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Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss

25. Dezember 2023 -
Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - © Barbara Marko
© Barbara Marko

Wir haben dem Beschussamt Wien einen Besuch abgestattet und eine Büchse, welche zur Verwendung eines Schalldämpfers mit einem Mündungsgewinde ausgestattet worden ist, zum Beschuss vorgelegt. – Ein Blick hinter die Kulissen & wissenswerte Fakten.

Schalldämpfer sind in der Jagd nicht mehr wegzudenken, sorgen sie doch dafür, dass sowohl das Gehör des Jägers als auch das unserer vierläufigen Jagdgefährten ­weniger belastet wird.
Rückblick: Seit 1. 1. 2019 sind der Erwerb, der Besitz und auch das Führen von „Vorrichtungen zur Dämpfung des Schussknalls“ (Schalldämpfer) für Inhaber einer gültigen Jagdkarte vom Verbot ausgenommen (§ 17 Abs. 3b WaffG), was so viel heißt, wie: Jäger dürfen bei der Ausübung der Jagd Schalldämpfer verwenden. Obwohl die meisten neuen Jagdbüchsen bereits ab Werk mit einem Mündungsgewinde versehen sind, gibt es in den Waffenschränken der österreichischen Jägerin­nen und Jäger einen nicht unwesent­lichen „Altbestand“, der über kein Mündungsgewinde verfügt. Was also tun, wenn man eine „alte“ Büchse auf den neuesten Stand bringen will?
Als Erstes empfiehlt sich der Gang zum Büchsenmacher; dieser kann rasch ein neues Mündungsgewinde schneiden oder schneiden lassen. Wie wir bereits wissen, benötigt die Büchse nach diesem „Eingriff“ einen neuen staatlichen, C.I.P.-­konformen (Commission Internationale Permanente pour l’Epreuve des Armes à Feu Portatives) Beschuss.
Um das Prozedere von Anfang bis Ende durchzuspielen, haben wir eine Repetierbüchse (Sauer 202, Kal. 9,3×62, Baujahr 2001) mit einem Mündungsgewinde ausstatten lassen. Danach waren wir im Beschussamt Wien, um sie beschießen zu lassen und den Beschuss als solchen zu dokumentieren.

Geschichtlicher Hintergrund

Produktprüfungen gibt es schon lange, und so verwundert es kaum, dass dies auch für die Waffenherstellung gilt. Bereits im 13. bzw. 14. Jahrhundert wurden auf Wunsch von Kunden ­Rüstungen auf ihre Tauglichkeit hin überprüft. Spätestens als die ersten Feuerwaffen im 14. Jahrhundert ­aufkamen, wurde die Sicherheit der Nutzer zu einem Problem. Gerade in der ­Anfangszeit der Waffenprüfungen ­wurden Straftäter als Kanoniere ab­gestellt, denn oftmals gingen diese Waffentests nicht gut aus. Das lag zum einem an Produktionsfehlern, zum anderen an der verstärkten Ladung, mit der geprüft wurde.
Bereits im 16. Jahrhundert gab es in Lüttich (Stadt in Belgien, die für ihre Waffenherstellung bekannt ist) zahlreiche Privatpersonen, die sich als Waffenprüfer bezeichneten und solche „Tests“ für zahlende Kunden durchführten. Somit konnte ein Großteil der Feuerwaffen geprüft werden. Allerdings nur jene Waffen, welche hochwertig hergestellt und an kaufkräftige Kunden veräußert wurden. Eine Vielzahl an minderwertig hergestellten Feuerwaffen entging somit einer ­Prüfung. Nachdem es vermehrt Unfälle sowie Beanstandungen gegeben hatte, verfügte Fürst­bischof Maximilian Heinrich von ­Bayern am 10. Mai 1672 die Prüfung sämtlicher Läufe von Feuerwaffen. Diese Prüfung musste von einem ­beeidigten Waffenprüfer durchgeführt und mit dem Kennzeichen der Stadt Lüttich, „Le Perrin“, an der Waffe ­gekennzeichnet werden. Dies war auch die Geburtsstunde des Beschussamts von Lüttich. 1689 kam es zu einer ­weiteren Verschärfung der Prüf­vorschriften für Feuerwaffen, in der es um die Sicherheit der Nutzer ging. Außerdem wurde durch Fürstbischof Maximilian Heinrich von Bayern ein Edikt zur Sicherheit der Pulverlager verkündet. Im Dezember 1810, nachdem Lüttich während der Revolution vom französischen Kaiserreich annektiert wurde, änderte sich die Feuerwaffenprüfung durch ein Dekret Napoleons des I. ein weiteres Mal. Ab diesem ­Zeitpunkt benötigte jede Stadt, in der Waffen hergestellt wurden, einen Waffenprüfer. Weitere Verschärfungen sowie die Verleihung der Rechts­persönlichkeit folgten. Im Jahr 1914 wurde auf Bestreben des Direktors des Beschussamts Lüttich die Ständige Internationale Kommission, kurz C.I.P., welche seitdem international den einheitlichen Beschuss von Feuerwaffen regelt, gegründet.

Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - Erforderliche Utensilien, v. l. n. r.: Beschusspatronen, Übergangskonuslehre, Hülsenhalslehre, Verschlussabstandslehren (minimal und maximal). - © Barbara Marko
Erforderliche Utensilien, v. l. n. r.: Beschusspatronen, Übergangskonuslehre, Hülsenhalslehre, Verschlussabstandslehren (minimal und maximal). © Barbara Marko
Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - Mittels einer Prüflehre werden die Durchmesser von Zug und Feld überprüft. - © Barbara Marko
Mittels einer Prüflehre werden die Durchmesser von Zug und Feld überprüft. © Barbara Marko

Im Beschussamt

Beim Beschussamt Wien angekommen, nehmen wir unsere Büchse und betreten die ehrwürdigen Hallen der Waffen­prüfer. Der Ferlacher Büchsenmacher, Revident Thomas Dietrichsteiner, der das Beschussamt Wien seit 2021 leitet, erwartet uns bereits, um unsere Büchse unter die Lupe zu nehmen. Gemeinsam mit Thomas betreten wir den Raum, in dem die Waffen ihren Beschuss ­erhalten. Hier stehen eine Werkbank, mehrere Metallschränke sowie eine ­explosionssichere „Box“, in der der ­Beschuss vorgenommen wird. Thomas erklärt: „In Österreich muss jede ­Handfeuerwaffe, ehe sie in den Verkauf gebracht wird, auf ihre Sicherheit erprobt, also beschossen werden. Waffen, die aus Ländern gekauft werden, die nicht C.I.P.-Mitglied sind, beispielsweise Amerika oder die Türkei, be­nötigen ebenfalls einen amtlichen ­Beschuss. Außerdem müssen Waffen, die an ihren gasdruckbelasteten Teilen (Lauf, Verschlussgehäuse, Verschluss) Veränderungen oder Instandsetzungen erfahren haben, erneut beschossen werden.“
Auf die Frage, wie nun ein amt­licher Beschuss ablaufe, antwortet er: „Im Normalfall wird die Waffe ent­weder vom Büchsenmacher oder einer Person, die berechtigt ist, diese zu ­besitzen, zu uns gebracht. Im Vorfeld sollte die Waffe vom Besitzer gereinigt und das Zielfernrohr sowie der Trageriemen entfernt worden sein. Denn beim Beschuss könnte es zu Beschädigungen des Zielfernrohrs kommen.“ Wird eine Waffe mit neuem Mündungsgewinde beschossen, benötigt das Beschussamt keinen Schalldämpfer, da dieser laut C.I.P.-Norm nicht beschossen werden muss.

Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - © Barbara Marko
© Barbara Marko
Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - © Barbara Marko
© Barbara Marko

Funktionsprüfung

Bevor mit der Funktionsprüfung begonnen wird, füllen wir das „Einreichblatt“ aus. Dafür müssen Informationen über den Besitzer sowie zum Hersteller der Büchse, der Typenbezeichnung, dem Kaliber, dem Baujahr usw. angegeben werden. „Bei der Funktionsprüfung werden alle für die Sicherheit rele­vanten Einrichtungen, wie etwa die ­Sicherung, der Verschluss, aber auch die Abzugselemente, auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft“, erklärt Thomas Dietrichsteiner. Mit geübten Hand­griffen überprüft er, ob der Zug- und auch der Felddurchmesser des Laufes im Toleranzbereich liegen. Hierfür gibt es für jedes Kaliber ein eigenes Normblatt der C.I.P. Nun wird noch das Patronenlager (Verschlussabstand) mithilfe einer Minimal- und einer ­Maximallehre geprüft. Dieser ist als ­genormter Minimal- oder Maximal­abstand des Hülsenbodens zum Stoßboden des Verschlusses definiert. Auch der Übergangskonus und die Länge der Hülse werden bei der Überprüfung nicht außer Acht gelassen. Werden die genormten Maße im Waffenbau nicht eingehalten, könnte es zu Beschädigungen oder – im schlimmsten Fall – zu Waffensprengungen und daraus resultierenden Verletzungen kommen.

