Reportage

Aus der Reihe getanzt

28. September 2022 -
Schloss Litschau - Steinalte Hülle, neue Ideen im Schloss Litschau. - © Martin Grasberger
Steinalte Hülle, neue Ideen im Schloss Litschau. © Martin Grasberger

Im nördlichsten Zipfel Österreichs liegt die Zweitausend-Seelen-Gemeinde Litschau und in deren Herzen das Schloss Litschau, das im 11. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt wird. Darin lebt die Familie Seilern-Aspang, die sich ganz dem Wild und dem Fisch verschrieben hat und mit innovativen Ideen neue Wege geht.

Bereits wenn man den Burg­graben überquert, scheint man tief ins Mittel­alter einzutauchen. Mit dem Auto quetscht man sich dann in Milli­meterarbeit durch die engen Durchfahrten der uralten Burg. „Die sind für Reiter und Kutschen ­gebaut worden und nicht für Autos“, scherzt Franziskus Seilern-Aspang, der junge Burgherr, „aber es geht sich mit eingeklappten Spiegeln und viel Gefühl aus!“ Man fühlt sich wahrlich in der Zeit zurückversetzt und wäre kaum überrascht, hinter der nächsten Ecke auf einen Ritter oder ein Burgfräulein zu treffen. Gleichzeitig verströmt der Burghof eine unglaubliche Atmosphäre, die Respekt einflößt und den Betrachter innehalten lässt. Die steilen Holzstiegen führen zu den Wohnräumlichkeiten der Burg, die wider Erwarten keinen muffigen Geruch verströmen; im Gegen­teil, man wähnt sich beim Betreten ­dieses historisch bedeutenden Bauwerks in einem modernen und lichtdurch­fluteten Gebäude, das so gar nicht zum äußeren Erscheinungsbild passen mag. Einzig das verhaltene Knarzen des getäfelten Holzbodens und die geschmackvolle Einrichtung verströmen wieder das Flair einer längst vergangenen Zeit.
Wir sind aber nicht wegen der geschichtlichen Bedeutung des Schlosses hier, sondern deshalb, weil die Familie Seilern-Aspang, bestehend aus Franziskus, Amelie und ihren vier Kindern, die Vermarktung von Wild und Fisch aus dem eigenen Betrieb auf eine neue, noch professionellere Stufe gestellt hat. Seit Mitte September sind die neu gebauten Verarbeitungsräumlichkeiten in Betrieb, wo jährlich etwa 8.000 kg Wildfleisch verarbeitet werden sollen. Aber der Reihe nach.
Franziskus nimmt auf dem Sofa Platz und gibt seine Wurzeln preis:
Die Familie Seilern stamme aus dem belgischen Brügge und sei seit Mitte des 17. Jahrhunderts in Österreich ­ansässig, anfangs im Schloss Alterlaa in Wien, wo sie für das Kaiserhaus tätig gewesen sei. Sie habe zudem einen ­Betrieb in der Nähe von Zlín, Tschechien, besessen, führt Franziskus aus. Im Jahr 1763 habe die Familie das Schloss ­Litschau erworben und 1774 Alterlaa veräußert. Der Litschauer Besitz sei einst 5.000 ha groß gewesen, nunmehr seien es durch strategische Verkäufe genau 4.000 ha, so Franziskus. Die ­Besitzgrenze bilde gleichzeitig auch die tschechische Staatsgrenze. Im Schloss habe es zweimal gebrannt, deshalb gebe es auch Ruinenteile in der Burg. Die seinerzeitige „Dachsteuer“, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts von Kaiser Joseph II, dem ältesten Sohn Maria Theresias, eingeführt worden sei, habe noch das ihrige dazu beigetragen, so Franziskus. (Diese Ver­mögenssteuer errechnete sich aus der Dachfläche, was viele Burgherren dazu veranlasste, Dächer abzudecken; klar, dass dies dem Verfall oft Tür und Tor öffnete.)

