Reportage

Die Büchsenmacher von morgen!

1. Februar 2020 -
Schritt für Schritt zur eigenen Kipplaufbüchse. - © Barbara Marko
© Barbara Marko

Sie ist ein ganz besonderer Ort, die Büchsenmacherschule in Ferlach. Nicht nur an Geschichts­trächtigkeit kaum zu überbieten, zeichnet sich die Bildungseinrichtung durch ein ganz spezielles, weltweites Alleinstellungsmerkmal aus ...

Nicht umsonst zählt die Schule heute rund 530 Schülerinnen und Schüler aus sage und schreibe 21 Nationen! Wir haben uns aufgemacht in die ­südlichste Marktgemeinde Österreichs, die Büchsenmacherstadt Ferlach im ­Bezirk Klagenfurt-Land, Kärnten, und den Büchsenmachern von morgen einen Besuch abgestattet!

Weltweit nur in Ferlach!

Vor 142 Jahren wurde die Büchsenmacherschule als k. u. k. Fachschule für Gewehrindustrie in Ferlach gegründet. Exakt 37 Schüler wurden in den Anfangs­zeiten unterrichtet. Seitdem hat sich einiges verändert . . . Was ist es nun, das die heutige ­Höhere Technische Bundeslehr- und ­Versuchsanstalt Ferlach, kurz EUREGIO HTBLVA Ferlach, für Jugendliche aus allen Teilen der Welt so ­attraktiv macht? – „Die höhere Abteilung für Waffen- und Sicherheitstechnik gibt es auf der ganzen Welt überhaupt nur bei uns“, verrät Direktorin Mag. Silke Bergmoser. „Überall sonst auf der Welt ist eine Ausbildung im Waffenbereich erst in der Altersgruppe ab 18 Jahren möglich. Wer diese Ausbildung bereits in der Sekundar­stufe II absolvieren möchte, also ab der neunten Schulstufe und einem Alter von 14 Jahren, kann dies weltweit nur in Ferlach tun.“

Bildungsangebot

Folgende vier Hauptausbildungsbereiche bietet die Schule: Waffentechnik und Robotik & Smart Engineering und Schmuck & Gravier­technik und Industriedesign. Innerhalb dieser Schwer­punkte wählen die Schüler ­zwischen der HTL oder der Fachschule (dazu zählt auch die Fachschule für Büchsenmacher).

Mag. Silke Bergmoser ist seit 23 Jahren als Lehrkraft im Haus tätig, seit sieben Jahren hat sie die Schulleitung inne. „Da die vier Ausbildungsbereiche so verschieden sind, gibt es für jeden Bereich einen Werkstättenverantwortlichen“, erklärt sie. Aufgrund des vielfältigen Ausbildungs­angebots ist auch der Anteil an Mädchen mit 27,3 % der Gesamtschülerzahl für eine höhere Schule mit Technik-Schwer­punkt verhältnismäßig hoch. Die meisten Schülerinnen findet man im Bereich der Goldschmiede und Graveure sowie bei den Industriedesignern. Der geringste ­Anteil an Mädchen ist in der Sparte Waffen- und Sicherheitstechnik zu verzeichnen. Diese Bildungssparte wiede­rum – die HTL für Maschinenbau, ­Ausbildungsschwerpunkt Waffen- und Sicher­heitstechnik, sowie die Fachschule für Büchsenmacher mit Betriebspraxis – besuchen 48,5 % der Gesamtschüler, ist es doch genau dieser Zweig, der ­Ferlach weltweit von allen anderen Ausbildungsstätten abhebt. „In diesem Bereich haben wir auch die höchste Dichte an internationalen Schülern“, so Mag. Bergmoser. – Das ist auch jene Sparte, die uns am meisten ­interessiert, daher lassen wir sie uns genauer ­erklären. „Während die HTL für Waffen- und Sicherheits­technik nach fünf Jahren mit Reife- und Diplom­prüfung abgeschlossen wird, dauert die Fachschule für Büchsenmacher vier Jahre und schließt mit der Gesellenausbildung ab bzw. ist einer Lehre zum Büchsen­macher gleichgesetzt. Die Schüler der Fachschule haben aber auch noch ­maschinenbautechnische Gegenstände, wie Fertigungstechnik, Mechanik und Konstruktionsübungen. Der Hauptunterschied ist, dass die Waffen­techniker, also die Schüler der HTL, zu einem Drittel allgemeinbildende Gegen­stände haben, ein Drittel facheinschlägige Gegenstände und ein ­Drittel Werkstatt. Die Büchsenmacher sind mehr als 50 % nur in der Werkstätte, weil dort das ­Erlernen des Büchsen­macher­handwerks im Vordergrund steht.“ Die angehenden Büchsen­macher sind es auch, die im Laufe ihrer Ausbildung eine Kipp­lauf­waffe her­stellen. – Da dürfen wir an diesem Tag noch ­hautnah dabei sein!

