Einschießen: Auf geht’s! - © Martin Grasberger
© Martin Grasberger
Serie

Die Jagdsaison ist aufgegangen, und spätestens jetzt sollten Zielauge und Büchse wieder zueinandergefunden haben. In einer dreiteiligen Serie verraten wir Tipps und Tricks für eine perfekte Vorbereitung von Mensch und Büchse. – 2. Teil: Übungen für das Schießtraining.

Ein Kontrollschuss oder das Ein­schießen von Jagdbüchsen darf keinesfalls mit einem Schießtraining verwechselt werden. Wir Jäger schaffen zwar im Zuge unserer Jagdausbildung ein gutes Schießtechnik-Fundament, doch sollten wir dieses danach auch fortlaufend pflegen. Die Annahme, im Revier immer wieder Schüsse auf Wild zu tätigen, entbindet nicht von einem wiederkehrenden Schieß­training.
Wir sollten grundsätzlich über­legen, unter welchen Voraussetzungen bei der jeweiligen Jagdart geschossen werden muss. Schießtraining heißt nicht nur treffen, es bedeutet auch, die Büchse zu beherrschen und „im Schlaf“ bedienen zu können. Denken wir nicht nur an den aufgelegten Büchsenschuss vom Ansitz aus, sondern denken wir auch an die Birschjagd, bei der unter anderem auch ein Schuss über den Schießstock erforderlich sein kann. Denken wir an den Stress bei einer ­Riegeljagd, wenn eine anwechselnde Rotte Sauen den Blutdruck in die Höhe schnellen lässt.
Auch der Kontrollschuss im Revier kann einmal über den Schießstock erfolgen oder vielleicht auch auf 40 m im stehend freien Jagdanschlag. Also, auf geht’s zum Schießtraining!

Auf dem Schießstand

Für ein Schießtraining bzw. mehrere Übungseinheiten sollten auf dem Schießplatz ähnliche Bedingungen wie im ­Revier vorherrschen. Daher beginnen wir mit der Ansitzjagd auf eine Distanz von 100 m. Dafür wählen wir eine in angenehmer Höhe positionierte Gewehrauflage (Sandsack oder Bulls Bag) für den Vorderschaft. Trainiert werden sollte in der Mehrpunktauflage. Manche bezeichnen diese als „Drei-Punkt-Auflage“; damit bin ich nicht glücklich, denn es dürfen ruhig mehr Auflagen sein. Auch die Beine oder der Hüft­bereich dürfen sich an der Schießstandbrüstung abstützen, sofern dies möglich ist. Dabei liegt die Büchse am Vorderschaft auf, wird in der Schulter angeschlagen, und der Oberkörper wird mit dem linken und rechten Ellbogen an der Schießbrüstung gut abgestützt. Wichtig ist die Führung des Vorderschafts, sodass kein Finger den frei schwingenden Lauf (Achtung bei einem Schalldämpfer!) berührt. Als Scheibe verwenden wir die Rehbockscheibe des NÖ Jagdverbandes mit den Zielzonen 8, 9 und 10 (Bestell-Tel. 01/405 16 36-25). Die Vorgabe sind fünf Schüsse mit Trainingsschwerpunkt auf den raschen Repetier- oder raschen Nachlade­vorgang (bei Kipplaufbüchsen), sofern die Büchse über ein entkoppeltes ­Laufbündel verfügt (gleichbleibende Treffpunktlage bei mehreren Schüssen hintereinander). Zwischen dem dritten und vierten Schuss wird die Büchse gesichert oder entspannt, danach erneut entsichert oder gespannt und das Schießprozedere fortgesetzt. Es wäre ideal, wenn sich alle Treffer in der Zielzone 9 befinden würden. Es ist nicht wichtig, zum Beispiel drei Zehner, einen Neuner und einen Fehler zu schießen, sondern alle in der 9er-, ­zumindest aber in der 8er-Zielzone unterzubringen und keinen Fehlschuss zu haben.

