Reportage

Was lange währt ...

1. Oktober 2019 -
Inhaberin und Gründerin von Freiwild-Design, Christa Doris Steinauer. - © Barbara Marko
© Barbara Marko

Jagd und Tracht sind untrennbar miteinander verbunden. Nahezu kein anderes Land verfügt über eine derart reichhaltige Tradition wie Österreich. – Zu Besuch bei einer Trachtendesignerin.

Wenn Christa Doris Steinauer über ihre Dirndlkreationen spricht, über Stoffe streicht, Farben beschreibt und Muster begutachtet, kann man sich nur schwer vorstellen, dass sie jemals etwas anderes gemacht hat. Doch der Leidenschaft zum Handwerk ging eine regelrechte Hassliebe zu Nadel und Faden voran, wie die ­Designerin schmunzelnd verrät . . .
Christa Steinauer ist Geschäfts­führerin von Freiwild-Design, der Trach­ten­­manufaktur, die sie im Jahr 2015 in ihrer Heimat Waidhofen/Ybbs, Niederösterreich, eröffnete. Wir statten der Mostviertlerin in ihrem Trachten-­Flagshipstore einen Besuch ab.

Leidenschaft auf Umwegen

Als Trachtendesignerin hat Christa Stein­auer im zweiten Bildungsweg ihre Berufung gefunden. Davor war sie 18 Jahre lang als Bürokauffrau in einem Betrieb tätig. Erst vor wenigen Jahren absolvierte sie bei der Wirtschafts­kammer die Ausbildung zur Damenkleidermacherin. Dabei hätte das Talent zu nähen bereits lange Zeit in ihr geschlummert. „Meine Oma war Schneiderin“, erzählt sie, aber sie selbst habe sich lange Zeit geweigert, mit Nadel und Zwirn zu Werke zu gehen. „In der Schule habe ich immer eine Ausrede gefunden, dass ich nicht selbst nähen musste. Das hat die Oma dann gemacht“, schmunzelt die zier­liche Mostviertlerin. Die Liebe zur Tracht ent­wickelte sich auch erst im Laufe der Zeit. „Die Dirndln in meiner Schulzeit mit dem gezogenen Hansl, der Schürze und den Puffärmeln, das hat alles so aufgetragen. Dazu weiße Stutzen, ­katastrophal!“, lacht sie. „Wenn ich früher damit begonnen hätte, selbst zu nähen, wäre es vielleicht anders gekommen“, aber manchmal brauche man eben länger, um zu wissen, wo
die Reise hingeht, und die Erfahrung als Einzelhandelskauffrau komme ihr ja nun zugute.

Verspielt & modern

Im Eingangsbereich von Christa Steinauers Trachten-Flagshipstore Freiwild-­Design sticht unter einer Vielzahl von Rehwild-Krickerln eine Holzkommode ins Auge, darauf Fotos von Trachtenhochzeiten. Braut und Bräutigam tragen Maßtracht von Freiwild-Design. „Hochzeiten auszustatten, macht mir be­sonders viel Freude. Bis jetzt habe ich mich auf Maßbekleidung konzentriert, in Zukunft biete ich Tracht für Braut und Bräutigam auch in Konfektionsgrößen an, dazu Deko und Blumenschmuck.“ Letzterer in Zusammen­arbeit mit einer guten Freundin, die als Floristin auch Haarkränze für Braut und Blumen­kinder kreiert.

Wir lassen den Blick im Geschäft weiterschweifen. Zwei Verkaufsräume, dazwischen wuselt Langhaar-Chihuahua-­Rüde „Oskar“ herum. Steinauer führt hauptsächlich Damenbekleidung, Dirndl, Kleider. Aber auch eine kleine, feine Auswahl an Gilets und Leder­hosen für Männer gibt es. Kleine Lederhosen für Buben, dazu trachtige Hemden, Dirndlkleidchen für Mädchen, mit angenähten Ärmeln statt Dirndlbluse.

An einer Wand steht eine hölzerne Kleider­puppe, bekleidet mit einem knie­langen, gerade geschnittenen Trachtenrock in Erd- und Beerentönen, dazu eine kecke weiße Bluse. „Es muss nicht immer Dirndl sein“, folgt die Designerin unserem Blick und erklärt, „Freiwild steht für Tracht, die verspielt und ­modern ist.“ Sie erzählt von einem Gehrock für Damen aus urigem Bauern­leinen und großen Hornknöpfen. Der habe sich sofort verkauft. „Mein Ziel ist, dass wieder mehr Tracht im Alltag getragen wird.“ Im Herbst schneidere man Gehröcke aus Loden, künftig auch Wetterflecke. „Ich plane gemeinsam mit einer Jägerin eine Kollektion speziell für Jägerinnen“, verrät die Designerin. Ein erstes Stück in Form eines Jäge­rinnendirndls mit schlichtem, geradem Schnitt und schwarzer Schleife dürfen wir bereits vor Ort begutachten.