Zurück im Hier und Jetzt

Im Jahr 2014 haben Franziskus und Amelie geheiratet und den elterlichen Betrieb übernommen. Es gab immer die Idee, das Wild selbst zu verarbeiten und die Wertschöpfung an den Ent­stehungsort zu binden. Wild gibt es in den Revieren des Betriebes zur Genüge: Es werden jährlich bis zu achtzig Rehe, zwei- bis dreihundert Wildschweine und vierzig Stück Rotwild erlegt. „Es hat uns immer gestört, das Wild dem Wildbrethandel mehr oder weniger zu schenken, daher haben wir uns entschlossen, das Wild selbst zu verarbeiten und zu vermarkten“, argumentiert Franziskus ihren Entschluss. „Es ist in diesem Bereich noch sehr viel ­Potenzial“, bemerkt auch Amelie und verrät, dass die Nachfrage nach Wildprodukten höher sei als das Angebot.
Die wirtschaftliche Arbeit des Schlosses Litschau fußt im Wesent­lichen auf zwei Säulen, der Forst- und der Teichwirtschaft. Der Betrieb verfügt über 24 Teiche mit 130 ha Wasserfläche, wobei diese mit den zugepachteten ­Teichen ins­gesamt sogar 140 ha beträgt; insgesamt bewirtschaftet die Familie 49 Teiche, in denen sich 11 verschiedene Fischarten tummeln. Da weit über 90 % davon Karpfen sind, kann man durchaus von Karpfenteichen sprechen. „Die Nachfrage nach heimischem Fisch ist in den letzten Jahren extrem gestiegen, daher bauen wir in Josefsthal gerade einen neuen, 5 ha großen Teich“, weist Franziskus auf ein aktuelles Groß­projekt der Familie hin. „Nach seiner Fertigstellung soll dies der größte ­klassische Karpfenteich sein, der seit Jahrzehnten im Waldviertel neu gebaut worden ist.“

Schloss Litschau - Bereits wenn man den Burg­graben überquert, scheint man tief ins Mittel­alter einzutauchen. - © Martin Grasberger
Bereits wenn man den Burg­graben überquert, scheint man tief ins Mittel­alter einzutauchen. © Martin Grasberger
Schloss Litschau - Nahe der tschechischen Grenze hat sich das Ehepaar Seilern-Aspang ganz der Produktion von Fisch- und Wildspezialitäten verschrieben. - © Martin Grasberger
Nahe der tschechischen Grenze hat sich das Ehepaar Seilern-Aspang ganz der Produktion von Fisch- und Wildspezialitäten verschrieben. © Martin Grasberger

Der Fischotter als Problem

Auf die Frage, wie sehr sich der geschützte Fischotter auf die Teichwirtschaft auswirke, antwortet Franziskus: „Achtzig Prozent der im Bezirk Gmünd von der Behörde zum Abschuss frei­gegebenen Fisch­otter werden in Litschau erlegt!“ Zwar seien die meisten der ­erlegten Otter Jungtiere, dennoch werde nicht einmal der Nachwuchs abgeschöpft. Wirtschaftlich bemerke man bei den Teichen aber keine Entlastung durch den Abschuss; der Ausfraß bleibe gleich bzw. sei tendenziell sogar leicht steigend, so der Teichwirt. „Die Fischotterentnahme ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, beteuert Franziskus, denn: „Ein Jäger hat nichts von einem Abschuss. Er darf das Fell des erlegten Fischotters nicht verwerten, die Trophäe nicht behalten, und sobald er den kleinsten Formfehler macht, hat er das LKA bei sich sitzen.“ Das sei auch der Grund, warum der Fischotter nicht in dem Ausmaß bejagt werde, wie es erforderlich und auch vorgesehen sei. „Die Fischotterbestände werden trotz des Abschusses größer und größer. Ihr Ausfraß beträgt im Schnitt etwa 30 %, und es gibt sogar Teiche, in denen 80 % der eingesetzten Fische fehlen. Für den Ausfraß erhalten wir zwar eine Kompensation, doch welcher Schaf- oder Rinderzüchter würde akzeptieren, wenn vom Wolf jährlich dreißig Prozent gefressen würden?“

