Reportage

Gmundner Keramik: Heimat auf dem Teller

1. März 2021 -
Gmundner Keramik Manufaktur

Kaum ein Jäger­haushalt, in dem der Frühstückskaffee, die Nachmittagsjause oder das Weidmannsheil-Stamperl nicht schon aus einem Gmundner Keramik-Gefäß genossen wurde. Worin liegt die Faszination und wie entstehen die edlen Stücke? Das haben wir uns in der Gmundner Keramik Manufaktur im Salzkammergut ganz genau angesehen.

Ein paar Scheiben rosa gebratenes Reh, darüber eine Creme aus Räuchersaibling, und in der Mitte springt der grüne Hirsch. Vorsichtig platziert Andrea Bergbaur daneben eine „wilde Rose“ aus Hirschschinken und Lachsforelle, angerichtet in einem kleinen Schälchen im selben grünen Dekor.

Seit mehr als 200 Jahren gibt es das Jagersimmerl in Grünau im Almtal, im oberösterreichischen Salzkammergut, bereits. Als Jäger mit Eigenjagd ­erlegt und zerwirkt der Wirt, Christian Bergbaur, jedes Jagdjahr einige Stücke Rot-, Reh- und Gamswild, die zu wilden Schmankerln verkocht und veredelt werden. Der Bachsaibling und die Lachsforelle sind ebenfalls hauseigene Produkte aus der Jagersimmerl-­Fischerei, in der Hand der nächsten Generation: Tochter Johanna Bergbaur und ihrem Partner Markus Rohn. – Das Handwerk beginnt eben bereits beim Weidwerk, und serviert wird, wie in zahllosen weiteren (Jäger-)Haushalten, auf Gmundner ­Keramik.

Handwerk mit Herzblut

Sehr viele Generationen länger gibt es im Salzkammergut die Keramik-­Tradition. 1492 wird die heute größte Keramikmanufaktur Mitteleuropas erstmals urkundlich erwähnt. Auch heute noch entsteht jedes Gmundner Keramik-­Produkt in Handarbeit und ist daher ein Unikat.

Das „Grüngeflammte“ – das Keramik­design mit den typischen grünen Kreisen – für das Gmundner Keramik weltweit bekannt ist, entstand bereits im 17. Jahrhundert. Auch heute noch zählt es zu den Top-drei-Designs. Die beiden anderen Verkaufsschlager sind übrigens das Design „Streublume“ und „Grauer Hirsch“. Auch die beliebtesten Formen haben sich herauskristallisiert. Momentan besonders gefragt sind etwa der ­Frühstücksbecher für den gemütlichen Morgenkaffee und, keine allzu große Überraschung bei unserer Mehlspeisnation, der Dessertteller und die dazugehörige Tasse.

„Seit rund 120 Jahren befindet sich die Manufaktur an ihrem heutigen Standort in Gmunden“, so Geschäftsführer Andreas Glatz, selbst begeisterter Jäger. 130 Mitarbeiter sind hier beschäftigt, der Großteil davon ist in der Produktion in den verschiedensten Fertigungsschritten tätig. Alleine in der Malerei sitzen 22 Malerinnen und ein Maler. Die Chefin der Malerei­abteilung ist Frau Gabi Fröhlich. „Im August werden es 40 Jahre, dass ich bei Gmundner Keramik bin. Begonnen habe ich in der Flammerei und nicht nur die Arbeit, auch die Clique, das hat einfach gepasst. Wir haben so einen Spaß gehabt!“, erinnert sie sich lachend zurück. „In der Malerei waren die ­Bereiche früher aufgeteilt, so gab es zum Beispiel eine eigene Tupferl-­Malerei“, weiß sie. Diese Trennung gibt es heute nicht mehr. Einen Tag malt eine Malerin den rosafarbenen Hirsch, einen anderen pinselt sie wiederum die Herzerl, die Tupferl oder die Streu­blumen. Je nachdem, was gerade gefragt ist. Bis man in dieser Abteilung sein Handwerk wirklich beherrscht, dauert es übrigens zwei Jahre!

Bis man in der Malerei-Abteilung sein Handwerk wirklich beherrscht, dauert es übrigens zwei Jahre!

