Jagd nach "Likes": Verantwortung im Web
Die öffentliche Meinungsbildung findet zunehmend in den Sozialen Medien statt. Wie hinterlassen Jägerinnen und Jäger einen positiven digitalen Fußabdruck?
Wir betrachten die Jagd gerne ein bisschen nostalgisch, als ein von Gott gegebenes Recht. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Im Jagdjahr 2017/2018 gab es in Österreich etwa 130.000 Jägerinnen und Jäger mit gültiger Jagdkarte. Das entspricht rund 1,5 % der Bevölkerung. Ob es uns gefällt oder nicht, unser Jagderbe liegt letztendlich auch in den Händen der 98,5 % der nicht jagenden Mehrheitsgesellschaft. Glücklicherweise ist ein großer Teil dieser Nichtjäger mit der Jagd einverstanden. Können wir aber diese Unterstützung aufrechterhalten, wenn wir uns nicht darüber einig sind, wie die Jagd in der Öffentlichkeit dargestellt werden soll? Meinungsverschiedenheiten sind für uns Jäger als heterogene Gruppe nichts Neues. In diesem Fall könnten sie allerdings fatale Folgen für uns haben.
Die Sozialen Medien bieten im Prinzip großartige Plattformen, um unsere positiven Botschaften zu vermitteln und zu verbreiten. Die Themen, die wir Jägerinnen und Jäger abdecken, sind in hohem Maße glaubwürdig und aktuell. Die Jagd bietet unzählige bildgewaltige und authentische Geschichten – Themen, wie Klimawandel, Biodiversität, Umwelt-, Tier-, Arten- und Naturschutz oder die Herstellung eines hochwertigen Lebensmittels mit positiver CO2-Bilanz, entsprechen dem heutigen Zeitgeist und bewegen auch die nicht jagende Öffentlichkeit. Sinn und Nutzen der Jagd zeigen sich gerade im heurigen Jahr mit dem Coronavirus und dem Lockdown besonders deutlich. Regionale Produkte und eine intakte Natur rücken vermehrt in den Fokus der jagenden wie auch der nicht jagenden Bevölkerung. Ideale Voraussetzungen also, um die Legitimation der Jagd durch eine gelungene Online-Kommunikation auch für die Zukunft zu gewährleisten, könnte man meinen. Leider verhindern die unterschiedlichen Vorstellungen darüber, wie wir unsere Inhalte gewichten und darstellen sollten, dass wir unsere umfassende Verantwortung und unseren gesellschaftlichen Beitrag überzeugend nach außen transportieren. Unser Verhalten in den Sozialen Netzwerken, etwa auf den Plattformen Facebook und Instagram, könnte man in dieser Hinsicht durchaus als „pubertär“ bezeichnen. Was uns fehlt, ist eine grundsätzliche und kollektive Reife im Umgang mit jagdlichen Inhalten im Netz. Wir brauchen eine Bewusstseinserweiterung dafür, welchen Einfluss unsere Online-Aktivitäten auf die Wahrnehmung der Jagd in der Öffentlich-keit haben. Wir müssen nach Einigkeit über gemeinsame Standards streben, die definieren, welche Inhalte für Social Media geeignet sind und welche nicht. Nur ein gemeinsamer, tragfähiger Konsens, der uns im Internet einen Orientierungsrahmen bietet und an den wir uns konsequent halten, kann die Grundlage für ein positives Bild der Jagd schaffen.
Unsere geposteten Fotos müssen immer und überall für sich selbst sprechen können und auch ohne weitere textliche Erläuterung ein positives Bild der Jagd erzeugen.
