Die Wildkatze: 'Ureinwohnerin' Mitteleuropas - © Michael Migos
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Serie

Für Jäger und Naturinteressierte bietet jeder Monat des Jahres seine Highlights. Während manche Naturschauspiele, wie Brunft oder Balz, meist recht spektakulär ablaufen, gibt es auch zahlreiche Details, die uns auf den ersten Blick verborgen ­bleiben. Zeit, diese vor den Vorhang zu holen. – Wildkatze.

Während der Europäische Luchs in unseren Breiten in aller Munde ist, bewegt sich die Wildkatze als zweite, viel kleinere Katzenart beinahe unbemerkt durch ihren Lebensraum. Dabei handelt es sich bei der Wildkatze nicht, wie oft angenommen, um verwilderte Hauskatzen, sondern um eine „Ureinwohnerin“ Mitteleuropas.

Gottheit & Unglückssymbol

Nicht nur lautlos, sondern beinahe unsichtbar erobert sich die Wildkatze nach langer Zeit der Absenz langsam wieder Teile ihres ehemaligen Lebens­raumes zurück. Untersuchungen zufolge lebte die Wildkatze bei uns bereits vor 300.000 Jahren – lange bevor die Hauskatzen hier auftauchten.
Vorläufer unserer heutigen Hauskatzen ist nicht die Europäische Wildkatze, sondern die Falbkatze (auch „Afrikanische Wildkatze“ genannt). Diese wurde bereits von frühen Hochkulturen gehalten und verehrt. Mit den Römern haben die domestizierten Samtpfoten dann den Sprung über die Alpen geschafft und erfreuen sich nach wie vor größter Beliebtheit.
Aus der Verehrung der Katzen wurde im Mittelalter allerdings Hass und Verfolgung. Katzen wurden plötzlich zu Begleitern von Hexen und zum Symbol der Zauberei degradiert. Ein Relikt aus dieser Zeit ist der Aberglaube, schwarze Katzen brächten Unglück. Die von dieser Angst ausgehende Verfolgung, später weiter angestachelt durch die Annahme, Wildkatzen seien Bestien, die dem Niederwild gezielt nachstellten, brachte die Wildkatze im 19. Jahrhundert an die Grenze der Ausrottung. Doch diese Zeiten sind vorüber. Obwohl man heute immer noch erstaunlich wenig über diese scheuen Tiere weiß, schafft es die Wildkatze durch Schutzbestimmungen langsam wieder, Fuß zu fassen.

Baldrian

Dabei lässt sich das genaue Verbreitungsgebiet der Wildkatze auch heute noch nicht genau eingrenzen. Als Schatten der Wälder durchstreift sie überwiegend nachts ihren Lebensraum. Bis auf Zufallsbeobachtungen sind nur wenige Sichtungen in Österreich bekannt. Allerdings lässt sich dem mittels Wildkameras und der sogenannten „Lockstockmethode“ abhelfen. Dabei wird Baldrian – ein für Katzen unwiderstehlicher Geruch – auf einen angerauten Holzstab gesprüht. Wildkatzen werden davon angezogen und reiben sich daran. Zurück bleiben Haare, die mithilfe von DNA-Analysen entschlüsselt werden und Hinweise darauf geben, ob es eine Wildkatze oder ein anderes Tier war.

Haus- oder Wildkatze?

Doch wie unterscheidet man nun eine Wildkatze von einer „wildfarbenen“ Hauskatze? Eine Reihe von Details kann Auskunft darüber geben, wobei keines für sich eine eindeutige Zuordnung zulässt. Ganz typisch ist die buschige Rute mit den 3–4 deutlich voneinander abgegrenzten, dunklen Ringen und der schwarzen Spitze. Außerdem verfügt die Wildkatze über kräftige, weiße Barthaare und einen dunklen, schmalen Aalstrich entlang der Wirbelsäule. Darüber hinaus gibt es weitere Details, doch die Wahrscheinlichkeit, eine Wildkatze in freier Wildbahn zu Gesicht zu bekommen, ist ohnehin äußerst gering.
Neben den optischen Unterscheidungsmerkmalen ist aber auch das Verhalten ein anderes. Speziell bei der Jagd ist die Wildkatze wesentlich zielorientierter und erlegt ihre Beute schnell. Hauskatzen sehen darin oft ein Spiel, Wildkatzen hingegen haben nicht den Luxus, mit hochwertigem Katzenfutter versorgt zu werden. Was erlegt wird, wird gefressen oder auf direktem Weg dem Nachwuchs gebracht.