OStR. Dr. Poklukar, Direktorin Mag. Bergmoser, Werkstättenleiter Pfeiffer, BEd (v. l. n. r.).
Die geschichtsträchtige EUREGIO HTBLVA Ferlach. - © Michaela Landbauer
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Es geht in die Werkstätte, wo gehämmert, gefeilt, gebohrt und geschliffen wird. - © Barbara Marko
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In der Werkstätte blicken wir den Schülern eine Stunde lang über die Schulter. - © Michaela Landbauer
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Werkzeug in Reih' und Glied. - © Barbara Marko
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Im Werkstättenunterricht kommen diverse Maschinen zum Einsatz. - © Barbara Marko
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Schritt für Schritt zur eigenen Kipplaufbüchse. - © Barbara Marko
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Werkstätten-Unterricht der 4. Klasse der Büchsenmacher - © Barbara Marko
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„Da fehlt noch die Feder. Diese ist schon in die Basküle eingepasst.“ - © Barbara Marko
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„Gibst du mir bitte deine Garnitur?“, wendet sich Werkstättenleiter Pfeiffer an einen der Schüler.  - © Barbara Marko
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„In die Schulwaffen bauen wir einen französischen ­Stecher ein“, erklärt Werkstättenleiter Pfeiffer. - © Barbara Marko
© Barbara Marko
Schüler arbeiten an ihrer Schulwaffe, einer einläufigen Kipplaufbüchse im Kaliber 6,5×57 R. - © Barbara Marko
© Barbara Marko

Versuchsanstalt & Schusskanal

Wie der Name der Schule verrät, ist in diese eine eigene Versuchsanstalt implementiert. „Das heißt, wir dürfen Aufträge von außen, von privaten Unter­nehmen annehmen und Material- und Beschusstests durchführen“, so Mag. Bergmoser. Ebendiese Material- und Beschusstests werden im schuleigenen Schusskanal abgewickelt. In dem „Sicher­heitslabor“, als welches Mag. Bergmoser den Schusskanal bezeichnet, wurden etwa bereits Schutzwesten und Helme für das Innenministerium und die Cobra beschossen.
Auch die Schüler profitieren von der Versuchsanstalt: „Die Erkenntnisse aus den ­Versuchen und Testreihen fließen direkt in den Unterricht ein. Somit sind die Schüler immer auf dem neuesten Stand, was die Ergebnisse ­aktueller Prüfungen und Gutachten betrifft.“

