Reportage

Nachsuchen mit der Faustfeuerwaffe: Üben mit Profis

1. Oktober 2019 -
Nachsuchen mit der FFW: Üben mit Profis!

Wer schon einmal mit der Faustfeuerwaffe Schwarzwild nachsuchen und möglicherweise eine brenzlige Situation meistern musste, weiß um die Schwierigkeit im Umgang mit Pistole & Co. – Wie man diesbezüglich zum Profi wird, haben wir uns in Sollenau, Niederösterreich, angesehen.

Seit Jänner 2019 ist es bekanntlich jedem Jäger, der im Besitz einer gültigen Jagdkarte und einer Waffenbesitzkarte ist, möglich, eine Schusswaffe der Kategorie B – Faustfeuerwaffen oder halbautomatische Schusswaffen – im Jagd­betrieb („während der tatsächlichen Ausübung der Jagd“) zu führen. Somit wird es nicht zuletzt Hundeführern, die über keinen Waffenpass verfügen, möglich, bei der Nachsuche auf wehrhaftes Wild eine Faustfeuerwaffe zu führen und einzusetzen.

Durch den Umstand, dass eine ­Pistole im Jagdbetrieb nicht regelmäßig gebraucht wird, ist es oft so, dass die Mehrheit der Jägerinnen und Jäger den Umgang mit der Faustfeuerwaffe zwar trainiert, aber im Ernstfall – etwa bei der Nachsuche auf ein krank­geschossenes Wildschwein – dennoch in Situationen geraten kann, die nicht nur fordernd, sondern unter Um­ständen sogar überfordernd sind. Wenn dann – oft mit mehreren Beteiligten – eine Faust­feuerwaffe zum Einsatz kommt, kann es brandgefährlich werden!

Man hat somit als Waffenträger die Pflicht, nicht nur mit Büchse und Flinte ausreichend und praxisgerecht zu trainieren, sondern auch mit der Faustfeuerwaffe! Wie ein solches ­Training aussehen kann und welche jagdnahen Szenarien trainiert werden können, haben wir uns bei „Edelweiss Adventure“ in Sollenau, Bezirk Wr. Neustadt-Land, Niederösterreich, ange­sehen. – Ein Schießstand, in dem auch für Jäger einiges geboten wird.

Nachsuchen mit der FFW: Üben mit Profis!
Nachsuchen mit der FFW: Üben mit Profis!
Nachsuchen mit der FFW: Üben mit Profis!
Nachsuchen mit der FFW: Üben mit Profis!

Im Gespräch mit Simon Hausknost

Das WEIDWERK-Team hat sich vor Ort umgesehen und den Mitbetreiber des Schießstandes, Simon Hausknost, vielen Jägerinnen und Jägern bekannt durch seine Vortragstätigkeit beim NÖ Jagdverband, zum Interview gebeten.

WEIDWERK: Warum bieten Sie neuerdings auch Kurse für Jäger an?
Simon Hausknost: Der Ansatz, warum wir uns dazu entschlossen haben, Kurse speziell für Jäger anzubieten, ist, dass sich das Szenario einer Nachsuche unter Umständen nicht von einer Selbst­verteidigungssituation unterscheidet, das heißt: Dieselben Schießtechniken, dieselben Verhaltensweisen und dieselbe Handhabung sind grundsätzlich notwendig und auch ­gefragt.

Die Thematik ist zwar aufgrund der neuen gesetzlichen Möglichkeiten aktuell, doch liegen erfahrungsgemäß auch hier Theorie und Praxis weit auseinander – wie jeder weiß, der bereits eine Faustfeuerwaffe eingesetzt hat. Ich finde es einfach gut, ein bisschen Realität zu zeigen, und zwar, wie schnell eine Situation von „harmlos“ zu „brandgefährlich“ wechseln kann und was dann an Fähigkeiten und richtigen Reaktionsweisen notwendig ist.

WEIDWERK: Die Kurse für Jägersollen mehrstufig aufgebaut sein.Wie kann man sich das vorstellen?
Hausknost: Grundsätzlich basiert unsere gesamte Ausbildung auf drei Säulen: Sie beginnt mit der Hand­habungs­sicher­heit, die man gut mit dem Autofahren vergleichen kann: Das Bedienen der Faustfeuerwaffe soll „schlafwandlerisch“ erfolgen, das heißt, möglichst effizient und ohne dabei viel Gehirnkapazitätin Anspruch zu nehmen; damit einher­gehend wird die Treff­sicherheit geschult, denn die wirksame Trefferfläche kann sich im Ernstfall auch bewegen. Wenn diese Themen verankert und verwurzelt sind, geht es mit der Handlungssicherheit weiter, und dementsprechend ist der Kurs dreistufig aufgebaut. Im ersten Teil wird der Schwerpunkt ganz klar bei der Handhabungssicherheit liegen, im zweiten Teil werden Treffsicherheit und Schießtempo behandelt, denn im Fall des Falles hat man nur sehr wenig Zeit und muss trotzdem treffen. Die ersten beiden Module werden nichtin freier Umgebung und ausschließlich im „scharfen Schuss“ stattfinden. Das dritte wird sich szenarisch im ­„echten“ Umfeld bewegen, das heißt, zum einen im scharfen Schuss mit ­simulierter Waldsituation, zum anderen mit FX-­Waffen (Übungswaffen mit Farbmunition, Anm.) in naturnaher Umgebung. Wenn ein Teilnehmer einen Jagdhund führt, soll er ihn auch mitbringen, weil der Jagdhund im Szenario eine große Rolle spielt; in diesem Fall sind einhändiges Schießen sowie ein sehr guter Überblick über die Gesamtsituation ein Thema. Es werden psycho­logische Aspekte eine Rolle spielen – Stichwort: Tunnelblick, verkürzte Wahr­nehmung und der­gleichen mehr.