Schloss Litschau - Auf schlosslitschau.at kann man Karpfen-, Wildschwein- oder Reh-Aktionär werden. - © Schloss Litschau

Auf schlosslitschau.at kann man Karpfen-, Wildschwein- oder Reh-Aktionär werden. © Schloss Litschau

Der Konsument wird Aktionär

Eine kreative Idee hat etwa vor einem Jahr innerhalb der Gemäuer des Schlosses Litschau das Licht der Welt erblickt: Wenn man eine Reh-, eine Wildschwein- oder eine Karpfen-­Aktie kauft, wird man, bildlich gesprochen, vom Konsumenten zum Aktionär. Wenn man etwa eine Reh-Aktie kauft, erhält man im Herbst zur „Ausschüttung“ 3,5 kg küchenfertig zugeputztes Wildbret vom Reh, das ein Potpourri aus verschiedenen Teilen, wie Steaks, Schnitzel, Gulasch, Rücken usw., darstellt. Die Reh-Aktie kostet für ein Jahr € 80,–, die Wildschwein-Aktie € 70,– und die Karpfen-Aktie € 40,–. Das Angebot ist limitiert: Insgesamt gibt es zum Beispiel 21 Reh-Aktien, die auch bereits ausverkauft sind. Der Kunde kann Aktien aber nicht nur ein Jahr, sondern bis zu drei Jahre für sich „arbeiten“ lassen, um am Schluss eine höhere „Dividende“ in Form von Wild- und Fischspezialitäten zu erhalten. Die Aktien werden auf der Website der Familie, schlosslitschau.at, angeboten.

Klein, aber fein

„Unser Sortiment lehnt sich an das Motto ,Weniger ist mehr‘, und wir möchten uns in einer Nische spezialisieren. Dabei fahren wir zwei Schienen – im ländlichen Raum (Waldviertel) und in der Stadt (Wien). Während wir im Waldviertel in einigen Hofläden vertreten sind, haben wir kürzlich ausgewählte Wildprodukte – Hotdogs, Bratwürste und die ,Heiße Wilde‘, eine Klobasse vom Wild – beim ,Waldviertel-pur‘-­Festival auf dem Wiener Rathausplatz anbieten können“, erzählt Amelie. Das Wildschwein­geselchte ist eines der Highlights unseres Sortiments, aber auch Salamis, Kaminwurzen und Salamettis sind äußerst beliebt. Fleischhauer aus dem Ort bringen ihr Wissen in die ­Produktentwicklung ein. „Unser ,Grobian‘ vom alten Keiler, ein uraltes Wurst­rezept, wäre der absolute Renner, wenn es nur genug alte Keiler gäbe“, schmunzelt Franziskus.
Der Verkauf erfolgt in erster Linie über den Handel, weniger direkt an den Endkonsumenten (mit Ausnahme des Ab-Hof-Verkaufs). In Wien findet man die Schloss-Litschau-Produkte unter anderem in Toni Mörwalds Kochamt (1010) oder im Goldfisch (1080). Auch auf der Onlineplattform porcella.at können Wild & Fisch vom Schloss ­Litschau bestellt werden. Dort gibt es hochwertiges Bio-Fleisch, Bio-Fisch und Feinkost, das von nachhaltig wirtschaftenden Produzenten stammt.
Etwa acht Tonnen Wild fallen im Jahr an, beim Reh gibt es noch Luft nach oben. „Wir wollen den Rehabschuss von derzeit 1,5 Stück auf 2 Stück je 100 ha erhöhen“, stellt Franziskus klar. Den Teichen werden im Jahr etwa vierzig Tonnen Karpfen entnommen, davon frisst neun der Fischotter. „Unser Karpfenkaviar, der von der Familie Hofbauer in unserem Auftrag hergestellt wird, ist bei der Ab-Hof-Messe in Wieselburg dreimal mit Gold ausgezeichnet worden“, ist das Ehepaar stolz. „Es ist ein gutes Gefühl, Wild und Fisch zu ­veredeln und vom Kunden ein tolles Feedback zu erhalten.“

