Wilde Nachbarn
Jägerinnen und Jäger haben sich ein breites Wissen über die jagdbaren Wildarten des Landes angeeignet. Unsere Wälder, Berge und Flüsse werden jedoch von zahlreichen weiteren Wildtieren bewohnt. Bühne frei für die Wildtiere abseits des Birschsteigs. – Der Sperlingskauz.
Im Gegensatz zum Uhu, der größten und bekanntesten Eulenart Europas, ist der Sperlingskauz nicht vielen Naturliebhabern geläufig. Aufgrund seiner heimlichen Lebensweise ist es schwierig, das kleine Käuzchen in freier Wildbahn zu beobachten. Schier unmöglich ist es jedoch nicht: Wer zur Dämmerungszeit in einem Bergwald unterwegs ist, kann mit etwas Glück ein Individuum bei seiner Ansitzjagd auf einer Fichtenspitze beobachten.
Klein, aber oho!
Beim Sperlingskauz handelt es sich um die kleinste europäische Eulenart. Gemessen von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze erreicht der Vogel eine Länge von 15−19 cm und ein Gewicht von etwa 70 g – ein wahres Federgewicht. Sein runder Kopf hat einen flachen Scheitel, wodurch der Schädel sehr breit wirken kann. Die kleinen Augen besitzen eine gelbe Iris und liegen eng aneinander. Darüber befinden sich kurze, weiße Überaugenstreifen, die dem Kauz einen „strengen“ Gesichtsausdruck verleihen. Während das braune Gefieder auf der Körperoberseite mit feinen, weißen Punkten übersäht ist, ist die -unterseite des Tieres überwiegend weiß, jedoch mit einer braunen Brust und dünnen, braunen Längsstreifen.
Auffallend ist der braune, mit fünf weißen Querbinden verzierte Stoß des Sperlingskauzes, denn diesen kann der Vogel wie der Zaunkönig aufstellen. Eine weitere Besonderheit befindet sich auf der Hinterseite des Kopfes: Zwei helle Nackenflecken imitieren ein Gesicht auf der Rückseite der Eule, welches zur Einschüchterung potenzieller Feinde dient. Das Gefieder der Ästlinge (Jungvögel außerhalb des Nests) ähnelt bereits sehr jenem der Altvögel, jedoch fehlt am Jugendkleid die weiße Fleckung an Scheitel, Mantel und Flügeldecken.
Furchtloser Jäger
Auf der Speisekarte des Sperlingskauzes finden sich vornehmlich Kleinvögel und -säuger. Dabei variiert die Jagdmethode dieser Eulenart je nach Beutetier. Bei der Bejagung von Kleinvögeln verfolgt der Sperlingskauz zunächst sein potenzielles Opfer im Flug und überwältigt es schließlich im Zuge eines Überraschungsangriffs. Dabei fehlt es dem kleinen Kauz nicht an Mut, denn selbst Drosseln, die wesentlich größer sind als er selbst (je nach Art bis zu 29 cm), werden von dem furchtlosen Jäger erbeutet. Für die erfolgreiche Jagd auf Kleinsäuger hält der Sperlingskauz oft von Fichtenspitzen aus nach etwaigen Leckerbissen Ausschau. Sobald er ein Beutetier von seinem Ansitz aus erspäht hat, stürzt er hinab und schlägt dieses am Boden.
Das Beuteverhältnis Kleinsäuger zu -vögel beträgt in der Regel 2:1, wobei die kleine Eule bevorzugt Erdmäuse, Rötelmäuse und Waldspitzmäuse sowie Buchfinken und Tannenmeisen frisst. Bei ungünstiger Witterung, unter anderem bei hohen Schneelagen, hat es selbst der furchtlose Jäger schwer, die kleinen Säugetiere zu lokalisieren. Daher verschiebt sich in der kalten Jahreszeit der Anteil der erbeuteten Lebewesen zugunsten der Kleinvögel.
Um die Beutetiere ausfindig zu machen, ist der Sperlingskauz vor allem auf seine Augen angewiesen. Dementsprechend jagt er, im Gegensatz zu vielen anderen heimischen Eulenarten, hauptsächlich während der Morgen- und Abenddämmerung, zum Teil auch tagsüber. Die Dämmerungsaktivität der bei uns kleinsten Eulenart dient zusätzlich der Vermeidung von Feinden. Aufgrund seiner kleinen Gestalt hat der Sperlingskauz nämlich selbst zahlreiche Feinde, unter anderem auch größere nachtaktive Eulenarten. Gefahr droht jedoch nicht nur aus den eigenen Reihen, sondern auch von Sperber, Habicht und Baummarder.
