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Jagdhunde im Wolfsgebiet

30. Oktober 2020
Jagdhunde im Wolfsgebiet  - © Michael Back
© Michael Back

Der Wolf kommt zurück. Das ist nichts Neues. Aber wie sollen sich Hundeführer in einem Wolfsgebiet verhalten? Der richtige, weil respektvolle Umgang erspart Risiken.

Aktuell wird hierzulande über kaum ein Tier so hitzig ­diskutiert wie über den Wolf. Den besten Ruf hat der „Böse Wolf“ seit Jahrhunderten nicht. Das Grimm’sche Märchen „Rotkäppchen“ hat wohl das Seinige dazu beigetragen. Aber: Ist diese Angst ­begründet? Muss der Bürger um seine Kinder bangen? Muss man überhaupt Übergriffe fürchten, sei es beim Spaziergang im Wald oder auf der Jagd?

Dieser Artikel soll ein wenig die Angst vor dem Wolf nehmen, Gefahren aufzeigen, Vorurteile abbauen, aber dennoch sensibilisieren. Feststehen dürfte, dass, wenn überhaupt, über­wiegend Jägerinnen und Jäger Kontakt mit dem Wolf haben werden. Um im Sinne des Tierschutzes und der Weidgerechtigkeit mit dem Jagdhund arbeiten zu können, sind die Jägerinnen und Jäger dennoch ­bereit, ihre Hunde – obschon Wölfe im Rudel jagend zweifelsohne überlegen sind – einzusetzen.

Sorgen

Die Sorge um die eigenen Hunde ist aber nicht aus der Luft gegriffen. ­Tierschützer und Jagdgegner meinen zwar, dass in Wolfsgebieten eingesetzte Hunde bislang – nachweisbar – nur in Einzelfällen dem Wolf zum Opfer gefallen sind und dass andere Faktoren, wie der Straßenverkehr oder wehrhafte Wildschweine, gleichsam den Hunden gefährlich werden können. Aber wenden wir uns nun dem eigentlichen Thema zu, nämlich: Wie begegnet oder ver­meidet man den Kontakt zu einem Wolf?

Jagdhunde sind geliebte Familienmitglieder, für den Tierschutz un­verzichtbar und aufgrund der lang­jährigen Ausbildung und oft zahl­reichen Prüfungen auch besonders wertvoll. Ohne brauchbare Jagdhunde ist eine effiziente und tierschutz­gerechte Jagd nicht möglich.

Doch gerade in Wolfsgebieten ­setzen die Hundeführer ihre Hunde einer weiteren Gefahr aus. Beispielsweise in Schweden werden im jagdlichen Einsatz jedes Jahr viele Hunde durch den Wolf getötet. In Anbetracht der Tat­sache, dass sich die Wölfe Stück für Stück ausbreiten und stetig neue Wolfsvorkommen nachgewiesen werden, gilt es zu überdenken, wie fortan mit der neuen Situation „Mensch – Hund – Wolf“ präventiv umgegangen werden soll.

Jagdhunde im Wolfsgebiet  - © Michael Back

© Michael Back

Zusammentreffen

Zu beachten ist, dass sich gesunde Wölfe von Natur aus dem Menschen gegenüber vorsichtig verhalten und die direkte Begegnung meiden. Meist weichen die Wölfe dem Menschen aus, noch ehe er sie bemerkt hat. Ein direktes Zusammentreffen von Wolf und Mensch ist auch in von Wölfen ­besiedelten Gebieten selten.

Generell gilt: Als Vorfahr des ­Hundes ist eine Kommunikation ­zwischen Wolf und Hund noch immer möglich, wobei Letzterer Gefahr läuft, als Artgenosse – als Konkurrent – vom Wolf angesehen zu werden. Missverständnisse zwischen dem „markierenden Haushund“ und dem „territorialen Wolf“ sind daher mitunter vor­programmiert.

Stets zu bedenken ist, dass Wölfe sehr territorial sind und ihr Revier gegenüber Konkurrenten verteidigen; dazu zählen auch frei laufende Hunde.

Bedeutet das nun, dass man gar nicht mehr mit seinen Hunden im Wolfsgebiet arbeiten und trainieren kann? Und wie soll man sich als „gewöhn­licher“ Hundehalter oder (Schweiß-)Hundeführer bei einer (möglichen) ­Begegnung mit einem Wolf verhalten? Wie kann man präventiv handeln?