Die Schüler sind aber auch direkt in Projekte mit der Wirtschaft involviert; die Themen der Abschluss- und Diplomarbeiten sind oftmals Auftragsarbeiten großer und lang­jähriger Partner der Branche. „Wir ­arbeiten ­laufend mit Glock GmbH, Steyr Arms, Steyr Sport, Blaser, Walther ­Umarex, RUAG Ammotec, Heckler & ­Koch oder auch Sig Sauer zusammen“, so die Direktorin. Diplomarbeitsthemen der HTL Waffen- und Sicher­heits­technik des vergangenen Jahres waren zum Beispiel: Schalldämpferkonzept für halb­automatische Jagdwaffen; ballistische Untersuchung unterschiedlicher Schrotgeschossmaterialien im Hinblick auf den jagd­praktischen Einsatz. In der Fachschule gab es etwa die Themen „Auswirkung einer Mündungsbremse auf das Trefferbild“ oder „Veredelung eines Jagd­repetierers“. Die Haupt­präsentation der Abschlussarbeit findet zumeist auf der IWA OutdoorClassics in Nürnberg bzw. auf der Hohen Jagd & Fischerei in Salzburg statt. Die beruflichen Möglichkeiten der ­Absolventen der Schule im Bereich Waffen- und Sicher­heitstechnik reichen vom klassischen Waffen- und Sicherheitstechniker, Entwickler und Konstrukteur über Waffen- und Munitionshändler bis hin zum ­gehobenen technischen Mit­arbeiter der Polizei, des Bundesheeres oder von Beschussämtern. Berufsbilder der Büchsen­macher sind etwa Metall­designer oder -techniker, Waffen­fein­mechaniker sowie Fachberater für ­Waffen und Waffen­zubehör. Mag. Berg­moser: „Unsere ­Absolventen sind gut vernetzt. In beinahe allen großen ­Firmen der Branche bekleiden Ferlach-­Absolventen mittlerweile führende Positionen.“

In der Werkstätte

Zum Abschluss unseres Besuchs geht es in die Werkstätte, wo gehämmert, gefeilt, gebohrt und geschliffen wird. „Das ist die vierte Klasse Büchsen­macher“, erklärt Werkstättenleiter Wolfgang Pfeiffer, BEd. Die Schüler werken gerade fleißig an ihrer Schulwaffe, einer einläufigen Kipplaufbüchse im Kaliber 6,5×57 R. „Die Schüler fangen in der zweiten Klasse mit der Abzugsgarnitur an. Sie machen zuerst die untere Einheit; in die Schulwaffen bauen wir dann einen französischen ­Stecher ein“, erklärt Pfeiffer. „Gibst du mir bitte deine Garnitur?“, wendet er sich an einen der Schüler. „Da fehlt noch die Feder. Diese ist schon in die Basküle eingepasst.“ Weitere Schritte sind die Lauferstellung, das Garnieren der Läufe, das Baskülieren, „das heißt, der Lauf wird mit der Basküle ver­bunden, gleichzeitig wird der Verschluss ein­gebaut“, erfahren wir. „Wir zeigen den Schülern, welche beruf­lichen Möglichkeiten es im jagdlichen, aber auch im sportlichen ­Bereich gibt. Wir haben auch viele Schüler, die den Umgang mit Waffen nicht von zu Hause kennen“, so ­Pfeiffer.
In den Räumlichkeiten der Schule findet jedes Jahr ein Jagd­prüfungs-Vorbereitungskurs statt. Viele der ­unterrichtenden Lehrer sind selbst ­be­geisterte Jäger. Klar, dass im Lehrer­kollegium stets die neuesten Jagd­erlebnisse ausgetauscht werden.

Wer Lust bekommen hat, die Schule näher kennenzulernen, kann jederzeit mit dem Sekretariat der Schule einen individuellen Schnuppertermin ver­einbaren, um die Werkstätte und den Unterricht kennenzulernen.

EUREGIO HTBLVA Ferlach
Direktorin: Mag. Silke Bergmoser
Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt Ferlach
Schulhausgasse 10
9170 Ferlach

Kontakt:
Tel.: +43 (0) 42 27/23 31-3800
Fax.: +43 (0) 42 27/23 31-3880
E-Mail: direktion@htl-ferlach.at
Internet: www.htl-ferlach.at