Angebirscht - Rotwild - © Michael Breuer
© Michael Breuer
Serie

Wenn im September die Tage kühler und die Luft feuchter werden, beginnt für das heimische Rotwild ein wichtiges Kapitel im Jahreslauf: die Brunft. Seit jeher begeistert dieses spektakuläre Naturphänomen Jäger und Naturinteressierte gleichermaßen. 

Wenn im September die Tage kühler und die Luft feuchter werden, beginnt für das heimische Rotwild ein wichtiges Kapitel im Jahreslauf: die Brunft. Seit jeher begeistert dieses spektakuläre Naturphänomen Jäger und Naturinteressierte gleichermaßen.

Brunfthirsche

In den Wochen der Brunft finden sich – abgesehen von männlichen Nachwuchsstücken, die das Kahlwildrudel erst im zweiten Lebensjahr verlassen – die sonst getrennt lebenden Geschlechter zusammen. Zur Hauptbrunft sind die reifen Hirsche – die Platzhirsche – den ganzen Tag damit beschäftigt, Neben­buhler um die Kahlwild­rudel zu vertreiben. In dieser Zeit nehmen sie kaum Äsung zu sich und verlieren dadurch sämtliche Fettreserven und damit teils deutlich an Gewicht.

Das Röhren der Hirsche dient nicht nur der Kommunikation mit und der Warnung von Rivalen, sondern stimuliert, gemeinsam mit den Duftstoffen im Urin, mit dem markiert wird, auch den Eisprung der Tiere. Dabei sind, wie auch beim Gamswild, reife Hirsche wichtig, da sie die jüngeren in Zaum halten und damit verhindern, dass sich diese vor dem anstehenden Winter zu sehr verausgaben. Auch werden somit die Tiere schneller beschlagen.

Im Oktober, nach der Brunft, zieht das Rotwild in seine Wintereinstände. Ursprünglich waren dies unter anderem die den Alpen vorgelagerten Auen. Doch wegen der Zerschneidung der ­Lebensräume werden die Tiere nun mit Fütterungen in der Nähe ihrer Sommer­lebensräume gehalten. Abgesehen von Winter­fütterungen verbringt das Rotwild den Großteil des Jahres, darunter auch den Winter, in nach Geschlechtern getrennten Rudeln. Dabei werden die Streif­gebiete kleiner, um Energie zu sparen.

Kolbenhirsche

Bereits Ende Februar beginnen die ­starken Hirsche mit dem Geweihabwurf, ­während die schwächeren meist erst drei bis vier Wochen später abwerfen. Das sorgt zwischenzeitlich dafür, dass die Jungen „aufmüpfig“ werden. Die starken Hirsche wissen sich aber durchaus zu helfen.

Die Stangen werden in der Regel binnen weniger Stunden ­abgeworfen und die Rosenstöcke in den folgenden Tagen mit frischer Basthaut überzogen. Unter dieser wächst in den kommenden 4–5 Monaten das neue Geweih. In dieser sogenannten „Kolbenzeit“ werden bis etwa 5 kg Knochenmasse geschoben. Täglich wachsen die Stangen um bis zu 2 cm, man kann den Geweihen also ­beinahe beim Wachsen zusehen. Die Kolbenhirsche sind friedfertig, Aus­einandersetzungen und damit Ver­letzungen der Basthaut werden ver­mieden, solange die Stangen noch nicht verknöchert sind.

Auch die Kahlwildrudel werden mit Ende des Winters unruhiger. Das Setzen der Kälber kündigt sich an. Ab April werden die Nachwuchsstücke des Vorjahres abgestoßen, und die ­beschlagenen Tiere ziehen sich zum ­Setzen ­zurück. Die Tragzeit dauert etwa 8,5 Monate, zu deren Ende ein Kalb gesetzt wird. Hauptsetzzeit ist, je nach Höhenlage, Anfang Juni. Bald darauf finden auch die Familien­verbände, bestehend aus Tier, Schmaltier oder -spießer und Kalb, wieder ­zusammen. Nun beginnt die Zeit der Jungenaufzucht.

Feisthirsche

Die jungen und mittelalten Kolben­hirsche sind unterdessen in großen ­Rudeln unterwegs. Alte Hirsche sind beinahe das ganze Jahr über Einzel­gänger. Die Nahrungsversorgung in dieser Zeit entscheidet mit über die ­spätere Geweih­masse, da nun die nötigen ­Mineral- und Nährstoffe in die Geweihstangen eingelagert werden. Etwa Ende Juli, zur Zeit der Rehbrunft, ist das ­Geweih der Hirsche fertig ausgewachsen. Dann verfegen erst die älteren Hirsche, ­später dann die jüngeren den Bast.

Nach dem Verfegen beginnt die Feistzeit, in der die reifen Hirsche an Muskelmasse zulegen und eine Brunftmähne bekommen. Im August sind die Hirsche noch in Feisthirschrudeln unterwegs. Der Testosteronspiegel steigt, und die Feisthirsche werden unter­einander zunehmend unverträglicher, wodurch sich die „Herrenrunden“ Ende August auf­zulösen beginnen. Damit startet auch die Suche nach brunftigen Tieren, die ihre Paarungsbereitschaft mit aufgestelltem Wedel signalisieren.