Das Jägerinnen-Dirndl von Freiwild-Design. - © Michaela Landbauer
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Auch alltagstaugliche Möglichkeiten, die über das Dirndl hinausgehen, gibt es zu bestaunen. - © Michaela Landbauer
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Ein Blick in einen der beiden Ausstellungsräume von Freiwild-Design. - © Michaela Landbauer
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Der Flagshipstore von Freiwild-Design in Waidhofen/Ybbs, Niederösterreich. - © Barbara Marko
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"Wilder" Hingucker: Ein Ring aus Horn gefertigt. - © Barbara Marko
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Inhaberin und Gründerin von Freiwild-Design, Christa Doris Steinauer. - © Barbara Marko
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Etwas für die Herren: Trachtige Gilets, Janker und Sakkos. - © Barbara Marko
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Wer in den Flagshipstore hinein möchte, wird erst einmal von Oskar begrüßt. - © Michaela Landbauer
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Ledergürtel aus alten Most- und Weinfässern sind an Lederhosen und Dirndln ein Blickfang! - © Barbara Marko
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Auch Brautmode schneidert Christa Steinauer von Freiwild-Design. - © Michaela Landbauer
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Für Männer designt Steinauer Leinen­hosen mit Hosenträgern als ­Alternative zur Lederhose, für Frauen Stücke aus Leinen, wie Jumpsuits und Sieben­achtelhosen, jeweils mit Hornknöpfen. Auch Broschen aus Horn, mit Fasan­deichseln als Blick-fang, könne sich die Designerin gut vor­stellen. Zudem kämen nächstes Jahr Rucksäcke aus festem Leinen
mit Leder- und Holz­elementen sowie dem Freiwild-­Logo, einem springenden ­Rothirsch, dazu.

„Tracht passt prinzipiell jedem!“, ist sie überzeugt. „Aber jede Figur ist anders, das sollte man gerade bei der Auswahl der Schnitte und Materialien berücksichtigen. Die eine mag Baumwolle, die andere Leinen. Stretchleinen ist ein Stoff, der schmeichelt. Bei ­Kleidung geht’s schließlich darum, dass man sich ­wohlfühlt!“

Farblich lässt sich Steinauer von der Natur inspirieren. Erdtöne, Braun-, aber auch Beerentöne finden sich gerne in ihren Stücken wieder. Was gar nicht geht? – „Pailletten. Oder wenn ein Dirndl zu kurz ist. Das wertet Tracht einfach ab!“ Das sei schade, denn gerade in einer schnelllebigen Zeit wie der heutigen sei Traditionelles wie Tracht imstande, Werte wie Entschleunigung zu ver­mitteln, ist Steinauer überzeugt.

Stoffe bezieht die Mostviertlerin hauptsächlich in Österreich. Etwa von einer Waldviertler Weberei, die es ermöglicht, Stoffe mit Mustern nach Kundenwunsch zu fertigen. Lediglich Spitze ist hierzulande nicht mehr so leicht erhältlich. Die bezieht sie aus Frankreich und Portugal.

Trachtendesign nach Maß

Wer sich ein Maßdirndl schneidern ­lassen möchte, sollte für das Erst­gespräch etwa zwei Stunden einplanen – zum Ideenbesprechen, Auswählen von Stoffen, Mustern, Farbkombinationen und Schnitten. Zwei bis drei Anproben später hält man sein persön­liches und individuelles Trachtenstück in Händen. Kostenpunkt für ein Maßdirndl: ab € 550,–. Dazu kommen Schürze, Bluse und Gürtel. „Der Preis richtet sich ­natürlich auch nach dem Stoff und der Machart, etwa, ob sich die Kundin für einen Teller- oder Faltenrock ­entscheidet, der mehr Stoff benötigt.“

Ein maßgeschneidertes Brautdirndl kostet ab € 850,–, exklusive Bluse und Accessoires. Eine Spitzenschürze kommt ungefähr auf € 120,– bis € 170,–.

Outback und Big Apple

Christa Steinauer hat mittlerweile sehr viele Stammkunden. Viele Einheimische kämen zu ihr einkaufen, was die Waidhofenerin besonders freut. Die meisten ihrer Kunden kennt Steinauer beim Namen, viele würden ihre Ehrlichkeit schätzen. „Ich habe ja nichts davon, wenn ich einer Kundin etwas verkaufe, das ihr nicht steht. Damit wird sie keine Freude haben, sie wird es nicht tragen und nicht wiederkommen.“ Gerne erinnert sie sich etwa an eine spezielle Kundin: Eine gebürtige Nieder­österreicherin, der Liebe wegen nach Australien ausgewandert, ließ sich ihr Brautdirndl im Heimaturlaub von Christa Steinauer schneidern. Die Hochzeit sollte am Mondsee statt­finden. Aufgrund der Schwangerschaft der Braut musste das Oberteil bei ihrer Ankunft in Österreich wenige Tage vor der Hochzeit gänzlich umgenäht werden. Im nächsten Jahr, zur heiligen Taufe, abermals. Kein Problem für die Trachtendesignerin, und die Kundin sei unbeschreiblich dankbar gewesen. Steinauer berichtet lächelnd von einer ­weiteren Kundin, die vor vielen Jahren nach New York City auswanderte und keinen Besuch in der alten Heimat auslasse, ohne bei Freiwild-Design vorbei­zuschauen.

Eulen nach Athen?

In diesem Sommer eröffnete Christa Steinauer eine Filiale von Freiwild-­Design in Bad Ischl. Ist das nicht wie Eulen nach Athen zu tragen, zumal bereits einige bekannte Trachtengeschäfte in der traditionsreichen Kaiser­stadt im Salzkammergut angesiedelt sind? Doch auch hier kommt die Mode an – weil sie frisch ist, modern. Und die Schnitte ein bisschen anders als die traditionell bewährten. „Was hier besonders gut funktioniert, sind die Farben Grün und Schwarz“, weiß sie. Eine weitere Nieder­lassung des Trachten­labels gibt es in Linz (Arkade, wegen eines Umbaus ab 2021 wieder geöffnet). Interessant wäre auch Salzburg . . .

Was Christa Steinauer stolz macht? Die Oma hat die Eröffnung des ­Waidhofener Trachtengeschäfts ihrer Enkelin noch miterlebt. „Sie ist immer hereingekommen und hat die Stoffe und Dirndln bewundert.“ Was lange währt, wird endlich gut!