Kein Entrinnen!

Das Wild rettet sich bei Hochwassern auf von Jägern geschaffenen Rettungsinseln, wo es nicht nur überlebt, sondern auch Ruhe findet.
Rettungsinsel für Wildtiere © Franz Kollitsch

Extremwetterereignisse, wie Hochwasser, Stürme oder Trockenheit, werden tendenziell immer mehr, und auch künftig ist davon auszugehen, dass diese zu großen Herausforderungen für Menschen und auch Tiere werden.

Markerschütternde Schreie ums Überleben kämpfender Wildtiere dringen aus der Au, die etwa drei­einhalb Meter unter Wasser steht. Mit weit aufgerissenen Augen ver­suchen Rehe, Sauen und andere Wildtiere im Geäst der Sträucher Halt zu finden oder die nächste Erhöhung, die aus dem Wasser ragt, zu erreichen. Mehrere Tage lang hat es geregnet, und in einem Gebiet zwischen dem Mostviertel und dem Wienerwald wurden sogar Rekord­nieder­schlags­mengen von 300–400 mm verzeichnet. In fünf Tagen ist dort im September 2024 mehr als das 5,5-Fache der langjährigen mittleren Monatssumme gefallen ¹).

Jäger retten Wildtiere

Um zu verstehen, was es bedeutet, wenn ein Lebensraum vollkommen überschwemmt wird, haben wir das 400 ha große Eigenjagd­revier Weinzierl im Bereich der Donauauen östlich von Krems besucht und uns mit den Eigentümern Hermann und Susanne Mayer unterhalten. In diesem nördlich der Donau gelegenen Revier – das übrigens schon sehr oft überschwemmt wurde – setzt man bereits seit über dreißig Jahren auf die Errichtung kleiner Wildrettungsinseln, die auch bei diesem Hochwasserereignis zahlreiche Wildtiere vor dem sicheren Tod bewahrt haben. „Insgesamt haben wir schon 35 solcher Inseln in Eigenregie errichtet, und ­wieder einmal haben sie sich als wertvolle Investition erwiesen“, weiß Forstwirt DI Mayer, „weil wir mit deren Hilfe ,nur‘ etwa 10–30 % des Wild­bestandes verloren haben.“ Wenn man diese Zahl mit dem 240 ha-Eigenjagd­revier Donaudorf B der Familie Kollitsch vergleicht, das sich nur etwa 3,5 km flussabwärts befindet und über keine Rettungsinseln verfügt, wird rasch klar, dass diese Rückzugsorte ihre Wirkung nicht verfehlen: Die Familie Kollitsch schätzt, bei den Wildschweinen etwa 80 % der Frischlinge, bei den Rehen etwa 90 % und beim Sikawild etwa 20–30 % des Gesamtbestandes an das Hoch­wasser verloren zu haben.
„Wir haben Dutzende Stück Fallwild entlang der Forststraßen eingesammelt und der Tierkörperverwertung zugeführt“, erklärt der 23-jährige Franz Kollitsch. Er schätzt die tatsächliche Zahl des Fallwildes jedoch deutlich höher ein, da aufgrund des Schlammes in der Au fast ausschließlich entlang der Forststraßen gesucht werden konnte. „Von diesem Hochwasser wird sich das Rehwild hier erst in den nächsten 2–3 Jahren erholt haben, das Schwarzwild – Bachen und Keiler haben großteils überlebt – voraussichtlich schon im nächsten Jahr.“ Familie Kollitsch möchte ebenfalls Wildrettungsinseln errichten und ist gerade dabei, dies auf allen Ebenen zu prüfen.

„Von diesem Hochwasser wird sich das Rehwild hier erst in den nächsten 2–3 Jahren erholt haben, das Schwarzwild – Bachen und Keiler haben großteils überlebt – voraussichtlich schon im nächsten Jahr.“ Franz Kollitsch

Rettende Refugien

Jene Wildrettungsinseln, die im Eigenjagdgebiet der Familie Mayer über die Jahrzehnte errichtet wurden, sind relativ klein und verfügen über ein ­Volumen von lediglich 200–300 m³ je Hügel. Das dafür verwendete Material – vom Hochwasser abgelagerter sandiger Schlamm – müsse, so die Besitzer, ohnehin ­beiseitegeräumt werden, etwa, um die Wege wieder gefahrlos befahren zu können. Mit der Errichtung von Wildrettungsinseln erhält dieses in der Regel „tote“ Material einen neuen, sinnstiftenden Wert.
„Wichtig ist es, nicht eine große Insel anzulegen, sondern viele kleinere, damit keine Konkurrenz zwischen den einzelnen Wildarten entstehen kann und Wildtiere schnell das rettende Ufer erreichen können“, weiß Hermann Mayer. „Die Inseln sollten längs zur Strömungsrichtung angelegt werden, um wenig Angriffsfläche für das Wasser zu bieten“, empfiehlt er. Es stellt sich allerdings die Frage nach der idealen Höhe dieser Inseln: DI Mayer hat die im Revier ­vorhandenen natürlichen Stellen, welche am höchsten liegen, aufgrund der Schlamm-Marken voriger Hochwasser eruiert, gekennzeichnet und die Wildrettungsinseln an neuralgischen Stellen so errichtet, dass sie über den Höchstwasserstand, der je gemessen wurde, hinausragen. Das letzte Hochwasser, das die aktuelle Marke vom September 2024 noch um einen halben Meter übertraf, war übrigens im Jahr 2013 auf etwa 3,5 m Höhe (siehe roter Pfeil).