Tierschutz

Andererseits ist nicht zu verachten, dass der Verzicht auf Jagdhunde, neben der Jagd, auch für den Tierschutz, insbesondere in Zeiten der Afrikanischen Schweinepest (ASP) unvorstellbar ist. Stellen Sie sich einfach am eigenen Leibe vor, Sie haben Schmerzen. In den überwiegenden Fällen werden Sie einen Arzt aufsuchen und froh sein, wenn er Ihre Einschränkung lindern kann. Wie aber sieht es mit krank­geschossenem Wild aus? Das kann nicht einfach einen Arzt konsultieren. Für aber eben diesen Fall gibt es (Schweiß-)Hundeführer, die das Wild professionell nachsuchen. Selbstverständlich möchten aber auch sie ihre Hunde nur einer möglichst geringen Gefahr aussetzen. Die Jagdgebrauchshundeführer haben sich verpflichtet, das angeschossene Wild so schnell wie möglich von seinen Qualen zu ­erlösen. Demnach ist auch der Jagd­hunde­einsatz – selbst in Wolfsgebieten – selbstverständlich verpflichtend.

Aber fangen wir von vorne an: ­Außerhalb der Jagd gibt es die ­wenigsten Kontakte mit Wölfen. Was gilt es daher im Vorfeld einer Jagd in einem potenziellen Wolfsgebiet für den Hunde­führer zu beachten?

Wolfsvorkommen

Zunächst sollte bereits im Rahmen der Jagdeinladung für die Hunde­führer klar­gestellt werden, ob mit Wolfs­vorkommen zu rechnen ist. Ferner sollte eine ­Aufklärung erfolgen, wie im Schadensfall verfahren wird: Ver­sicherung oder Schadenersatz durch den Jagd­leiter bzw. Jagdbetrieb? Gibt es einen Management­plan des je­weiligen Bundeslandes? Nach den ­bisherigen Erkenntnissen sollten – ­entgegen der üblichen Praxis – in ­Gebieten mit Wolfsvorkommen bereits im Januar, der Paarungszeit der Wölfe, keine Bewegungs­jagden mehr angesetzt werden. Sollte dennoch eine Riegeljagd statt­finden, sollte zum Schutz der Jagdhunde der Einsatz derselben ­kritisch geprüft werden. Aber wie ­bereits ­erwähnt sollten Hunde in Wolfs­vorkommen immer erst dreißig ­Minuten nach Beginn der Riegeljagd geschnallt werden, um dem Wolf die Möglichkeit des Rückzugs zu geben.

Nachsuche

Aber nicht nur an die Jagd ist zu ­denken, sondern auch an die „Arbeit auf der Roten Fährte“. Als langjährig anerkannter Schweißhundeführer kann ich nur betonen, dass es in Wolfs­gebieten im Rahmen der Nachsuche wichtig ist, stets einen engen Kontakt zwischen der Jagdleitung und den Hundeführern zu pflegen. Vor Beginn der ersten Nachsuche sollte daher ­unbedingt geklärt werden, ob ein erster Schweißhund bereits erfolglos im ­Gelände gewesen ist. Sollte dies nicht der Fall sein und verweigert ein ­weiterer Nachsuchenhund trotzdem die Arbeit, ist auch Wolfswittrung als möglicher Grund in Betracht zu ziehen. Der beste Schutz für den ­eigenen Hund ist stets die Nähe zu ­seinem Hundeführer. Wölfe meiden Menschen grundsätzlich!

Ferner sollte auch jeder Jagdeifer spätestens dort enden, wo ein Wolf Wild bereits in Besitz genommen hat. Es kann daher nur empfohlen werden, dass dann, wenn man einen Wolf an einem verletzten oder verendeten Stück Wild antrifft, der Rückzug an­getreten werden soll. Bitte hier keine Experimente: Vom Wolf in Besitz genommenes Wild ist ihm zu überlassen! In diesem Fall ist man gut beraten, den Hund vorsichtig zurückzuholen und sich ruhig zu entfernen.

Im Revier

Beim täglichen Reviergang – unabhängig vom Jagdeinsatz – sollte man den frei laufenden Hund im Falle einer Wolfssichtung sofort zu sich rufen und anleinen. Sollte das Interesse des Wolfs am Hund nicht schwinden, sollte man sich lautstark bemerkbar machen und sich mit dem Hund aus der Gefahren­situation entfernen. Grundsätzlich gilt: Niemals den Jagdhund für das ­Anzeigen von Wolfszeichen belohnen! Der Hund darf keine positive Verknüpfung mit dem Wolf her­stellen; das sollte man auch im Rahmen der Hunde­ausbildung niemals vergessen!