Schloss Litschau - Fleischhauer aus dem Ort bringen ihr Wissen in die ­Produktentwicklung ein. - © Schloss Litschau
Fleischhauer aus dem Ort bringen ihr Wissen in die ­Produktentwicklung ein. © Schloss Litschau
Schloss Litschau - Wenn man etwa eine Reh-Aktie kauft, erhält man im Herbst zur „Ausschüttung“ 3,5 kg küchenfertig zugeputztes Wildbret vom Reh. - © Schloss Litschau
Wenn man etwa eine Reh-Aktie kauft, erhält man im Herbst zur „Ausschüttung“ 3,5 kg küchenfertig zugeputztes Wildbret vom Reh. © Schloss Litschau
Schloss Litschau - Seit Mitte September sind die neu gebauten Verarbeitungsräumlichkeiten in Betrieb, wo jährlich etwa 8.000 kg Wildfleisch verarbeitet werden sollen. - © Schloss Litschau
Seit Mitte September sind die neu gebauten Verarbeitungsräumlichkeiten in Betrieb, wo jährlich etwa 8.000 kg Wildfleisch verarbeitet werden sollen. © Schloss Litschau
Schloss Litschau - Das Wildschwein­geselchte ist eines der Highlights des Sortiments, aber auch Salamis, Kaminwurzen und Salamettis sind äußerst beliebt. - © Martin Grasberger
Das Wildschwein­geselchte ist eines der Highlights des Sortiments, aber auch Salamis, Kaminwurzen und Salamettis sind äußerst beliebt. © Martin Grasberger
Schloss Litschau - Das Sortiment lehnt sich an das Motto "Weniger ist mehr", und man möchte sich in einer Nische spezialisieren. - © Martin Grasberger
Das Sortiment lehnt sich an das Motto "Weniger ist mehr", und man möchte sich in einer Nische spezialisieren. © Martin Grasberger
Schloss Litschau - Auf der Onlineplattform porcella.at können Wild und Fisch vom Schloss ­Litschau bestellt werden. - © Martin Grasberger
Auf der Onlineplattform porcella.at können Wild und Fisch vom Schloss ­Litschau bestellt werden. © Martin Grasberger
Schloss Litschau - "Es ist ein gutes Gefühl, Wild und Fisch zu veredeln und vom Kunden ein tolles Feedback zu er­halten." - Amelie und Franziskus Seilern-Aspang - © Martin Grasberger
"Es ist ein gutes Gefühl, Wild und Fisch zu veredeln und vom Kunden ein tolles Feedback zu er­halten." - Amelie und Franziskus Seilern-Aspang © Martin Grasberger

„Fisch-Tanz“

Am 25. und 26. 10. 2022 findet im Schloss Litschau der zweitägige „Fisch-Tanz“ mit Grill-Weltmeister Adi Bittermann und „Jäger-Asador“ Jürgen Kernegger statt. Ein Fest, bei dem im Zuge des Abfischens über offenem Feuer gegrillt wird. „Während die Schloss­fischerei in ihren Wathosen abfischt, hat man die Möglichkeit, am Teich ein acht- bis zehngängiges Fischmenü mit Wels, Karpfen und Zander zu genießen. Genuss trifft auf ­Ursprung, dazwischen bietet sich die Gelegenheit, mit den Fischern zu sprechen“, freut sich Amelie auf den Event. Übrigens: Es gibt noch Karten (Preis: € 299,–). Informationen & Bestellung unter Tel. 0 664/ 503 77 86 bzw. per E-Mail an: office@schlosslitschau.at