WEIDWERK: Was erwartet den Jäger, der einen solchen Kurs besucht? ­Worauf wird mit FX-Waffen geschossen?
Hausknost: Mit der FX-Munition schießen wir auf 3D-Tiere, die aus dem Bogensport kommen, und die Situation wird einer realen sehr, sehr nahe ­kommen. Der Puls wird durchaus in die Höhe gehen, weiters wird die Schießposition nicht der üblichen Schießstandposition entsprechen. Verschiedene Anschlagtechniken werden notwendig sein, von stehend über kniend bis ­liegend in unterschiedlichen Positionen, es werden schlechtes Licht und schlechte Zielerkennbarkeit eine Rolle spielen. Generell wird das Schießenbei schlechten Lichtverhältnissen ge­übt, wenngleich ich niemanden dazu animieren möchte, in der Nacht mit der Faustfeuerwaffe nachzusuchen. Im Jagdbetrieb wird es allerdings immer wieder vorkommen, bei schlechten Licht­verhältnissen agieren zu müssen; und hier sollen die Jäger über einen Erfahrungs­gewinn verfügen. Sie sollen real erleben, welch gewaltiger Unterschied in der Situationserfassung ­besteht, wenn man nur einen Licht­kegel zur Verfügung hat und kein „Gesamt­bild“ wahrnehmen kann. Zudem sind die Situationen dynamisch und beweglich; wir trainieren hier für ­Situationen, die sich plötzlich und uner­wartet ändern können – die­jenigen, die mit einer Schusswaffe ­agieren, müssen Herr der Lage bleiben, richtig beurteilen und so agieren,dass sie niemanden ­gefährden. Das sagt sich sehr leicht, ist aber in der Praxis nicht so einfach . . .

WEIDWERK: Wann werden die ersten Kurse angeboten? Was kosten sie?
Hausknost: Die ersten beiden Module werden im November bzw. Dezember 2019 stattfinden. Danach werden die Teilnehmer dieser Module Zeit zum Üben benötigen, denn die Teilnahme an einem Modul wird danach auch mehrere Trainingseinheiten er­fordern; zwischen den Kursen soll also eine ­ausreichende – auch begleitende – Trainingsphase stattfinden, damit das dritte Modul, das sehr aufwendigund durchaus auch fordernd für die Teilnehmer sein wird, nicht zur Farce gerät.Ein Modul wird sich mit € 180,– pro Person zu Buche schlagen. In drei Monaten sollten alle drei ­Module ­(gesamt € 540,–) über die Bühne gebracht werden können. Allerdings:Das, was man hier lernt, kann manauf einem herkömmlichen Schieß­platz nicht trainieren. Pro Modul sollte man mit etwa 250 Schuss kalkulieren, das dritte wird nicht ganz so munitions­intensiv sein. Die Dauer der einzelnen Module – 4 Stunden – geht an die ­Konzentrationsfähigkeit; nicht ohne Grund: Auch in der Realität muss man nach einem mehrstündigen Ansitz unter Umständen eine Nachsuche bestreiten. Die Sicherheit muss allerdings zu allen Zeiten gewahrt bleiben.

WEIDWERK: Eine Frage zur Aus­rüstung: Pistole oder Revolver?
Hausknost: Pistole, definitiv! Revolverschützen können wir aus diversen Gründen nicht zu unserer Schieß­ausbildung zulassen. Was wir wollen, sind Pistolen mit Schlagbolzenschloss à la Glock, CZ P-10, Steyr Pistoleusw. Was wir nicht wollen, sind ­Pistolen mit Hahn und Sicherung,weil das ­Anforderungsprofil an behördliche ­Pistolen angelehnt ist. Der Revolver­schütze ist hier leider im Nachteil: Magazin­kapazität, Schussfolge, -geschwindigkeit usw. Zudem ist eine ­Situation unter Umständen mit 6 Schuss nicht bewältigt. Es kann sehr beun­ruhigend sein, wenn es auf einmal nur noch „klick!“ macht.

Einblicke

Als Nächstes wollten wir Einblicke in die angebotene Ausbildung mit der Faustfeuerwaffe erhalten und baten Herrn Hausknost, mit uns ein paar Übungen durchzuspielen. Wir begannen mit den „Basics“, also der Handhabung mit der Faustfeuerwaffe am Beispiel einer Glock 17, Kal. 9×19 mm, und ­endeten mit unterschiedlichen Anschlagarten – stehend, kniend, liegend – sowie beid- und einhändigem Schießen. Und das auf unterschiedliche Entfernungen (15 m, 10 m, 5 m). Gespickt wurde das Ganze mit dem Beheben von Lade­hemmungen unter Stress.

Alles in allem waren wir von der Vielfalt der Ausbildung überrascht, aber auch von den Möglichkeiten, die der Schuss mit der Faustfeuerwaffe bietet. Summa summarum können wir jedem Jäger, der im Jagdbetrieb eine Pistole führt, diese sehr praxisnahe Ausbildung ans Herz legen, denn: Eine Pistole zu besitzen, ist eine Sache. Damit jedoch auch in Stresssituationen professionell umgehen zu können, aber eine völlig andere!

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