Mäusejäger

Das Wildkatzenjahr beginnt „leidenschaftlich“ – mit der Ranz. Diese kann bereits im Jänner beginnen, findet in der Regel jedoch im Februar und März statt. In dieser Zeit erweitern die Kuder ihre Streifgebiete auf der Suche nach fortpflanzungsbereiten Katzen. Die Begegnung der beiden Geschlechter wird aus beiderseitigem Interesse möglichst kurz gehalten, und so geht der Kuder vermutlich schnell wieder seiner eigenen Wege.
Nach einer Tragzeit von etwa neun Wochen wirft die Katze die Jungen im April/Mai an einem geschützten Ort. Dies sind entweder Felsspalten, hohle Baumstämme, alte Fuchsbaue oder zur Not auch Wurzelteller. Es ist davon auszugehen, dass sich die Katze allein um den Nachwuchs kümmert. Die Kätzchen sind anfangs blind und werden etwa drei Monate lang gesäugt. Ab der vierten Woche nehmen sie allerdings auch schon feste Nahrung zu sich. Diese besteht bei der Wildkatze im Wesent­lichen aus Wühlmäusen (bis zu 87 %). Den Rest machen unter anderem andere Kleinsäuger oder Sing­vögel, manchmal auch Insekten, Frösche oder Früchte aus. Obwohl Wildkatzen sehr gute Kletterer sind, findet die Jagd fast ausschließlich auf dem Boden – und nachts – statt.
Anders als Hundeartige, die bei der Jagd auf ihre ausgezeichnete Nase setzen, liegt der Fokus bei Katzenartigen auf dem Sehsinn. Wer eine Hauskatze daheim hat, kennt die Magie, die vor allem bei jungen Katzen von einem sich bewegenden Objekt ausgeht.
Der Nachwuchs wird über den Sommer immer selbstständiger, bis er schließlich etwa ab September von der Mutter vertrieben wird. Dann beginnt wieder das Leben als Einzelgänger, das bis auf die kurze Ranzzeit im Frühjahr die Regel ist.

Lebensraum

Im Hinblick auf den Lebensraum werden warme Südhänge in deckungsreichen Mischwäldern bevorzugt. Wichtig ist, dass diese störungsarm sind! In Bereichen menschlicher Aktivitäten sind Wildkatzen daher überwiegend dämmerungs- oder nachtaktiv. Lichtungen und Wiesen werden zum Sonnenbaden und zur Jagd präferiert. Alpine Regionen werden wegen der Empfindlichkeit auf Kälte und hohe Schneemengen gemieden. Gute Aussichten: Während der Klimawandel die meisten heimischen Wildtiere vor teils sogar große Herausfordungen stellt, könnte die Wildkatze daraus einen Nutzen ziehen. Denn mit immer geringeren Schneemengen könnten für sie auch höhere Lagen interessant werden.
Derzeit sind bestätigte Sichtungen von Wildkatzen in Österreich vor allem in Kärnten, westlich von Krems und im Nationalpark Thayatal bekannt und nur vereinzelt auch aus anderen Bundesländern. Dafür ist einerseits die Einwanderung aus den Nachbarländern verantwortlich – so verfügen Slowenien und die Slowakei über größere Vorkommen –, andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Wildkatze bei uns nie völlig ausgerottet wurde.

Abschluss

Über die genaue Einteilung der Wildkatze ist sich die Wissenschaft noch nicht einig. Die bei uns heimische Wildkatze – eigentlich die „Europäische Wildkatze“ – teilt sich das Attribut als Wildkatze mit weiteren Vertretern, wie der Afrikanischen Wildkatze (Falbkatze), der Asiatischen Wildkatze (Steppenkatze), der Südafrischen Wildkatze und der Graukatze (Gobikatze).

Wildkatzen sind ausgezeichnete Kletterer. - © Michael Migos
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Der Nachwuchs erprobt sein Klettervermögen am Baum. - © Reiner Bernhardt
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Junge Wildkatzen sind anfangs noch blind. - © Florian Kainz
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Die Wildkatze wirft ihre Jungen in Felsspalten, hohlen Baumstämmen oder alten Fuchsbauen. - © Florian Kainz
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Es ist davon auszugehen, dass sich die Katze allein um den Nachwuchs kümmert. - © Michael Migos
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Die Nahrung der Wildkatze besteht im Wesent­lichen aus Wühlmäusen (bis zu 87 %). - © Reiner Bernhardt
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