Ein Schritt nach dem anderen

Um letztendlich ein fertiges Häferl, einen Krug oder einen Teller in den Händen zu halten, sind zur Produktion eines Stückes insgesamt zehn ver­schiedene Schritte erforderlich. Es beginnt mit der Masseaufbereitung, weiter geht es mit dem Formenbau, je nach Form geht es weiter in die ­Gießerei, Dreherei oder in die Presse, weiter bis zur Retusche, also dem Zurechtschneiden der Formen und dem „Henkelgarnieren“, dem Anbringen des Henkels an ein Häferl. Es folgen Glasur, Flammerei und Malerei, schließlich gelangen die Stücke ins Brenn­haus und zur Qualitätskontrolle. Auch Maschinen kommen bei der Produktion der Stücke zum Einsatz, sie dienen ­allerdings ­lediglich dazu, das Handwerk zu unterstützen.
Der Faktor Zeit gibt vor, wie schnell ein Stück entsteht, ein Teller geformt oder eine Tasse, eine Schüssel, die bekannte Milchkuh (siehe rechts) gegossen ist. In den Anfangsschritten entscheidet nicht der Mensch, sondern der Ton, wie rasch sich überschüssiges Wasser wieder aus der Masse entziehen lässt. Das dauert einfach seine Zeit. ­Genauso, wie es eine Zeitlang dauert, bis die Mitarbeiter ein Gefühl für die Arbeitsschritte entwickeln. Dabei geht es nicht nur um die Malerei. Auch einen Henkel zu retuschieren ist nichts, was man im Vorbeigehen kann – wir haben es ausprobiert. Auch das Flammen sieht sehr viel einfacher aus, als es ist und benötigt Routine wie Fingerspitzen­gefühl. Ein falscher Strich auf einem fast fertig bemalten Stück kann selbiges zunichtemachen.

Gmundner Keramik Manufaktur
Gmundner Keramik Manufaktur
Gmundner Keramik Manufaktur
Gmundner Keramik Manufaktur
Gmundner Keramik Manufaktur
Gmundner Keramik Manufaktur
Gmundner Keramik Manufaktur
Gmundner Keramik Manufaktur
Gmundner Keramik Manufaktur
Gmundner Keramik Manufaktur

Die Keramik, die in der Gmundner Keramik Manufaktur verarbeitet wird, setzt sich aus den drei natürlichen Grundstoffen Feldspat, Quarz und ­Kaolin zusammen und wird in der Manufaktur nach einer geheimen, alten Rezeptur gemischt. Im manufaktur­eigenen Labor werden auch die Farben für die Dekors selbst gemischt. Zudem ist es auch möglich, sich mit eigenen Designs an Gmundner Keramik zu wenden und diese in der Manufaktur umsetzen zu lassen. Das WEIDWERK hat übrigens sein Logo, den Fuchs, im – extra entwickelten – typischen Weidwerk-Fuchsrot auf Frühstückstassen pinseln lassen (rechts unten abgebildet).

Prädikat: zeitlos!

Durch mehr als 60 Hände geht ein Stück, bis es endgültig verkaufsbereit ist und in einen (Jäger-)Haushalt einziehen kann. In zahllosen Küchen und Stuben, auf Esszimmer- und Wohn­zimmertischen finden sich Stücke vom Grüngeflammten, den Streublumen oder dem Hirsch in Grau, Grün oder Rosa. Ist es altmodisch, das bemalte Geschirr in den Händen junger Leute? Weit ­gefehlt! Zeitlos sind die Stücke, und hochgeschätzt im In- und Ausland.

Mit etwas Achtsamkeit können die ­Stücke von Generation zu Generation weitergegeben werden – wie beim Jager­simmerl.

Gmundner Keramik Manufaktur

Keramikstraße 24
4810 Gmunden

Tel. +43 (0) 761 2/786-0
E-Mail: office@gmundner.at
Web: www.gmundner.at

Manufakturverkauf – Shop, Öffnungszeiten:
Montag-Freitag: von 9 bis 18 Uhr
Samstag: von 9 bis 17 Uhr (bitte Website beachten)
Manufakturführungen:
Montag bis Samstag:
10.30 Uhr & 13 Uhr
Nur nach telefonischer Anmeldung (per E-Mail nicht möglich).
Gmundner Keramik Brand Stores sind zu finden in der Salzburger Getreidegasse und in Hallstatt.
Ein Outlet Center gibt es zudem im Designer Outlet Salzburg.