen. „Ich komme immer wieder zu gewissen Punkten, an denen ich merke, dass es nicht so aussieht, wie ich es mir vorstelle“, erzählt er.
Wir sind inzwischen beim letzten Schliff angelangt. Die Lichter des Keilers werden dabei tiefdunkel, die Waffen cremeweiß, und dann kommt jeweils ein kleiner, weißer Lichtpunkt auf die dunklen Augen. Ein kleiner Punkt mit einer großen Wirkung, denn nun ist aus dem „toten“ Stück Holz ein lebensinhärenter Keiler geworden. Das finale i-Tüpfelchen bekommt er schließlich noch durch einen grauen „Reif“, aufgetragen mit einem großen, buschigen Pinsel.
Markus wird weitermachen: „Ich habe hohe Ansprüche an mich selbst, möchte immer ausgefallenere Stücke machen und mich selbst übertreffen.“