Abzugsvorgang

Der Abzugsvorgang ist manchmal mit dem allgegenwärtigen Ausdruck „Mucken“ verbunden. Dazu folgende Erklärung: Das Schießen mit einer Büchse ist für unseren Körper unangenehm und löst bei vielen Menschen Stress aus. Der Schuss ist für gewöhnlich laut, es gibt einen unangenehmen Schlag auf die Schulter, und aus ­mangelndem Schulterdruck kann ein blutendes Cut im Bereich der Augenbraue resultieren, insbesondere bei stärkeren Kalibern. Abhilfe schafft – wie schon im 1. Teil erwähnt – ein gleichmäßiger, aber dennoch starker Schulterdruck, um dem Körper zu ­signalisieren, dass die Büchse der Augen­braue nichts anhaben kann. Mehrere Vorteile hat bekanntlich die Verwendung eines Schalldämpfers, der nicht nur die Belastung am Gehör, ­sondern auch den Rückstoß wesentlich vermindert.
Erst, wenn das Abkommen im Ziel ruht, darf der Finger auf das Abzugszüngel gelegt werden. Dies ist wichtig, um die Verbindung zwischen Finger (als „Steuermann“), Abzugszüngel und Gehirn (Willensauslöser) herzustellen. Stecher sind hierbei von Nachteil, denn viele trauen sich nicht, den Abzugs­finger auf das eingestochene Abzugszüngel zu legen, weil sie befürchten, dass der Schuss bricht. Interessanterweise sind schlechte Schützen immer bestrebt, den Stecher noch feiner einstellen zu lassen, was das Ganze aber in negativer Hinsicht sogar noch verstärkt. Ein Direktabzug mit einem Abzugswiderstand von etwa 600–1.000 g kann für alle Jagdarten und für eine jagdliche Schussabgabe als ideal angesehen werden. Wenn nun der Kontakt mit dem Abzugszüngel hergestellt ist, braucht der Abzug nur noch durch­gezogen zu werden. Dies erfolgt stetig, immer stärker werdend, bis der Schuss von ganz allein bricht.
Für die Übung „Ansitzjagd“ ver­suchen wir, die Büchse für drei bis fünf Schüsse wie gehabt am Vorderschaft aufzulegen und sich nur noch mit dem rechten Ellbogen (Rechtshänder) ab­zustützen. Wenn es möglich ist, sollte zum Beispiel nur noch eine Latte den Ellbogen abstützen. Das Ruhevermögen sollte so groß sein, dass die 8er-Zone der Rehbockscheibe mit dem Abkommen im Zuge eines mehrere Sekunden langen Visierens nicht verlassen wird. Trainings­schwerpunkte sind eine rasche Nachladegeschwindigkeit und eine saubere Abzugstechnik.

Starker Schulterdruck, ... - © Norbert Steinhauser
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... und Sandsäcke bzw. Bulls Bags optimieren die Treffsicherheit. - © Norbert Steinhauser
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Der Finger hat am Lauf nichts verloren! - © Norbert Steinhauser
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Als nächste Übung sollte nur noch der rechte Ellbogen (bei Rechtsschützen) zum Beispiel auf einer Latte abgestützt werden. - © Norbert Steinhauser
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Zur Steigerung wird der Ell­bogen nur noch auf dem Knie, der Fuß auf einem Kübel oder Ähnlichem abgestützt ... - © Norbert Steinhauser
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... eine Position mit bestem Praxisbezug! - © Norbert Steinhauser
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Für die nächste Übung ­rechten Ellbogen abstützen, ... - © Norbert Steinhauser
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... und linken Ellbogen am Knie abstützen. Wieder dient ein  Kübel o. dgl. als Stütze. - © Norbert Steinhauser
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Eine Aufwärmübung ... - © Norbert Steinhauser
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... soll eine Stresssituation mit erhöhtem Puls ­simulieren. - © Norbert Steinhauser
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Atemtechnik

