News 8. August 2024

Runder Tisch: Der Mensch im Zentrum des Lebensraumes

NÖ Jagdverband setzt Niederösterreich-Tour mit 2. Rundem Tisch fort: Experten plädieren für Dialog auf Augenhöhe, integrative wildökologische Raumplanung und stärkere Wissensvermittlung.

2. Runder Tisch des NÖ Jagdverbandes. - Experten fordern engere Abstimmung der Lebensraum-Nutzergruppen. - © Peter Ujfalusi
Experten fordern engere Abstimmung der Lebensraum-Nutzergruppen. © Peter Ujfalusi

Die Lebensraum-Tour durch Niederösterreichs Viertel geht weiter: Nach dem Auftakt beim Expertenkongress im April und dem ersten Runden Tisch im Juli bot der NÖ Jagdverband mit dem Runden Tisch „Mensch“ im Rahmen des Schwerpunkts „Zukunft.Lebensraum“ erneut eine Plattform für den konstruktiven Dialog zwischen Vertretern aus Land- und Forstwirtschaft, Wissenschaft, Jagd, Regionalentwicklung sowie Tourismus und Freizeitwirtschaft. Der erste Runde Tisch fokussierte sich auf veränderte Lebensräume und Maßnahmen, um die Ansprüche der Wildtiere zu erfüllen. Beim zweiten Runden Tisch diskutierten die Experten diese Maßnahmen und wie die vielfältigen Interessen der unterschiedlichen Nutzergruppen bei der gemeinsamen Umsetzung gewahrt werden können. Markus Hoyos (Land & Forstbetriebe NÖ), Manfred Weinhappel (LK Niederösterreich), Markus Redl (Ecoplus alpin GmbH), Ernst Dullnig (Naturfreunde NÖ), Fritz Reimoser (ehemals BOKU und Vetmed Wien), Michael Meissl (Oberförster & Fachausschuss Rehwild), Josef Balber (NÖ Gemeindebund) und Andreas Hacker (Stadt-Umland-Management) betonten: das aufrichtige Miteinander, die Kommunikation auf Augenhöhe sowie ganzheitliches Denken und Planen aller Beteiligten sind für die Lebensräume der Zukunft unumgänglich, denn jede Nutzung hat Auswirkungen auf die Lebensräume und jeder Einzelne trägt damit auch für die anderen Verantwortung.

Wild-geeignete Lebensräume verlangen eine starke Kooperation, Planungswillen, ganzheitliches Neudenken und Wissensvermittlung, denn die Auswirkungen des Klimawandels sind bereits jetzt spürbar und verändern sowohl die Lebensräume als auch deren Nutzung. So wandeln sich Vegetationsperioden, Pflanzenarten-Zusammensetzungen, Boden- und Luftbedingungen sowie damit Lebensbedingungen für Wildtiere. Die Landwirtschaft wiederum braucht eine Balance zwischen Versorgungssicherheit und Umweltschutz, was durch den steigenden Platz- und Siedlungsbedarf sowie eine heterogene, konsumorientierte Gesellschaft mit vielfältigsten Ansprüchen erschwert wird. Aufgrund steigender Temperaturen in den Ballungsräumen nimmt wiederum die „Freizeit- und Stadtflucht“ zu. Das erhöht den ohnehin gestiegenen Druck auf Lebensräume zusätzlich. Daher bedarf es einer intensiveren Information und Wissensvermittlung an Freizeitnutzer über ihre Auswirkungen im Wildlebensraum, aber auch eines breiten Dialogs aller Nutzergruppen, so die Experten.

Kommunikation und Wissensvermittlung erhöhen

Von der Lebensgrundlage Forst- und Landwirtschaft über den Wohnbedarf bis zur Freizeitnutzung sind Menschen in der österreichischen Kulturlandschaft ein gestaltender Faktor für geeignete Lebensräume. „Die meisten Fehler passieren nicht durch Absicht, sondern durch fehlendes Wissen, Bewusstsein und manchmal auch Verständnis“, ist der stellvertretende Landesjägermeister, Johannes Unterhalser, überzeugt. „Wir müssen gemeinsam dafür sensibilisieren, dass sich das menschliche Handeln und auch unbeabsichtigtes Fehlverhalten auf Wild und Lebensraum auswirken – egal ob man spazieren geht oder Land bewirtschaftet. Dann wird uns ein konstruktives Miteinander gelingen, das den Lebensräumen und den Wildtieren zugutekommt.“