Das Allerwichtigste: Ruhe

Wildrettungsinseln, die sich in der Nähe von Straßen, Radwegen usw. ­befinden, können ihre Wirkung kaum entfalten, da das Wild diese aufgrund der ­Beunruhigung nicht annimmt oder wiederum von dort wegflüchtet. „Selbst bei einem Hochwasserereignis gehen manche Menschen immer noch ihrem Freizeitsport nach, während wenige Meter weiter Wildtiere qualvoll er­trinken“, ist Mayer fassungslos. Die Wahl des richtigen Standorts sei daher von entscheidender Bedeutung, betont Mayer.
Ein weiterer Punkt, der von den verantwortlichen Kommunen oftmals nicht ins Kalkül gezogen wird, ist die wildtiergerechte Errichtung von Zäunen im Bereich von Dämmen, Ufern oder Verkehrswegen. „Wir haben zum Beispiel in vielen Gesprächen erwirkt, dass Zäune vom Dammfuß ganz nach oben versetzt worden sind, da diese beim ­vorletzten Hochwasser als unüberwindbare Barrieren den sicheren Tod für Wildtiere bedeutet haben.“ Mayer blickt zurück: „Vor Jahrzehnten sind wir auf Zillen durchs Hochwasser ­gefahren und haben vor allem Rehe aus dem Wasser gezogen. Unsere Anwesenheit hat das Wild allerdings gestresst, daher haben wir damit auf­gehört. – Ein weiterer Aspekt, der für die Rettungsinseln spricht: Dort soll das Wild absolute Ruhe haben. Keine Ruhe findet es dort allerdings dann, wenn sich Jogger, Radfahrer oder einfach nur Schaulustige in der Nähe aufhalten und das ums Überleben kämpfende Wild zusätzlich in Panik versetzen. Auch gut gemeinte Rettungsaktionen bewirken oft das Gegenteil.

Nachwirkungen

Vor allem Rehe, Wildschweine und Feldhasen, aber auch Igel oder andere am Boden lebende Tiere waren vom Hochwasser betroffen.
Die bisherigen Untersuchungen des Niederösterreichischen Jagdverbandes in Kooperation mit Tierärzten und dem Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) deuten etwa ­darauf hin, dass der abrupte Wetter­umschwung mit dauerhaftem Regen in manchen Gebieten zu starker Unterkühlung und damit einhergehenden Erkrankungen (etwa Lungenentzündung) geführt hat. Die Niederwild­reviere im Wein- und Industrieviertel waren vom Hochwasser insgesamt ­weniger ­betroffen und weisen gute Wildbesätze auf.
„Zerstörte Wildkorridore, Grün­brücken, Schutzinseln, Äsungsflächen und Einstände müssen wiederher­gestellt werden“, betonte etwa Landesjägermeister DI Josef Pröll, wobei aber jeder Einzelne einen Beitrag zum Schutz des Wildes leisten könne: „Wir appellieren an alle Natur- und Freizeitnutzer, sich wildgerecht zu verhalten und sich nur auf den vorgesehenen Wegen zu bewegen.“

Aktiver Tierschutz durch Jäger

Nach dem Rückgang des Wassers haben Jäger, Kommunen, Betriebe sowie die Land- und Forstwirtschaft an der Sammlung und Entsorgung von Fallwild und Kadavern in den ­betroffenen Gebieten mitgewirkt, um die Ausbreitung von Keimen, ­Bakterien und Seuchen zu verhindern. – Dies ist ein wichtiger Beitrag, den Jägerinnen und Jäger ehrenamtlich für die Gesellschaft leisten und der meist im Verborgenen liegt.
Die Prävention, etwa durch die Schaffung von Wildrettungsinseln in Überschwemmungsgebieten, ist neben verschiedensten Hegemaßnahmen, wie Winterfütterung oder Lebensraumoptimierung, ebenfalls Bestandteil der jagdlichen Arbeit. Und: Damit tragen die Jägerinnen und Jäger aktiv zum Tierschutz bei – und das sollte von der Gesellschaft auch anerkannt werden.

Quellen:
1) Bundesministerium Land- und Forstwirtschaft,
Regionen und Wasserwirtschaft: info.bml.gv.at

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