Digitale Kluft
Vor allem die junge Generation der Jägerinnen und Jäger ist in der Pflicht, positive Akzente auf Social Media zu setzen, mit gutem Beispiel voranzugehen und dadurch die Selbstregulierung im Internet zu fördern. Weltweit nutzen unter 35-Jährige die Sozialen Medien viel intensiver als die über 35-Jährigen.(1) Dadurch entsteht eine altersbedingte, digitale Kluft im Netz, ein sogenannter „Digital Age Gap“. Im Kontext mit der Jägerschaft kommt diese Kluft besonders deutlich zum Ausdruck. Der Grund dafür ist deren Überalterung. In Deutschland sind 60 % der Jägerinnen und Jäger laut einer Mitgliederbefragung des Deutschen Jagdverbandes (DJV) 55 Jahre und älter.(2) Lediglich 15 % oder 58.279 Personen sind 1980 und später geboren und gehören damit zu den „Digital Natives“, den „digitalen Eingeborenen“ (Anm.: die Berechnung ist basierend auf der Anzahl der Jagdscheininhaber in Deutschland im Jagdjahr 2018/19: 388.529 Personen).(3)
Sie sind mit den neuen Medien aufgewachsen und verfügen über eine digitale Intuition im Umgang mit diesen. Die große Mehrheit der deutschen Jägerschaft, nämlich 85 %, sind „Digital Immigrants“ oder „digitale Einwanderer“ (330.250 Personen). Sie sind analog geprägt und müssen den Umgang mit den neuen Technologien erst mühsam erlernen. Dies führt dazu, dass eine relativ kleine Gruppe von Jägerinnen und Jägern mit einer hohen Social-Media-Nutzungsfrequenz im Hinblick auf die Darstellung der Jagd in den Sozialen Netzwerken eine große Verantwortung trägt. Dabei sollten wir allerdings beachten, dass Social-Media-Intuition nicht automatisch Social-Media-Kompetenz bedeutet. Der sensible Umgang mit jagdlichen Inhalten im World Wide Web gehört deshalb als fester Bestandteil in jedes jagdliche Aus- und Weiterbildungsprogramm. Diese Forderung deckt sich auch mit der Auffassung der jungen Jägergeneration: 60 % teilen diese Meinung.(4)
Vor allem die junge Generation der Jägerinnen und Jäger ist in der Pflicht, positive Akzente auf Social Media zu setzen, mit gutem Beispiel voranzugehen und dadurch die Selbstregulierung im Internet zu fördern.
Kommunikation im 21. Jahrhundert
Die Interaktion via Social Media ist zur neuen Norm der Kommunikation geworden. 80 % der Menschen in Deutschland, die das Internet nutzen, sind inzwischen auch in einem Sozialen Netzwerk aktiv – das sind mehr als jemals zuvor. Zum Vergleich: 2011 nutzten erst zwei Drittel der Internetnutzer die Sozialen Medien.(5) Auch für die Jägerschaft hat diese Entwicklung Konsequenzen, denn die Jagd war gesellschaftlich noch nie so transparent wie heute. Dadurch sehen wir Jägerinnen und Jäger uns mit einem neuen Verantwortungsbereich konfrontiert. Diese Verantwortung endet nicht mit der praktischen Jagdausübung, sondern erstreckt sich weit darüber hinaus und greift für alle jagenden Online-User, wann immer sie im Netz aktiv sind. Um einen breiten und tragfähigen Konsens definieren zu können, welche Maßstäbe wir für unsere Social-Media-Aktivitäten ansetzen wollen, müssen wir die Tragweite dieser Herausforderung vollumfänglich erfassen. Dazu gehört auch die Erkenntnis über die Bedeutung der geposteten Bilder.
In den Sozialen Netzwerken spielen sie die zentrale Rolle. Visuelle Inhalte haben eine wesentliche Funktion bei der Übermittlung und Erklärung von Informationen. 90 % der an das Gehirn übermittelten Informationen sind visueller Natur, und unser Gehirn kann sie um das 60.000-Fache schneller aufnehmen als schriftliche Inhalte.(6) Um die Bedeutung von Texten zu begreifen, müssen wir diese erst in ihrer Gesamtheit verstehen. Das ist anstrengend und kostet Zeit. Unser Gehirn ist faul, und visuelle Inhalte kommen seiner Bequemlichkeit entgegen. Darauf fußt auch die beeindruckende visuelle Interaktionsfrequenz von Facebook: Täglich werden 350 Millionen Bilder auf die Plattform hochgeladen.(7) Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass wir die Bildnutzungsrechte in vollem Umfang an die Plattform abtreten und „unser“ Bild jederzeit von allen aufgegriffen, aus dem Kontext gerissen und weiterverwendet werden kann.
Ein sensibler Umgang mit jagdlichen Fotos im Netz ist deshalb für uns Jäger von essenzieller Bedeutung. Unsere geposteten Fotos müssen immer und überall für sich selbst sprechen können und auch ohne weitere textliche Erläuterung ein positives Bild der Jagd erzeugen. Bilder formen unsere Botschaft und bleiben in Erinnerung.