Dass mit dem Runden Tisch Kooperation und Austausch gefördert werden, wurde von allen Teilnehmern positiv hervorgehoben. Es brauche ein Miteinander und kein Gegeneinander, denn Lebensräume erfüllen für Wildtiere und Menschen gleichermaßen wichtige Funktionen. „Die Diskussion hat klar gezeigt, dass bereichsspezifisches Denken nicht zukunftsfähig ist: Bisher wurden Regelungen und Maßnahmen in und für die Lebensräume meist sektoral gedacht und voneinander getrennt betrachtet. Das spiegelt sich zum Teil in der Gesetzgebung wider. Die kommenden Herausforderungen verlangen ein Umdenken, gegenseitiges Verständnis und integrierende Strategien“, fasst Leo Obermair, Geschäftsführer des NÖ Jagdverbandes, zusammen. „Die Jägerinnen und Jäger haben die Kompetenz, den dafür nötigen Dialog zu initiieren, Foren zur Verfügung zu stellen und das Miteinander aller Nutzer zu fördern. Gleichzeitig bringen wir die Stimme des Wildes ein. Wir müssen alle ganzheitlich denken, um gemeinsam die richtigen Maßnahmen zu setzen.“ Um einen künftigen Dialog zu erleichtern, schlagen die Experten geeignete Plattformen und Zusammenschlüsse zu Gruppen vor, die Vertrauen fördern und die Verbindlichkeit erhöhen. Zu den erörterten Maßnahmen, die die Ergebnisse des ersten Runden Tisches ergänzen, gehören:

Lebensräume und Freizeitnutzung

  • Tourismus planbar machen und Besucherströme gezielt mit entsprechenden Wegen lenken (z.B. Digitalisierung, Datenerhebung, „Digital Ranger“, datenbasierte Entscheidungen, Onlinebuchungen)
  • Ballungsräume attraktivieren, um Freizeitflucht und Freizeitdruck im Umland zu minimieren
  • Wildökologische Raumplanung als Grundlage für eine integrative Siedlungs- und Raumplanung sowie als wichtigen Baustein für klimafitte Wälder stärken und auf allen Ebenen implementieren
  • Lebensräume über Grenzen hinaus weiterdenken

Land- und Forstwirtschaft

  • Wild und Lebensraum sind eine Einheit: Nicht jede Wildeinwirkung ist ein Schaden
  • Waldgesellschaft muss an sich veränderndes Klima angepasst werden
  • Importrestriktionen von Baumarten sollten überdacht werden, um den Anpassungsprozess an den Klimawandel zu unterstützen
  • Förderung der Biodiversität zielgerichtet vorantreiben (z.B. einjährige vs. mehrjährige Flächen, kleinflächige Strukturen mit Biotop-Verbundsystem statt Megaflächen, wildgerechte Regelungen) und Anforderungen klären

Gesetzliche Rahmenbedingungen

  • Kritisch-konstruktiver Umgang mit sektoral entstandener Rechtslage, die im Sinne ganzheitlicher Rahmenbedingungen angepasst wird
  • Forstgesetz um Standortfaktor Wild und Lebensraumfunktion weiterdenken
  • Abgeltung und Förderung von Leistungen für Natur- und Klimaschutz sowie die Allgemeinheit
  • Regionale Vertragslösungen statt gesetzlicher Einheitsregulierung

Wissensvermittlung und Kommunikation

  • Notwendigkeit der Wissensvermittlung über alle Altersschichten hinweg – Stichwort „lebenslanges Lernen“ von der Schule bis ins Erwachsenenalter
  • Multiplikatoren gewinnen und innovative Ideen umsetzen (z. B. Teach the Teacher, interaktive Freizeitnutzung, Potenziale von Communities in den Nutzergruppen heben)
  • Lebensraum und Naturnutzung in Schulcurricula verankern
  • Förderung kooperativer Plattformen unterschiedlicher Nutzergruppen, um Vertrauen zwischen Landwirten, Jägern und anderen Interessengruppen aufzubauen
  • Best Practice-Beispiele aufzeigen und vor den Vorhang holen
  • Zielkonflikte benennen und angehen
2. Runder Tisch des NÖ Jagdverbandes - <strong>GF Leopold Obermair MSc. fordert integratives statt sektorales Denken, um gemeinsame Ziele zu erreichen.</strong> - © Peter Ujfalusi
<strong>GF Leopold Obermair MSc. fordert integratives statt sektorales Denken, um gemeinsame Ziele zu erreichen.</strong> © Peter Ujfalusi
2. Runder Tisch des NÖ Jagdverbandes. - Experten fordern engere Abstimmung der Lebensraum-Nutzergruppen. - © Peter Ujfalusi
Experten fordern engere Abstimmung der Lebensraum-Nutzergruppen. © Peter Ujfalusi
2. Runder Tisch des NÖ Jagdverbandes. - „Wir müssen die Menschen für natur- und wildgerechtes Verhalten sensibilisieren“, fordert der stellv. Landesjägermeister, Ing. Johannes Unterhalser. - © Peter Ujfalusi
„Wir müssen die Menschen für natur- und wildgerechtes Verhalten sensibilisieren“, fordert der stellv. Landesjägermeister, Ing. Johannes Unterhalser. © Peter Ujfalusi