Beschossen

Bevor es nun zum amtlichen Beschuss kommt, wird noch die Waffennummer überprüft. Thomas nimmt die Büchse und legt sie in eine Art über­dimensionale Box, in der die Waffe durch eine Sicherheitstür explosionssicher verschlossen wird. Nun werden die Beschusspatronen, welche am ­Patronenboden rot markiert sind, in die Büchse geladen. „Die Beschuss­patronen werden immer gesondert markiert, da sie in der Regel um rund 30 % stärker als der höchstzulässige ­Gebrauchsgasdruck geladen sind“, erklärt uns Thomas. Bei Kaliber 9,3×62 liegt der Maximalwert bei 3.900 bar, ­beschossen wird die Waffe jedoch mit rund 4.875 bar. Denn nur so kann auch gewährleistet werden, dass die Waffe einem erhöhten Gasdruck standhält. Nun wird am Abzug noch eine Art Schnur eingefädelt, mit der der Schuss dann via Knopfdruck ausgelöst wird. Thomas verschließt die „Dose“ und löst den Schuss durch das Drücken auf einen Knopf aus. Die Schüsse werden in einen dafür vorgesehenen Wassertank abgefeuert. Pro Lauf werden für den Beschuss je zwei Schüsse abgegeben. Nachdem unsere Waffe dem Beschuss standgehalten hat, wird diese ein ­letztes Mal von Thomas begutachtet, ehe wir ihm zum Lasern folgen.
Dort wird auf unserer Sauer 202 das Beschuss­zeichen eingebrannt. In unserem Fall steht hier nun „CIP N“ – die Beschussmarke des Beschussamtes Wien (ein Adler mit einer 2 auf der Brust – die Ferlacher Beschussmarke trägt die 1) sowie die Buchstaben CKR. CIP steht für die C.I.P.-Norm, das N steht für Normalbeschuss und CKR steht für das kodierte Datum des ­Beschusses. In unserem Fall war dies ein C für Oktober, das K und R stehen für das Jahr, also in unserem Fall für 23. Der Beschuss im Beschussamt kostet knapp € 20,–.
Überlässt man die Waffe für das Schneiden eines Mündungsgewindes dem Büchsenmacher, besorgt dieser den amtlichen Beschuss, man muss sich also nicht selbst darum kümmern.

Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - © Barbara Marko
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Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - © Barbara Marko
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Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - © Martin Grasberger
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Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - © Barbara Marko
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Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - © Barbara Marko
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Mündungsgewinde & amtlicher Beschuss - © Barbara Marko
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Prüfen von Patronen

Für Wiederlader bietet das Beschussamt auch eine Überprüfung der selbst geladenen Patronen an. Um eine aussagekräftige Prüfung zu garantieren, sollten sechs Patronen eingeschickt werden. Diese werden dann durch das Beschussamt geprüft. Somit kann man sicher und mit gutem Gewissen die selbst geladenen Patronen nutzen. „Eine Überprüfung von wiedergeladenen Patronen ist überaus wichtig. Nicht selten erhalten wir stark überladene Patronen, durch welche schlimme ­Unfälle verursacht werden könnten. Häufig stimmen Angaben, welche man in Wiederladeforen im Internet findet, nicht. Auch die Qualität von Pulver oder Hülsen ist nicht immer die gleiche und kann dann zu gravierenden ­Ab­weichungen führen“, weiß Thomas. Die Kosten für eine Patronen­überprüfung liegen bei € 32,–.
Jeder verantwortungsbewusste Wiederlader sollte seine Patronen zur Überprüfung einsenden. Denn die ­daraus gewonnenen Informationen sind oftmals auch für erfahrene Wieder­lader äußerst aufschlussreich.
Wir freuen uns, die Büchse nun mit Schalldämpfer nutzen zu können und bedanken uns bei Thomas für die aufschlussreichen Einblicke in die ­Arbeit des Beschussamtes Wien.