Angebirscht - Rotwild - © Karl-Heinz Volkmar
© Karl-Heinz Volkmar
Angebirscht - Rotwild - © Michael Breuer
© Michael Breuer
Angebirscht - Rotwild - © Sven-Erik Arndt
© Sven-Erik Arndt
Angebirscht - Rotwild - © Michael Breuer
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Angebirscht - Rotwild - © Eva Pum
© Eva Pum
Angebirscht - Rotwild - © Florian Kainz
© Florian Kainz
Angebirscht - Rotwild - © Helge Schulz
© Helge Schulz
Angebirscht - Rotwild - © Michael Breuer
© Michael Breuer

Lebensraum

In vielen Lehrbüchern wird der ­Rothirsch als „König der Wälder“ ­be­zeichnet. Diesen Begriff hatten wir bereits im Porträt des Braunbären (WEIDWERK 2/2020, Seite 26), zu dem er deutlich besser passt. Denn Rotwild ist eigentlich in (halb) offenen Lebensräumen daheim. Davon zeugt auch das große Geweih der Hirsche, das in einem dichten Wald eher unpraktisch ist.

Rotwild braucht Raum. Vor allem junge Hirsche wandern teils viele Kilometer weit, wenn es die Lebensräume – oder besser: die Menschen – zulassen. Die Wanderungen zwischen Sommer- und Winterlebensräumen sind vor allem bei Hirschen ausgeprägt. Das Durchqueren mehrerer Reviere birgt jedoch die ­Gefahr der jagdlichen Übernutzung.

Rotwild-Management

Die Rotwildbestände haben in den ­letzten Jahrzehnten deutlich zuge­nommen. Wichtiger als die Bestandesdichte ist jedoch die Verteilung des Wildes über den ihm zur Verfügung stehenden Raum. Bei anhaltend hohem Jagddruck wird das Rotwild heimlich, rudelt sich zusammen und verlagert seine Aktivität in die Nacht. Einstände im Wald sind eine Reaktion des Rot­wildes auf seine Bejagung in offenen ­Lebensräumen. Rotwild lernt schnell und gibt dieses Wissen an andere ­Stücke im Rudel sowie an den Nachwuchs weiter. In Kombination mit dem großen Raumbedarf dieser Wildtiere ist daher unbedingt ein revierüber­greifendes Management nötig!

Studien zeigen, dass ranghohe Tiere eher Hirschkälber führen. Denn ein Hirsch wird sich nur dann erfolgreich fortpflanzen können, wenn er stark und dominant ist und sich als Platzhirsch behaupten kann. Ranghohe Tiere mit guter Konstitution können dem Nachwuchs bereits vor der Geburt mehr Nährstoffe bieten. Auch nach dem ­Setzen sorgen sie dafür, dass das Kalb gute Nahrung bekommt. Kann das Tier beides nicht bieten, wird der Hirsch in seinem Leben relativ wahrscheinlich nicht zum Zug kommen. In diesem Fall ist es „sinnvoller“, ein Wildkalb zu ­setzen, da dieses bei künftigen Brunften auf jeden Fall beschlagen wird und damit zum Arterhalt beitragen kann. Somit spielen beim Management des Rotwildes auch die Wilddichte und die Nahrungsqualität eine Rolle.


Rotwild: Höhepunkte im Überblick

  • Jänner: geschlechtergetrennte Rudel in Wintereinständen.
  • Februar: Ende des Monats: Beginn Geweihabwurf bei alten ­Hirschen; Kolbenzeit.
  • März: Geweihabwurf (auch bei jüngeren/schwächeren Hirschen).
  • April: Geweihabwurf bei jüngeren/­schwächeren Hirschen; ­Kolbenzeit; Winterrudel lösen sich auf; Schmaltiere noch beim Alttier, Schmalspießer ­bereits ­abgestoßen; Beginn des Haarwechsels (Sommer).
  • Mai: Kolbenzeit; Haarwechsel (Sommer); im Gebirge: Verlagerung der Einstände in höhere Lagen; Isolierung der Muttertiere vor dem Setzen; Ende des Monats: Setzen der ersten Kälber.
  • Juni: Anfang des Monats: Hauptsetzzeit; Kolbenzeit; ­Zusammenfinden der Kahlwildrudel nach dem Setzen; Hirsche legen ­Energiereserven für die Brunft an.
  • Juli: Ende des Monats: Ende der Kolbenzeit – Hirsche verfegen; Beginn der Feistzeit; Schmalspießer und Hirsche im 2. Kopf noch im Bast; bis Ende des Monats: Kälber verlieren Flecken und ­beginnen mit dem Wiederkäuen.
  • August: Hirsche in Feisthirsch­rudeln; Suhlen gegen Hitze und Parasiten; ab Mitte des Monats: ­steigender Testosteronspiegel, Hirsche unverträglicher; Brunftmähne wächst; Ende des Monats: ­Auflösen der Feisthirsch­rudel.
  • September: Hochbrunft; ­Brunftrudel; Schmalspießer ­verfegen Erstlingsgeweih.
  • Oktober: im Gebirge noch Brunft (ausklingend); Aufsuchen der Wintereinstände; Haarwechsel (Winter).
  • November/Dezember: ­geschlechtergetrennte Rudel in Wintereinständen.

Symbolträchtig

Da das Geweih jedes Jahr neu geschoben wird, galt der Hirsch in Urzeiten als Symbol der Erneuerung, der Sonne und des wiederkehrenden Lichts. Das Erneuern des Geweihes stand für die Wiedergeburt nach dem Tod. Auch der heilige Hubertus, Schutzpatron der Jäger, wird als Hirsch dargestellt.

Bei Jagden im 18. Jahrhundert gab es einen sogenannten „Suchmann“, der 72 hirschgerechte Zeichen kannte und anhand derer auf Geschlecht, Alter und Gemütszustand des Stückes rückschließen konnte. Heute sind bestenfalls noch sieben dieser Zeichen geläufig ...