Höhlenbewohner
Der Sperlingskauz ist vor allem im nördlichen Eurasien weit verbreitet. Er gilt als typischer Bewohner der Taiga. In Mitteleuropa hingegen bevorzugt der Winzling reich strukturierte Nadel- und Mischwälder mit ausreichend Altholzbeständen. In Österreich lässt sich diese Eulenart mit etwas Glück nicht nur in den Bergwäldern der Alpen beobachten, sondern auch in tieferen Lagen, wie dem Mühl- und Waldviertel. Bei uns kann man den Vogel übrigens ganzjährig antreffen. Um erfolgreich brüten zu können, benötigt der Sperlingskauz geeignete Baumhöhlen. Hierfür werden meist alte Buntspechthöhlen in Fichten okkupiert, die nicht nur als Bruthöhle dienen, sondern auch als Raststätte und Nahrungsdepot Verwendung finden.
Nestling & Ästling
Beim Sperlingskauz wird zwischen Herbst- und Frühjahrsbalz unterschieden. Im Zuge der Herbstbalz, welche im September und Oktober stattfindet, werden die Reviere vonden Individuen besetzt und abgegrenzt. Während dieser Zeit versuchen die Männchen, mithilfe ihres Gesanges die Grenzen ihrer Reviere zu erweitern. Die Frühjahrsbalz hingegen ist die eigentliche Balz – sie dient der Fortpflanzung und kann, wenn es die Witterung zulässt, bereits Ende Februar starten. Oftmals dauert die Balz bis zum Brutbeginn Anfang April an. Die Käuze bilden für jede Saison eine monogame Ehe. Da die Paare in der Regel reviertreu sind, ist es keine Seltenheit, dass bereits bekannte Partner über mehrere Jahre hinweg zusammenkommen und ihre Nachkommen in derselben Höhle ausbrüten.
Bevor das Weibchen die Eier ablegt und mit der Brut beginnen kann, entfernt es das alte Nistmaterial, um eine Mindesttiefe der Höhle und somit ausreichend Schutz vor Prädatoren zu gewährleisten. Zwischen Anfang April und Anfang Mai legt das Weibchenin einem Abstand von zwei Tagen 5−9 weiße Eier in der Höhle ab. Erst nach der Ablage des letzten Eis werden alle gemeinsam für 28−29 Tage ausgebrütet. Auf diese Weise schlüpfen die Küken (Nestlinge) beinahe synchron und befinden sich im Anschluss im gleichen Entwicklungsstadium. Beim Sperlingskauz herrscht eine klare Rollenverteilung: Während das Weibchen allein den Nachwuchs ausbrütet, verteidigt das Männchen das Revier und versorgt das Muttertier mit energiereicher Nahrung.
Wenige Tage nach dem Schlüpfen wirft das Muttertier sowohl aus Hygienegründen als auch zum Erhalt der Höhlentiefe die Eier-, Kot- und Nahrungsreste aus der Bruthöhle. Nach 28−32 Tagen verlassen die Nestlinge die Höhle und werden von nunan als Ästlinge bezeichnet. Nach dem Ausfliegen kümmert sich für etwa sechs Wochen hauptsächlich der männliche Kauz um die Jungen. In dieser Zeit durchstreift der Familienverband zum Teil riesige Waldareale. Talentierte Jungvögel können schon nach zwei Monaten selbstständig Beute machen, sie zerkleinern und fressen, bei den meisten Ästlingen dauert es jedoch etwas länger. Nach vier bis fünf Monaten sind die jungen Sperlingskäuze bereits selbst geschlechtsreif und bereit, ihre eigenen Nachkommen zu zeugen und großzuziehen.
Sperlingskauz (Glaucidium passerinum) | |
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Aussehen: | − Größe: 15−19 cm − Spannweite: 32−39 cm − Gewicht: ca. 70 g − kurze Überaugenstreifen − helle Nackenflecken − Oberseite: Braun mit weißen Punkten − Unterseite: Weiß mit brauner Brust & braunen Längsstreifen |
Verhalten: | − dämmerungsaktiv − brütet in Baumhöhlen |
Vorkommen: | − nördliches Eurasien (Taiga) − in Mitteleuropa hauptsächlich in Bergwäldern − in Österreich: Brut- und Standvogel |
Lebensraum: | − reich strukturierte Nadel- und Mischwälder mit ausreichend Altholzbeständen |
Jagdliche Bedeutung: | − Bruthöhlen werden vom Baummarder heimgesucht |