Gute Treffer erfordern eine gute Atemtechnik. In der letzten Zielphase sollte grundsätzlich etwa ein Drittel des Luft­volumens ausgeatmet werden. In diesem Zustand wird die Atmung angehalten, und innerhalb der nächsten sieben bis maximal zehn Sekunden sollte der Schuss brechen. Dauert der Zielvorgang zu lange, wird weitergeatmet und das Atemprozedere für die Schuss­abgabe erneut begonnen.
Die nächste Übung für die Ansitzjagd ist schon schwieriger, denn diesmal haben wir keine Latte mehr, an der wir uns mit dem rechten Ellbogen (gilt für Rechtsschützen) abstützen können. Wir versuchen, am Hochstand eine ­Abstützung für den rechten Fuß zu ­finden. Auf dem Schießstand findet sich zum Beispiel ein Kübel (vielleicht auch ein Holzstumpf), auf den der rechte Fuß gestellt wird. Das in ­dieser Position erhöhte Knie dient dem rechten Ellbogen als Stütze. Als zusätzliche ­­Stabilisation sollte das linke Hand­gelenk an der Schießstandbrüstung oder in der Praxis an der Hochstandbrüstung abgestützt werden. Dies verbessert das Ruhevermögen ungemein. Abermals versuchen wir, mit drei bis fünf Schüssen die 8er-Zone der Rehbockscheibe zu halten.
Für die nächste Übung haben wir den rechten Ellbogen (Rechtsschützen) auf einer Latte abgestützt. Nachdem der Schuss angenommen etwas weiter und damit präziser sein muss, helfen wir uns wieder mit dem Kübel, diesmal aber für den linken Fuß bzw. das linke Knie, auf dem der linke Ellbogen aufliegt. Dies ermöglicht eine enorme Verbesserung des Ruhevermögens. Jetzt ist wie immer ein guter Schulterdruck nötig, damit die Büchse ruhig geführt werden kann. Ebenfalls drei bis fünf Schüsse in die 8er-Zone. Vielleicht gelingt es sogar, alle Schüsse in der 9er-Zone des Rehbockes unterzubringen.

Belastungsschießen

Nachdem Jagd immer mit Stress einhergeht, wobei dies von den Jägern auf unterschiedlichste Art wahrgenommen wird, werden wir nun den Puls etwas in die Höhe treiben. Wir versuchen also die eine oder andere vorhin beschriebene Übung mit erhöhtem Puls. Mit Stufensteigen (zum Beispiel mit einem Sessel) bringt man den Puls rasch aus der Komfortzone. Zunächst werden die Hände am Boden abgesetzt, danach wird auf den Sessel gestiegen und die Hände berühren danach so hoch wie möglich die Wand. Die Übung wird so lange wiederholt, bis – je nach ­Kondition – etwa 120 Herzschläge pro Minute erreicht sind. Anschließend heißt es, keine Zeit zu verlieren und eine der letzten Übungen mit gleichem Trainingsinhalt zu absolvieren. Nun kann der Jäger gut erkennen, ob er auch unter Stressbelastung einen sauberen Schuss abgeben kann. Diese Erfahrung ist besonders wichtig, denn sie stärkt das Selbstvertrauen ungemein.
Ich empfehle, alle Übungen zu versuchen, auch wenn sie für den einen oder anderen Schützen schwer er­scheinen. Das Ausloten der persön­lichen Grenzen ist bei der Jagd äußerst wichtig! Wo, wenn nicht hier auf dem Schießplatz, kann man genau sehen, was schießtechnisch möglich ist und was nicht? Im Revier werden wir diese Erfahrung nur durch einen schlechten Treffer oder durch einen Fehlschuss erkennen, daher sollten solche Trainingseinheiten mehrmals im Jahr abgewickelt werden. Schließlich haben wir uns eine ethische und professionelle Jagd auf unsere Fahnen geheftet. – Also, auf geht’s zum Schießtraining, in einer Stunde ist alles erledigt und wir haben ein perfektes Update in puncto Schützenleistung für die noch junge Jagdsaison.
Im dritten und letzten Teil be­handeln wir Trockentraining und ­Kontrollschüsse im Revier.

Checkliste für das Schießtraining

  • Das Schießtraining sollte auf einem behördlich genehmigten Schießstand erfolgen.
  • Schießtechnik erfolgt durch Drei- oder Mehrpunktauflage (auf­gelegter Schuss).
  • Die Auflagehöhe sollte nicht zu tief gewählt werden (Oberkörper in angenehmer Position).
  • Lauf muss frei ­schwingen können (keine Berührung durch Finger oder Hand).
  • Gewehrauflage – Sack mit rieselfähigem Material („Bulls Bag“)
  • Schussabgabe in ­an­genehm ausgeatmetem Zustand – zuvor Atem ­anhalten.
  • Das Anhalten des Atems sollte zehn ­Sekunden nicht überschreiten.
  • Wenn das Abkommen am Ziel ruht, Finger auf das Abzugszüngel legen.
  • Ein stetiger Druck­aufbau am Abzugszüngel löst den Schuss aus.