Zerrbild der jagdlichen Realität
Auf den Social-Media-Plattformen geht es um „Shared Reality“, also um eine geteilte Realität. Was wir Jäger im Kollektiv im Internet von uns zeigen, hat mit der Wirklichkeit allerdings wenig zu tun. Im Gegenteil – durch eine Flut von Erlegerbildern erzeugen wir ein Zerrbild der Jagd mit negativen Konsequenzen für unser Image in der Öffentlichkeit. Die Vielfalt des jagdlichen Handwerks, der Aspekt der Nachhaltigkeit und der gesellschaftliche Beitrag, den wir leisten, werden nur am Rande vermittelt. Es kommt erschwerend hinzu, dass sich das Weidwerk nicht in wenigen Worten beschreiben lässt, da es auf komplexen Zusammenhängen beruht. Durch unästhetische Bilder, die beim Betrachter negative Gefühle erzeugen, sind wir Jäger es leider oft selbst, die die Munition für unsere Kritiker liefern. Würden wir sie nicht mit stark polarisierenden Inhalten versorgen, hätten sie auch keine Geschichten zu erzählen. Wir alle wissen, dass es unter unseren Gegnern auch radikale Strömungen gibt, die gezielt auf der Suche nach Bildmaterial sind, um uns zu schaden. Diese Anti-Jagd-Aktivisten nutzen unseren gedankenlosen Umgang mit jagdlichen Inhalten, um in der öffentlichen Debatte Stimmung zu machen und politische Mehrheitsverhältnisse basierend auf Emotionen anstelle von Fakten zu beeinflussen. Trophäenbilder stehen dabei besonders im Fokus. Sie spalten Jägerschaft wie Öffentlichkeit und können mitunter zu gezielten „Shitstorms“ führen, wenn sie viral gehen. Ein interessanter Aspekt dabei ist, dass die Veröffentlichung und Verbreitung von Trophäenbildern bei 70 % der jagenden Internetnutzer generell auf Ablehnung stößt.(8) Zu den restlichen 30 % mögen überzeugte Verfechter solcher Bilder gehören; ich vermute sie in einer kleinen Minderheit. Dem größeren Teil der Trophäen-Poster wird die Wirkung solcher Fotos schlicht nicht ausreichend bewusst sein, weil bisher keine differenzierte und ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Thema stattgefunden hat. Dabei ist die Konsequenz unreflektierter Social-Media-Postings offensichtlich. Das Resultat offenbart sich in den Ergebnislisten der großen Suchmaschinen. Die Algorithmen von Google & Co sind auf Emotionen ausgelegt. Alle Motive in den Sozialen Medien, die beim Betrachter starke Gefühle auslösen, wie etwa Hass, Wut, Abscheu oder Angst, provozieren Interaktionen (Kommentare, sogenannte „Shares“, also das Teilen von Inhalten usw.) und erscheinen weit oben an prominenter Stelle. Wir alle sind deshalb dazu angehalten, Fotos zu vermeiden, die diese Verzerrung der jagdlichen Realität in der Öffentlichkeit zusätzlich befeuern. Sorgfältig ausgewählte Jagdbilder sind wichtig, um eine ausgewogene und authentische Darstellung unserer vielfältigen Verantwortung in der öffentlichen Wahrnehmung zu erreichen.
Rückzug in geschlossene Gruppen
In der heutigen Zeit der medialen Transparenz können wir Jägerinnen und Jäger uns eine Abschottung nicht mehr leisten – weder offline noch online. Wenn wir die Jagd als nachhaltiges Naturschutzinstrument verteidigen und überzeugend transportieren möchten, müssen wir in einen ausgewogenen Dialog mit der nicht jagenden Öffentlichkeit treten. Dafür müssen wir bereit sein, unsere kommunikative Komfortzone zu verlassen. Diese konzentriert sich primär auf geschlossene Online-Gruppen, die für die Interaktion innerhalb der Jägerschaft präferiert genutzt werden. Für junge jagende Social-Media-User ist der Aspekt des „Unter-sich-Bleibens“ nämlich sehr zentral. Sie bevorzugen den Austausch mit Gleichgesinnten. Über 80 % der jagenden Online-User sind Mitglied in durchschnittlich vier jagdlichen Online-Gruppen.(9) Solche Gruppen entsprechen zwar dem Bedürfnis nach Verständigung und Zugehörigkeit, jedoch verhindern sie nicht nur einen Austausch mit Nichtjägern, sondern sie haben auch die Tücke, Privatsphäre zu suggerieren, wo es keine gibt!
Man befindet sich vermeintlich im vertrauensvollen Austausch mit Seinesgleichen. Dies kann gravierende Folgen für das Image der Jagd haben, da man sich dazu verleitet fühlt, Inhalte zu posten, die im Netz nichts verloren haben und besser im privaten Fotoalbum aufgehoben wären. Es muss uns jederzeit klar sein: Im Social Web gibt es keine Privatsphäre – auch nicht in geschlossenen Gruppen!
Informieren statt provozieren!