Im Rahmen der Jagd sind zum Schutz von Hund und Mensch in jedem Fall die nachfolgenden Aspekte zwingend einzuhalten.

Jagdhunde im Wolfsgebiet  - © Michael Back

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Resümee

Es geht darum, die Gefahren für Jagdhunde durch den Wolf zu verringern. Auch die Hunde­führer müssen sich auf die neue Situation einstellen. Insoweit ist von den Hundeführern zu be­achten, dass diese in der Paarungs­zeit der Wölfe ihre Hunde im Einwirkungs­bereich halten. Zudem ist darauf zu achten, dass das Freilassen in der Nähe eines nachgewiesenen Risses oder sogenannter „Wolfs-­Rendezvous-Plätze“ strikt zu unterlassen ist. Im Rahmen von Riegeljagden muss penibel darauf geachtet werden, dass Hunde, gleich welcher Rasse und Einsatzart, erst dreißig Minuten nach Beginn des Treibens geschnallt werden, um dem Wolf zuvor ausreichend Zeit zum Ausweichen zu geben.

Ferner wird es immer wichtiger werden, dass frei jagende Hunde mit einem gut hörbaren Glöckchen ausgestattet werden, um auch hier dem Wolf eine ­bessere Orientierungsmöglichkeit zu geben, sodass eine Begegnung mit dem Hund vermieden werden kann.

Weiters sollten Hundeführer ihre aktuellen Hundeschutzwesten daraufhin überprüfen, ob diese ausreichend Schutz, nämlich auch gegen Wolfsübergriffe, bieten. Frei jagende Hunde ohne entsprechende Schutzwesten sollten der jeweiligen Jagdart ent­sprechend so wenig wie möglich zum Einsatz kommen (ein zertifiziertes ­Modell finden Sie auf Seite 21)!

Überdies wird – wie bereits überwiegend von den Hundeführern prakti­ziert – vermehrt Augenmerk auf den Einsatz von GPS-Geräten für die Hunde­ortung zu legen sein, um hier eine gewisse Sicherheit für den Hund zu gewährleisten. Eine Erste-Hilfe-­Ausbildung und eine dementsprechende -Ausrüstung sollten aufgrund der ­Gefahren für Hunde für Hundeführer selbstverständlich sein!

Leben mit dem Wolf

Denken Sie daran: Wölfe müssen wie alle Wildtiere, die in Kultur­landschaften leben, damit umgehen, dass es überall in ihrem Lebensraum menschliche Siedlungen gibt. Es bleibt daher nicht aus, dass sie an diesen ­vorbei- oder – bei Streusiedlungen – auch gelegentlich hindurchlaufen. Das kommt aufgrund der überwiegenden Nacht- und Dämmerungsaktivität der Wölfe vor allem im Schutze der Dunkel­heit vor.

Bereits hinreichend nachgewiesen ist, dass Wölfe üblicherweise selbst in dünn besiedelten Gebieten oder in Nationalparks teilweise ihre natürliche Scheu vor dem Menschen nicht verlieren. Allein Jungwölfe sind zum Teil von ihrer jugendlichen Neugier getrieben und verhalten sich aufgeschlossener als adulte Wölfe. Um dies auch weiterhin gewährleisten zu können, sollten wild lebende Wölfe nicht positiv vom ­Menschen konditioniert werden, wie etwa durch Fütterung.

Begegnung

Wie aber soll sich der Mensch bei einer Begegnung mit einem Wolf verhalten? Bleiben Sie ruhig und halten Sie Abstand zum Wolf. Sollte ein Ausweichen nicht möglich sein, machen Sie sich ­bemerkbar: Klatschen Sie in die Hände und sprechen Sie laut – nötigenfalls mit Ihrem Hund! Hauptsache, der Wolf hat die Möglichkeit, Sie recht­zeitig zu bemerken und auszuweichen. Keinesfalls sollten Sie laufen! Denn, das Laufen zum oder vom Wolf weg könnte beim Wolf ein gefährliches ­Verfolgungsverhalten provozieren.

30. Oktober 2020