Reportage

Mission Niederwild

5. Juli 2021 -
Mission Niederwild – Jäger sorgen für Biodiversität - © Oliver Deck
© Oliver Deck

Jäger werden in der Öffentlichkeit meist nur als Erleger wahrgenommen. Dabei gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass sich die Grüne Gilde auch im Artenschutz bemüht.

Hierzulande sind weit über 3.000 verschiedene Farn- und Blütenpflanzen sowie etwa 45.000 Tierarten beheimatet. Doch viele dieser Arten sind bedroht, manch eine sogar schon ausgestorben. Schlagworte, wie „Zersiedelung“, „Lebensraumverlust“ und „Artenschwund“, werden immer wieder im globalen Kontext genannt, doch auch in Österreich schreiten diese Prozesse kontinuierlich voran. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sowie die Ausmaße möglicher Entwicklungen sind in vielen Bereichen noch gar nicht abzuschätzen. Die Welt wird nicht von heute auf morgen zu retten sein, doch auch viele kleine Aktionen können einen wichtigen Beitrag leisten, den fortschreitenden Arten- und Lebensraumschwund zu bremsen.

Wildökolandaktion

Der deutsche Physiker Albert Einstein soll gesagt haben: „Wenn die Biene ­einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“ Ob dem tatsächlich so ist, wollen wir sicherlich nicht herausfinden. Fakt ist: Eine halbwegs intakte Umwelt kommt letztlich auch uns Menschen zugute.
Eine dieser Aktionen, die Positives bewirken, ist die Wildökolandaktion, die 1967 vom Niederösterreichischen Jagdverband gemeinsam mit dem Land ­Niederösterreich ins Leben gerufen wurde. Seit Jahren sind auch die EVN AG – der größte Gas-, Wärme- und Stromversorger Niederösterreichs – sowie der Niederösterreichische Landschaftsfonds (LAFO) als Kooperationspartner in das Projekt eingebunden. Selbst ­erklärtes Projektziel ist die ­langfristige Lebensraumverbesserung für Wildtiere. Hierfür wurden bislang (Stand: Anfang 2021) in über 4.000 ­Projekten mehr als 3,6 Mio. Bäume, Wildobst- und Feld­gehölze gepflanzt. Zur besseren Verdeutlichung der Größenordnung: Bei einem hypothetischen Pflanzabstand von zwei Metern könnte man damit eine Allee von Wien bis ans Rote Meer oder an den Nordpolarkreis beidseitig bepflanzen.

Vielfältig

Die zahlreichen Gehölze bieten in ­ausgeräumten Agrarlandschaften nicht nur die dringend benötigte Deckung, Nahrung und Setz- bzw. Brutgelegenheiten für Wildtiere, sondern auch Lebens­raum für zahlreiche Insekten und Singvögel. Und damit werden die ­heimische Flora und Fauna gefördert.
Neben der Unterstützung zum ­Erhalt der Artenvielfalt leisten Hecken und Feldgehölzstreifen auch einen wichtigen Beitrag bei der Verminderung von Bodenerosion sowie der Vernetzung von Lebensräumen, und sie regulieren nicht zuletzt auch den Wasser­haushalt – ein Thema, das in manchen Regionen unserer Erde bereits Konfliktpotenzial birgt und auch in Europa in den ­nächsten Jahrzehnten noch zunehmend interessant werden dürfte.

Unbürokratisch & einfach

Die Abwicklung des Projekts „Wildökolandaktion“ ist denkbar unbürokratisch. Sind geeignete Flächen gefunden, geht es meist sehr schnell. Dabei werden sowohl Grundeigentümer als auch Jagdausübungsberechtigte gleicher­maßen gefördert. Inbegriffen sind die Anpflanzung von Hecken und Feld­gehölzen in deckungsarmen Feldrevieren, von fruchttragenden Bäumen in Wald­revieren, von Verbiss­gehölzen in Verbindung mit fruchttragenden Bäumen und Baumschutz­säulen für im Rahmen des Projekts ausgepflanzte Bäume.
Bei Interesse erfolgt die Antragstellung durch den Grundeigentümer sowie den Jagdausübungsberechtigten beim Nieder­österreichischen Jagdverband. Dabei ist zu beachten, dass eine Verpflichtung zur Pflege und Erhaltung der geförderten Flächen auf 20 Jahre besteht. Eingehende Anträge werden nach wildökologischen Anhaltspunkten von Fachberatern des NÖ Jagdverbandes geprüft. Bei Bewilligung des Projekts werden im Frühjahr oder Herbst ­heimische, standort­gerechte Baum- und Strauchgruppen zur Verfügung ­gestellt.

Förderumfang

Die Förderungen umfassen 100 % der Planung und Beratung sowie 80 % der Pflanzgutkosten (davon 60 % vom NÖ Jagdverband und 20 % von der EVN). So wurden in den Jahren 1967 bis 2020 nahezu € 3.000.000,– in den Schutz der Arten und Lebensräume Nieder­öster­reichs investiert. Es leisten damit die Jagd und jeder Teilnehmer dieses ­Projekts einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der Lebensräume und damit der Verbesserung der Lebens­bedingungen für eine Vielzahl an ­heimischen Tier- und Pflanzenarten.

Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch noch vier Jahre zu leben.
Albert Einstein (1879–1955), Physiker

Mission Niederwild – Jäger sorgen für Biodiversität - Im Zuge der Reportage entdeckten wir ein frisch gesetztes Rehkitz! - © Oliver Deck
Im Zuge der Reportage entdeckten wir ein frisch gesetztes Rehkitz! © Oliver Deck
Mission Niederwild – Jäger sorgen für Biodiversität - BJM-Stellv. Lukas Firmberger, HRL Karl Schönauer und Jl. Leopold Pfeifer (v. l. n. r.) - © Oliver Deck
BJM-Stellv. Lukas Firmberger, HRL Karl Schönauer und Jl. Leopold Pfeifer (v. l. n. r.) © Oliver Deck
Mission Niederwild – Jäger sorgen für Biodiversität - Seit vielen Jahren setzt sich der Hegering Enns-Donauwinkel aktiv für die Biodiversitätserhöhung ein. - © Oliver Deck
Seit vielen Jahren setzt sich der Hegering Enns-Donauwinkel aktiv für die Biodiversitätserhöhung ein. © Oliver Deck
Mission Niederwild – Jäger sorgen für Biodiversität - Für das Wild werden Äsungs- und Rückzugsflächen geschaffen. Auch nicht jagdbares Wild zieht einen Nutzen daraus! - © Oliver Deck
Für das Wild werden Äsungs- und Rückzugsflächen geschaffen. Auch nicht jagdbares Wild zieht einen Nutzen daraus! © Oliver Deck

Mit gutem Beispiel voran

Als eines inzwischen zahlreicher Beispiele setzen sich seit vielen Jahren auch BJM-Stellv. Lukas Firmberger ­(Bezirk Amstetten), HRL Karl Schönauer und Jl. Leopold Pfeifer aktiv für die Biodiversitätserhöhung im Hegering Enns-Donauwinkel ein. Seit Anfang der 1990er-Jahre werden fortlaufend Hecken gepflanzt, doch der Großteil der Flächen ist in den letzten 10–12 Jahren dazugekommen. In diesen Jahren hat sich auch in der Landwirtschaft einiges getan, sodass vielerorts kaum oder keine Feldgehölze mehr vorhanden waren. Auf diesen Flächen hat sich in den Jahren des Wirkens schon ein merklicher Unterschied in Bezug auf Rebhühner und Singvögel eingestellt. Für das Niederwild stellen diese Flächen wichtige Lebensraum-Mosaike dar, doch spielen hier auch die Wetterbedingungen eine wichtige Rolle.
„Der einzige Unterschied zu früher ist, dass sich damals die Strecken nach einem Einbruch schneller wieder erholt haben“, so Jl. Leopold Pfeifer. Dabei können Landschaftselemente, wie die gepflanzten Hecken der Wildökolandaktion, unterstützend wirken. Nur zuzuschauen, wie sich die Landschaft und die Jagdstrecken verändern, war keine Option. „Uns als ansässigen Jägern war es wichtig, etwas für die Biodiversität zu tun“, erinnert sich HRL Karl Schönauer an die Anfänge. Es gehört zwar etwas Idealismus dazu, doch man kann mit vielen kleinen ­Aktionen dem Rückgang der Arten­vielfalt gegensteuern.
Erst letztes Jahr wurden wieder Flächen begrünt. Als langjähriger Koordinator und Gutachter des NÖ Jagdverbandes stand Wolfgang Glänzel kompetent zur Verfügung. Er plante das Projekt, bestellte die Pflanzen vor und erstellte das Bepflanzungskonzept. Zwei bis drei Monate später wurde nochmals überprüft, ob die Pflanzen (richtig) gesetzt waren.

Für alle Tiere

Zwar gilt die Verpflichtung, die Flächen auf 20 Jahre zu pflegen und zu erhalten, doch „sind auch nach zwanzig Jahren bei uns keine der angepflanzten Flächen wieder weggekommen“, weiß Jl. Pfeifer. „Wenn man sich an die Landschafts­elemente gewöhnt hat, bleiben sie meist auch“, ergänzt BJM-Stellv. Firmberger im Gespräch. Neben den Wildökolandaktions-Flächen werden zudem auch Blühflächen, gefördert vom Land Nieder­österreich, angelegt.
„Es sind in den letzten Jahren sogar Stieglitz und Wiedehopf wieder zurückgekommen, die wir hier vorher lange nicht mehr gesehen haben“, zeigt sich BJM-Stellv. Firmberger erfreut. Der Vorteil der Heckenstrukturen ist, dass das Wild in der Agrarlandschaft das ganze Jahr über einen Einstand hat. Während die Winterbegrünung durch den Schnee niedergedrückt wird. So muss das Wild nicht weiträumig ausweichen, wenn Strukturen vorhanden sind. Somit ist durch die Pflanzung standortgerechter, heimischer Gehölze dem Wild und anderen Tierarten gleicher­maßen geholfen.