Bill Gates sagte einmal: „Wer die Bilder beherrscht, beherrscht auch die Köpfe der Menschen.“ Die jagdlichen Inhalte im Netz formen das Image der Jagd in der Öffentlichkeit, und für die Qualität dieser Inhalte sind wir selbst verantwortlich. Insbesondere die visuelle Interaktion muss konsequent auf den Prüfstand. Es versteht sich von selbst, dass alle Veröffentlichungen dem allgemeinen Verständnis der Weidgerechtigkeit entsprechen müssen. Wir Jägerinnen und Jäger dürfen zu keinem Zeitpunkt außer Acht lassen, dass Jagdbilder auf die nicht jagende Öffentlichkeit anders wirken als auf uns selbst. Bilder sind wie Symbole, denen wir eine Bedeutung zuschreiben. Sie und ich können dasselbe Foto betrachten oder dieselbe Geschichte lesen, ohne die gleiche Bedeutung wahrzunehmen. Noch deutlicher ist der Unterschied in der Wahrnehmung zwischen Jägern und Nichtjägern. Während wir basierend auf unserer eigenen Erfahrung eher in der Lage sind, einem jagdlichen Bild die entsprechenden Emotionen zuzuordnen, können Nichtjäger unsere Motivation dahinter nur beschränkt oder überhaupt nicht nachempfinden. Ein Perspektivenwechsel kann uns
bei der Entscheidung helfen, ob sich ein Bild für Social Media eignet oder nicht. Fotos, die dem Betrachter keine positive oder aufklärende Botschaft vermitteln, müssen vermieden werden. Die Öffentlichkeit wie auch der überwiegende Teil der Jägerschaft möchte keine Bilder im Internet sehen, die den Eindruck der Selbstdarstellung, der Überlegenheit des Schützen oder des fehlenden Respekts gegenüber der Kreatur hervorrufen. Unser Ziel sollte es sein, möglichst keine negativen Emotionen beim Betrachter hervorzurufen. Wir wollen informieren und nicht provozieren! Themen mit Servicecharakter, etwa Wildtiere in der Stadt, Verkehrssicherung, Wildbret-Rezepte, Kitzrettung usw., und pädagogischem Wert eignen sich deshalb besser als die Dokumentation der Jungfuchsbejagung oder die plakative Darstellung großer Jagdstrecken. Zur Welt der Sofortkommunikation gehört auch, dass ein unreflektiertes „Enter“ eines einzelnen Jägers massive Auswirkungen auf alle Jägerinnen und Jäger haben kann. Bereits ein einziges ungeeignetes Bild kann einen nachhaltigen Imageschaden bedeuten! Wir alle tragen deshalb eine kollektive Verantwortung und sollten stets im Sinne der gesamten jagdlichen Community handeln. Im Social Web sind wir alle Botschafter für die Jagd – ob wir das wollen oder nicht.
Es muss uns jederzeit klar sein: Im Social Web gibt es keine Privatsphäre – auch nicht in geschlossenen Gruppen!
Digitale Kompetenz
Die Wissenschaft und die Fakten sind auf unserer Seite. Was wir aber in der Jägerschaft brauchen, sind mehr digitale Kompetenz und gesunder Menschenverstand im Umgang mit öffentlichkeitsrelevanten Inhalten im Netz. Es liegt in unserer Hand, ob soziale Netzwerke die Jagd stärken oder schwächen. Letztendlich ist Social Media lediglich ein Werkzeug, ein Kanal, mit dem 1,5 % Jägerinnen und Jäger 98,5 % Nichtjäger erreichen und überzeugen können. Wenn wir unser Privileg der Ausübung des Weidwerks nicht verlieren wollen, sollten wir das zu keinem Zeitpunkt vergessen!
Über die Autorin:
Christine Fischer ist Akademische Jagdwirtin und betreibt den Online-Blog "Hirsch&Co": www.hirschundco.com
Literaturhinweise:
(1) Rohleder, B.: Social-Media-Trends 2018. BITKOM Studie. www.bitkom.org/sites/default/files/file/import/180227-Bitkom-PK-Charts-Social-Media-Trends-2.pdf
(2) www.jagdverband.de/zahlen-fakten/zahlen-zu-jagd-und-jaegern
(3), (4), (8), (9) Fischer, C.: Digital Natives und ihr Zugang zur Jagd – Denkansätze für die Jägerschaft zur nachhaltigen Imagepflege im Zeitalter digitaler Transformation. Abschlussarbeit JagdwirtIn, BOKU Wien, 2019
(5) Brandwatch: www.brandwatch.com/de/blog/facebook-statistiken/
(6) Br24 High quality media solutions: www.br24.com/de/blog-de/
(7) www.faktenkontor.de/pressemeldungen/social-media-nutzung-auf-rekordniveau
Fotocredits:
Akademische Jagdwirtin Christine Fischer: Christine Fischer
Jäger mit Kamera: WEIDWERK-Archiv/Michael Migos
Jagdhund: WEIDWERK-Archiv/Fritz Wolf
Wildbretverarbeitung, Rebhuhn, Salzlecke, Wassertränke: WEIDWERK-Archiv/Michaela Landbauer
Speisenfoto Rehrücken: WEIDWERK-Archiv/Oliver Deck